Mit 5,45 ha Raps lasse sich ein Ertrag von 5730 l Rapsöl bzw. brutto 194 820 Franken im Direktverkauf generieren, befindet das Bundesgericht. Es hat einen Entscheid dazu gefällt, wie der SAK-Zuschlag für Aufbereitung, Lagerung und Verkauf eigener Produkte auf dem Betrieb zu bemessen ist; nämlich am Potenzial (potenzielle Rohleistung), nicht dem tatsächlich erzielten monetären Wert bzw. Umsatz. Diesen hatte im obigen Gerichtsfall der Landwirt für den Direktverkauf seines Rapsöls mit durchschnittlich lediglich 33 400 Franken beziffert. In SAK ausgedrückt hätte das einen Zuschlag von 0,167 bedeutet, das Gericht beharrte hingegen – basierend auf der potenziellen Rohleistung – auf 0,950 SAK.
Vollzugshilfe angepasst
«Das ist schon sehr heftig», findet Martin Goldenberger, Bereichsleiter Bewertung und Recht bei Agriexpert zum Gerichtsentscheid. Der Grundsatz der objektiven Betrachtung sei richtig, so würden auch die andern Betriebsbestandteile beurteilt. «Ich finde diese neue Betrachtung, die notabene ohne Klärung der Absatzmöglichkeiten zur Anwendung kommt, sehr speziell.» Der Landwirt hatte erfolglos argumentiert, dass er nicht seine gesamte Rapsölproduktion direkt vermarkten könne, weil die Nachfrage fehle. Bei der Verkaufsmenge stützte sich das Gericht auf die objektive Betrachtung, beim Verkaufspreis hingegen auf den subjektiven Preis, so Goldenberger. «Merkwürdig, wenn schon hätte auch in dieser Frage ein Richtpreis verwendet werden müssen – der Bio-Richtpreis liegt z. B. 10 Franken tiefer.» Auch fehle die Prüfung, ob der Landwirt technisch und zeitlich überhaupt in der Lage gewesen wäre, soviel Rapsöl zu vermarkten. «Als Berater in der Praxis stellt uns diese Betrachtungsweise vor grosse Probleme», so der Fachmann; «Wie ist unter dieser neuen Beurteilung der Hinweis in der Verordnung zum bäuerlichen Bodenrecht zu verstehen, dass die Rohleistung in der Finanzbuchhaltung ausgewiesen sein muss?»
Der geschilderte Fall hat Folgen: Wie das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) informiert, ist generell für die künftige Berechnung von SAK-Zuschlägen ab sofort die potenzielle Rohleistung massgebend. Was bedeutet das für Landwirt(innen)?
Gewerbe ja oder nein?
Für Betriebe mit geringen Produktionsmöglichkeiten (Stall und/oder Land begrenzt) könne die neue Auslegung in Einzelfällen die Rettung sein, so die Einschätzung von Martin Goldenberger. «Weil mit dem Potenzial mehr SAK anfallen, als effektiv geleistet werden.» Aber auch der umgekehrte Fall könne eintreten, wie es dem erwähnten Betrieb vor Bundesgericht erging: Es kam zu dem Schluss, dass noch ein Gewerbe vorhanden ist. «In der Mehrheit wird das Urteil aber klar denjenigen nützen, die nur knapp ein Gewerbe sind, weil das Potenzial dann zum Status als Gewerbe verhilft», sagt der Fachmann. Das kann von Vorteil sein, da z. B. nur Gewerbe ausserhalb der Bauzone Wohnbauten oder landwirtschaftliche Nebenbetriebe errichten dürfen.
«Wenn ein Eigentümer keinesfalls in den Gewerbestatus fallen will, dürfte er demnach nicht mit der Aufbereitung, Lagerung und dem Verkauf eigener Produkte beginnen», ergänzt Goldenberger zu möglichen Nachteilen.
