Dass Ostern vor der Tür steht, haben Sie sicher nicht erst beim Blick auf die BauernZeitung festgestellt. Seit Wochen stehen in den Ladenregalen Hasen aus Schokolade, gefärbte Eier und bunte Deko. Dass es beim Osterfest ursprünglich um die Auferstehung Jesu und damit um den Sieg des Lebens über den Tod ging, verschwindet allerdings meist unter einem Berg süsser Versuchungen.
Es gibt aber auch Tage, die sowohl unbemerkt vorbeigehen als auch in ihrer Bedeutung vielen unbekannt sind. Sie tragen die Namen «Swiss Deficit Day» oder «Swiss Overshoot Day» und an diesen Daten gibt es definitiv nichts zu feiern.
Ein unverständliches Zahlenspiel?
Am Deficit Day rutscht die Schweiz in ein Defizit, da der bisherige Ressourcenverbrauch im Jahr der Messung die Biokapazität unserer Ökosysteme übersteigt. Das kann man als ein unverständliches wissenschaftliches Zahlenspiel abtun, das ausserdem am 25. März 2023 ohne grosses Medienecho still und leise über die Bühne gegangen ist. Die Welt dreht sich weiter, es hat keinen einzigen Osterhasen weniger im Regal und geregnet hat es ja heuer (zumindest hierzulande) auch wieder – alles halb so schlimm.
Mehr als viermal zuviel
Ganz unberührt lässt der Deficit Day aber doch nicht. Seine Hauptaussage lässt sich auf zwei Arten ausdrücken: In der Schweiz verbrauchen wir mehr als das Vierfache von dem, was in derselben Zeit hierzulande regeneriert werden kann. Oder: Weniger als ein Viertel unseres Fussabdrucks wäre für unser Land tragbar. Es gibt drei Möglichkeiten, mit unserem Lebensstil den Rahmen derart zu sprengen: Wir nutzen Allgemeingüter wie die Atmosphäre allzu ausgiebig, profitieren via Importe von der Biokapazität im Ausland oder übernutzen unsere eigenen Ressourcen im Inland. Wie lange kann das gut gehen?
Was zum Fussabdruck beiträgt
Auf diese Frage gäbe es wahrscheinlich auch eine wissenschaftlich berechnete Antwort. Klimawandel, starke Abhängigkeit vom Ausland und ausgelaugte Ökosysteme sprechen allerdings Bände und lassen sich weniger leicht übersehen als ein Datum mit kaum erklärbarem Hintergrund. Den Handlungsbedarf hat man grundsätzlich auch erkannt und in der Diskussion um Lösungen kann die Wissenschaft wieder hilfreich sein. Sie sagt, dass mit 31 Prozent die Mobilität am meisten zum ökologischen Fussabdruck des Schweizer Konsums beiträgt, gefolgt von der Ernährung (23 Prozent), Dienstleistungen (17 Prozent) und Wohnen (16 Prozent).
Das Ostergitzi in Ehren
Ansatzpunkte für einen verträglicheren Lebensstil gäbe es also viele, der Fleischkonsum ist wohl einer der meistdiskutierten – auch zu Ostern. So kritisiert der WWF diese Woche, wie Tierisches auf der Festtafel landet. In einer internationalen Studie mit Beteiligung von Agroscope kam man kürzlich zum Schluss, dass im Allgemeinen tierische Lebensmittel negative Umweltwirkungen hinsichtlich Landnutzung, Klimawandel, Bodengesundheit, Wassermenge und -qualität sowie Biodiversität hätten. In all diesen Bereichen hätten sie aber ebenso positive Wirkungen, die gestärkt werden können. Menschen mit hohem Fleischkonsum würden generell von einem geringeren Verzehr gesundheitlich profitieren, was auch ökologische Vorteile hätte, heisst es weiter. Fleisch sollte somit etwas Besonderes sein statt alltägliche Massenware – das Ostergitzi in Ehren.
Zu stark von tierischen Produkten abhängig
Kurz: Wir müssen weniger und anders konsumieren. Ersteres schadet aber der Wirtschaft. Sobald sich deren Wachstum verlangsamt, schrillen die Alarmglocken. Ewiges Wachstum gibt es sonst nirgendwo, sicher nicht in der Landwirtschaft. Landwirte arbeiten mit und in der Natur, in Kreisläufen. Allerdings sind sie unter den herrschenden politischen Rahmenbedingungen zu stark von der wertschöpfungsstarken tierischen Produktion abhängig, als dass sie die Diskussion um einen geringeren Konsum kaltlassen könnte. Da liegt der Hase im Pfeffer. Und wie bringt man den Leuten regionalen, saisonalen Einkauf bei?
Die Umwelt hat kein Preisschild, unsere Zukunft auch nicht. Somit ist und bleibt es eine sehr schwierige Aufgabe, Menschen zum Handeln zu bewegen – sei es in der Politik oder beim Einkauf. Ob der Deficit Day dabei hilft, sei dahingestellt. Zumindest gibt er einen Anlass, das Ganze noch mal zu diskutieren.
Wenn die Vernunft siegen würde
Der Swiss Overshoot Day steht uns noch bevor. Am 13. Mai 2023 wären sämtliche Ressourcen weltweit für dieses Jahr aufgebraucht, wenn alle Menschen so leben würden, wie Schweizerinnen und Schweizer es tun. Wie der Deficit Day rückt dieses Datum Jahr für Jahr zurück, wir kommen immer früher an den Punkt des Zuviels. Wenn das nur so einfach zu schmelzen wäre wie ein übrig gebliebener Schoggihase. Das wäre dann zwar nicht der Sieg des Lebens über den Tod, doch wenigstens jener der Vernunft über die Bequemlichkeit.
