Herbstzeit – Wanderzeit. Tausende geniessen in den nächsten Wochen nochmals ausgiebig die herbstliche Natur und Landschaft, nicht nur in den Bergen. Corona-bedingt hat das Wandern und vermehrt auch das Biken an Beliebtheit zugelegt. Das führt schon mal zu Dichtestress und Konfliktsituationen, zwischen Wanderern und Bikern, Bikern und Bauern, Bauern und Wanderern. Davon zeugten auch mehrere kürzlich überwiesene Vorstösse im Luzerner Kantonsrat, die eine bessere Regulierung verlangten.
Eskalation selten
Nein, genervt habe er sich noch nie wegen Bauern, welche Wanderwege sperrten, den Hofhund nicht im Griff haben oder wegen Bikern, die rücksichtslos an Wanderern vorbeipreschen. Das sagt Andreas Lehmann, Geschäftsleiter des Vereins Luzerner Wanderwege. Es dauere jeweils einige Zeit, bis es zu einer Eskalation komme. «Wir nehmen die Anliegen der Landwirtschaft ernst und versuchen, Lösungen zu finden, damit es gar nicht so weit kommt.» Bei den schier unlösbaren Einzelfällen stelle sich jeweils die Frage nach dem wirklichen Grund.
Verbote sind Einzelfälle
So wie diesen Frühling auf dem Wellberg bei Grosswangen, als ein Landwirt ein Verbot für Reiter, Hundehalter und Biker erliess, weil er genug von den Landschäden hatte. Das Verbot betraf nicht Wanderer, zumal die für andere Nutzer gesperrten Wege als offizielle Wanderwege eingetragen sind. Gleichwohl sorgte der Fall für Aufsehen in den Medien und für zahlreiche kritische Leserbriefe. Lehmann äusserte schon damals Verständnis für die Sorgen des Bauern und erklärte im «Willisauer Boten», dass Wanderer nicht davon ausgehen können, ihren Hund überall mitnehmen zu können. Hundeverbote auf Wanderwegen seien allerdings sehr selten. Bedauern, dass auch Biker den Weg auf dem Wellberg nicht mehr nutzen dürfen, äusserte in der gleichen Zeitung Andy Stalder, Präsident von Mountainbike Luzern. Der Verein macht sich für ein friedliches Nebeneinander und gegenseitige Rücksichtnahme stark. Es gebe immer Ausnahmen und rücksichtslose Biker auf Wanderwegen würden eben nicht zum guten Image beitragen. Mit guter Kommunikation sollen Lösungen gefunden, statt Verbote erlassen werden.
Die Wege lenken
Gemäss Gesetz müssen Wanderwege frei und gefahrlos begangen werden können und dürfen auch nicht versperrt werden, erklärt Lehmann die rechtliche Situation. Er kenne nur ganz wenige Fälle auf dem Wanderwegnetz des Kantons, wo ein Fahrverbot für Biker oder ein Reitverbot gelte. Er weist auch darauf hin, dass das 2750 km lange Luzerner Wegnetz eine Lenkungsfunktion habe. «Die Wandernden werden dorthin gesteuert, wo ein Miteinander von Landwirtschaft und Freizeitnutzungen möglich ist. So haben wir die Leute da, wo wir sie wollen, und nicht überall.» Dass es nicht immer ohne Konflikte gehe, sei menschlich. Unbelehrbare Personen und «Trötzeler» seien nicht vermeidbar, auf beiden Seiten. Und es seien meist Einzelfälle, welche Streit auslösen und von Seiten Landwirtschaft und Wanderwege viel Arbeit verursachen. «Das Miteinander funktioniert aber meistens recht gut.» Lehmann dankt den Bauern und Grundeigentümern, durch deren Grundstücke Wanderwege führen. Er ruft dazu auf, mit dem Verein in Kontakt zu treten, wenn sich Probleme abzeichnen, damit gemeinsam Lösungen gesucht werden könnten. Und wenn mal «ungehobelte Gäste» auf den Wegen unterwegs seien, helfe eine gewisse Gelassenheit meistens weiter, statt Emotionen hochkochen zu lassen.
Wanderknigge beachten
Gerade wegen Corona seien eben viel mehr Menschen draussen in der Natur. Auch solche, welche sonst nicht auf Wanderwegen unterwegs seien und deshalb die eine oder andere Regel nicht kennen. Der Verein Luzerner Wanderwege sei deshalb diesen Frühling mit dem Hinweis auf den Wanderknigge an die Medien gelangt: Auf den signalisierten Wegen bleiben und keinen Abfall hinterlassen. Zudem würden gemeinsam Projekte mit der Landwirtschaft gestartet, wie «Hofläden am Wanderweg». Und Lehmann erwähnt auch die Broschüre des Schweizer Bauernverbands, «Stadt und Land, Hand in Hand», mit Tipps für Besucher auf dem Land.