Die Vorteile der neuen Bemessungsart von SAK-Zuschlägen zu nutzen, hält er aber für einigermassen schwierig. Offen sei etwa, in welcher Ausgangslage man sich auf ein Potenzial berufen könne oder welche Eckpunkte zu erfüllen wären. Das Bundesgericht hält fest, es sei auf durchschnittliche, landesübliche Bewirtschaftungsformen abzustellen, «und nicht auf ausgefallene Einzelfälle». Wenn ein Landwirt im Seeland ein Konzept für den Direktverkauf von Gemüse vorlegt, dürfte dies demnach glaubhaft sein. «Was ist mit einem Landwirt im Kanton Luzern, im Entlebuch?», fragt Martin Goldenberger. Denn dort wäre der Gemüseverkauf wahrscheinlich nicht «landesüblich».
«Will man die neue Berechnungsweise nutzen, ist ein Konzept vorzulegen, das an bestehende Handlungen und Infrastrukturen anschliesst», fährt der Fachmann fort. Im Bundesgerichtsfall war es ein bestehender Hofladen, in dem Rapsöl verkauft wurde.
Das Potenzial bleibt
Auf der anderen Seite gebe es das Risiko, dass bestehendes Potenzial nicht einfach so «abgeschüttelt» werden kann. Das Gewerbe bleibt erhalten, wenn das Potenzial weiterhin vorhanden ist. «Der Eigentümer kann bereits heute z. B. nicht einfach den Stall für 20 Kühe leer lassen und argumentieren, er erreiche die Gewerbegrenze nicht mehr», sagt Martin Goldenberger. «Wie ist ein Potenzial für die mögliche Aufbereitung, Lagerung und Verkauf zu berücksichtigen? Dabei sollte auch auf bestehende Infrastruktur abgestützt werden.»
Eine Schwierigkeit sieht der Fachmann weiter im für die SAK-Berechnung geforderten Nachweis in der Buchhaltung. «In der Verordnung zum Bäuerlichen Bodenrecht (BGBB) heisst es, die Rohleistung muss in der Finanzbuchhaltung ausgewiesen sein», gibt Goldenberger zu bedenken. «Wird das Potenzial berücksichtigt, geht das ja gar nicht.» Ausgewiesen sei vermutlich nur ein kleiner Teil, wie bei dem Rapsöl-Produzenten im Bundesgerichtsurteil. Dieses Argument würde laut dem Berater wieder dafür sprechen, dass ein Ansatz des Potenzials bereits heute vorhanden und nachweisbar sein muss. «Der berühmte Eier-/Obstverkauf über die Betriebskasse ist jedoch häufig nicht separat erfasst und der Nachweis fehlt.»
Zusammenfassend geht die neue Berechnungsweise für SAK-Zuschläge mit einer gewissen Unsicherheit einher. «Wir stellen in der Beratung fest, dass es sich die kantonalen BGBB-Behörden nicht so einfach machen mit der Anwendung des Potenzials», bemerkt Goldenberger.
SAK – wofür?
Laut Martin Goldenberger, Agriexpert, wird das Mass der Standardarbeitskräfte (SAK) heute in der Politik und damit in vielen Bestimmungen eingesetzt, die Landwirt(innen) direkt betreffen. Er nennt folgende Hauptanwendungen:
Grenze für Direktzahlungen (ab 0,2 SAK).
Angrenzung zwischen landwirtschaftlichem Grundstück und landwirtschaftlichem Gewerbe (nur bei Letzterem ist eine familiäre Übergabe zum Ertrags- statt Verkehrswert vorgesehen).
Entscheid über die Zusage von Geldern via Strukturverbesserungsverordnung.
Wohnbauten ausserhalb der Bauzonen dürfen nur Gewerbe errichten.
Auch landwirtschaftliche Nebenbetriebe dürfen nur gebaut werden, wenn ein Gewerbe vorliegt.
«Das Bundesrecht gibt die Grenze von 1 SAK im Mehrjahresmittel für den Gewerbestatus an», so Goldenberger. Die Kantone können sie aber auf 0,6 SAK senken.