«Die Behörden agieren am äussersten Rand der Wissenschaft», sagte Sarah Camenisch, Sprecherin des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) vor den versammelten Medien. Die Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS)-Problematik beschäftigt vier Bundesämter und wird noch lange nicht vom Tisch sein, zumal diese Stoffgruppe sich insbesondere durch ihre Unabbaubarkeit auszeichnet. Und vieles ist noch nicht bekannt, z.B. zum Verhalten von PFAS in der Umwelt.

Schweiz beobachtet

«Es handelt sich um eine sehr grosse Stoffgruppe, die wegen ihrer praktischen Eigenschaften vielerorts eingesetzt wird», erklärte Simon Liechti vom Bundesamt für Umwelt (Bafu). Praktisch ist unter anderem, dass diese Substanzen stabil sind. «Die Kehrseite: Sie bauen sich nicht ab», ergänzte Liechti. Daher finde man PFAS heute in allen Umweltkompartimenten, also in Boden, Wasser und Luft. Vier PFAS sind in der Schweiz verboten, nämlich jene, für die von der EU-Behörde Efsa maximal tolerierbare wöchentliche Aufnahmemengen definiert worden sind.

Weitere Regulierungen sind hierzulande vorgesehen, zunächst für PFHxA ab Ende 2025 (laufende Vernehmlassung), ab 2027 dann für bestimmte PFAS in Schaumlöschmittel. Die EU diskutiert eine umfassende PFAS-Beschränkung, was die Schweiz laut Simon Liechti beobachtet. Ein eigenständiger Nachzug im Schweizer Recht werde entsprechend geprüft.

Christiane Wermeille vom Bafu informierte über den Stand des Wissens zur aktuellen PFAS-Verschmutzung in der Schweiz. Im Grundwasser habe man in knapp der Hälfte der Messstellen PFAS nachgewiesen, generell in tiefen Konzentrationen. Der aktuelle Grenzwert für Trinkwasser war an einer Messstelle überschritten, der – viel tiefere – Grenzwert der EU-Kommission hingegen an einem Viertel der Messstellen. Schweizweite Bodenproben zeigten eine generelle, (tiefe) Grundkontamination mit einzelnen Hotspots höherer PFAS-Konzentrationen. Der Bund strebt hinsichtlich dieser Grundkontamination ein Risikomanagement an und arbeitet dafür an passenden Grenzwerten. «Das dauert noch einige Monate und ist sehr komplex», sagte Wermeille. Es müssten dabei sowohl Gesundheits- und Umweltrisiken einbezogen werden, als auch u.a. technische Grenzen, Kosten und die soziale sowie politische Akzeptanz.

«Vernünftigerweise erreichbar»

Für verschiedene Produkte (darunter Eier, Rind-, Schweine-, Geflügel- und Schaffleisch) gibt es hierzulande seit 2024 Höchstwerte für gewisse PFAS. «Der toxikologische Referenzwert ist ein wichtiger Faktor», erläuterte Mark Stauber vom BLV das Vorgehen zum Festlegen von Höchstwerten. Die Efsa beziffere die Aufnahmemenge geregelter PFAS, die wöchentlich tolerierbar ist, mit 4,4 Nanogramm pro kg Körpergewicht. «Das entspricht vier Sandkörnern auf einem Elefanten», veranschaulichte Stauber. Weitere Überlegungen würden indes das «Alara-Prinzip» berücksichtigen: «So niedrig, wie vernünftigerweise erreichbar.»

Was das konkret heisst, verdeutlichte Stauber anhand einer Grafik: Listet man die PFAS-Konzentration einer grossen Anzahl Lebensmittel auf und ergänzt den toxikologischen Referenzwert, liegen doch nicht wenige darüber. Statt aber alle diese Produkte aus dem Verkehr zu ziehen, tut man dies nach dem Alara-Prinzip nur mit den fünf am stärksten kontaminierten Produkten.

«Aus Sicht der Gesundheit sollten die Höchstwerte tiefer sein», räumte Stauber ein. Es handle sich hier aber um ein für Umweltkontaminanten übliches Vorgehen des Risikomanagements, da sonst zahlreiche Lebensmittel nicht mehr marktfähig wären. Die Beurteilung erfolge jeweils innerhalb einer Lebensmittelgruppe: Es gäbe also nicht plötzlich kein Fleisch mehr, weil sich PFAS in tierischen Produkten anreichern, sondern vielmehr würden die Fleischprodukte mit höchster Belastung aus dem Verkehr gezogen.

Wer bezahlt Schäden?

Neben der Festlegung weiterer Höchstwerte für PFAS erarbeiten die Bundesämter im Auftrag des Parlaments bis Ende 2025 einen Bericht dazu, ob es einen PFAS-Aktionsplan braucht. Ausserdem läuft dieses Jahr eine Messkampagne zu PFAS in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln, um einen Überblick über die Belastung zu bekommen. Auf Basis dieser Resultate werde der Bund über weitere Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung entscheiden. Das könnten – in Koordination mit der EU – Höchstgehalte für weitere Lebensmittel sein.

In Anbetracht dessen wird die Frage drängender, wer für allfällige Schäden durch nicht mehr verkäufliche landwirtschaftliche Produkte aufkommen soll. «Wir haben keine Rechtsgrundlage für Entschädigungen im Zusammenhang mit kontaminierten Produktionsgrundlagen wie Boden oder Wasser», erklärte Peter Bomann vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Die Verordnung über soziale Begleitmassnahmen erlaube lediglich zinslose Darlehen für allfällige Betriebsumstellungen.