Chance für Bauern
Umweltingenieur Andreas Lehmann weist aber auch auf die Chancen von Wanderwegen für die Landwirtschaft hin. «Das ist doch die Gelegenheit, den Wandernden gegenüber die Arbeit der Bauern zu präsentieren und auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.» Auch seitens bäuerlicher Organisationen wird dazu aufgerufen, den Dialog mit den Besuchern aus der Stadt zu nutzen. Wanderwege könnten mithelfen, den derzeit hochstilisierten Stadt-Land Graben gar nicht erst entstehen zu lassen.
Aktuell sind der Verein Luzerner Wanderwege und der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) im Dialog und wollen mit verschiedenen Massnahmen das gegenseitige Verständnis und die Sensibilisierung ihrer jeweiligen Mitglieder verbessern.
Interessenskonflikte
Seitens LBV gebe es durchaus noch Klärungsbedarf in anderen Bereichen mit dem Verein Luzerner Wanderwege, meint Geschäftsführer Stefan Heller. So beispielsweise bei den Vorstellungen bezüglich neuer Wanderwege durch Kulturland in den regionalen Richtplänen. Und er erwähnt auch die Interessenskonflikte, wenn zu befestigende Flurwege gleichzeitig als Wanderwege verzeichnet sind, solche aber möglichst unbefestigt sein sollen.
Wenig Konflikte zwischen Wanderern und Bikern
Streitigkeiten zwischen diesen beiden Wegnutzern seien im Kanton Luzern wirklich selten, sagt Andreas Lehmann, Geschäftsleiter Verein Luzerner Wanderwege. Es gebe aber in der Tat Wege, welche zu schmal für die Koexistenz seien, das heisst das Miteinander von Bikern und Wandernden.Der Verein habe das ganze Wanderwegnetz auf ungeeignete Stellen untersucht und diese 2020 digital erfasst. Zudem sei man mit den Bikern in Kontakt. Lehmann weist aber auf den Unterhalt der Wanderwege hin. «Werden diese mit Mountainbikes befahren, ist die Beanspruchung der Oberfläche grösser.»
Um das Miteinander zu verbessern, wäre eine neue Koordinationsstelle für den Langsamverkehr sehr sinnvoll. Der Verein sei letztes Jahr etwas überrannt worden mit Anfragen wie, «wo darf ich reiten, wo biken, wo mit meinem Hund spazieren?», weil eben sonst niemand dafür zuständig sei. Der Kanton hat den Handlungsbedarf erkannt. In der Tat fehle im Bereich Mountainbike im Gegensatz zum Wandern eine gesetzliche Grundlage und eine für den Vollzug mandatierte Stelle, erklärte der Regierungsrat in der Antwort zum Postulat von Kantonsrat Michael Kurmann. Deshalb ist eine Projektorganisation mit allen Involvierten im Aufbau.
Wenig Konflikte mit Rindvieh
Laut Gesetz haften Tierhaltende grundsätzlich für Schäden ihrer Tiere. Ausser wenn sie nachweisen können, dass sämtliche notwendigen Vorsichtsmassnahmen getroffen worden sind. Handlungsbedarf besteht, wenn Spazier- und Wanderwege durch Rindvieh-weiden führen, aber auch bei Weideeingängen. Von Mutterkuh Schweiz gibt es für die Tierhalter einen Ratgeber und eine Checkliste für Rindvieh im Weide- und Wandergebiet. Verbreitet sind bei Wegen durch Weiden auch Tafeln aufgestellt, wo darauf hingewiesen wird, dass Kuhmütter eben ihre Kälber schützen und Distanz nötig ist. Und es gibt Flyer für Wanderer oder Videos zum richtigen Verhalten durch Weiden.
Mutterkuh Schweiz rät den Tierhaltern auch, mit den Verantwortlichen für Wanderwege oder der Gemeinde Rücksprache zu nehmen und mögliche Risiken zu klären. Dazu rät auch Andreas Lehmann, Geschäftsleiter Verein Luzerner Wanderwege. Es habe im Kanton in letzter Zeit wenig Meldungen wegen Konflikten zwischen Mutterkühen und Wanderern gegeben. Offenbar würden Information und Lenkung gut funktionieren. «Idealerweise werden wir frühzeitig informiert, wenn ein Betrieb neu auf Mutterkühe umstellt.» So könnten meist gemeinsam Lösungen gefunden werden, etwa temporäre oder dauerhafte Umleitung des Weges.