Nur wenige Bäuerinnen und Bauern sind für die Biodiversitäts-Initiative (BDI). Warum befürworten Sie diese?
Peter Waltenspül: Es ist schade, dass die Landwirtschaft schon wieder in einem Abstimmungskampf als Sündenbock herhalten muss. Die BDI ist ein notwendiges Übel, dennoch befürworte ich diese. Ursprünglich war ich für den Gegenvorschlag, welcher leider nicht zustande kam. Dieser hätte auch die Privaten und Gemeinden in die Pflicht genommen. Nun muss ich leider ja zur BDI sagen. Wir müssen endlich etwas bewegen, um den Artenschwund zu stoppen. Ich brauche keine Wissenschaftler, um festzustellen, dass die Biodiversität in der Vergangenheit zurückging. War ich früher mit dem Auto unterwegs, musste die Frontscheibe regelmässig gereinigt werden, da sie voller Insekten war. Das hat sich stark verändert. [IMG 2]
In einer Mitteilung zur BDI erwähnte Pro Natura das Flächenziel von 30 Prozent. Aktuell seien nur 8 Prozent der Schweizer Fläche ausreichend geschützt. Es fehlt also eine Fläche, die der Grösse der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn zusammen entspricht. Schmerzt es Sie als Landwirt nicht, so viel Flächen zu extensivieren?
Das Argument, dass nach einer Annahme der BDI Flächen in der Grösse von mehreren Kantonen extensiviert werden müssten, ist falsch und populistisch. Noch ist nicht definiert, was zu diesen 30 Prozent gehört. Diese Definition muss noch ausgearbeitet werden. Dabei wäre es völlig absurd, sehr produktive Flächen zu extensivieren. Wer die Schweizer Politik in den vergangenen Jahrzehnten mitverfolgte, weiss, da wird es pragmatische Lösungen geben. Wertvolle Alpweiden und BFF werden sicher angerechnet.
In den letzten 30 Jahren wurden in der Landwirtschaft unzählige neue Programme eingeführt, neue Projekte initiiert und der Anteil extensiv bewirtschafteter Flächen an der LN liegt heute bei fast einem Fünftel. Dennoch soll gemäss den Initianten der Artenschwund zugenommen haben. Liegt das Problem wirklich in der Landwirtschaft?
Die schwindende Biodiversität ist ein globales Problem. Dieses zu lösen, benötigt alle, nicht nur uns Bauern. Genau aus diesem Grund darf aber die Landwirtschaft nicht nein sagen. Obwohl ich schon seit Jahrzehnten biologisch wirtschafte, muss ich leider auch auf meinem Hof einen Artenschwund feststellen. Wir haben auf unseren extensiven Wiesen nicht mehr die grosse Vielfalt wie zu meiner Schulzeit. Ein wichtiger Punkt ist sicher der immense Stickstoffeintrag über die Luft. Stickstoffliebende Pflanzen verdrängen dadurch seltene Arten. Auch der Rückgang in der Fauna ist offensichtlich, dafür benötige ich keine Studien von Professoren. Der gesamtheitliche Verlust in der Tierwelt wird nicht einfach kompensiert, weil einzelne Vogelarten wieder zunehmen.
Wo sehen Sie bei der Biodiversität die grössten Defizite in der Landwirtschaft?
Die BFF sind heute vielfach am falschen Ort. Ich war auch nicht dafür, auf bestehenden Ackerflächen 3,5 Prozent BFF einzuführen. Der Ansatz war aber richtig, dass vermehrt naturnahe Flächen in der Nähe der intensiven Ackerflächen im Mittelland angelegt werden. Die Biobauern wissen um die Vorteile von Nützlingsstreifen. Wir sollten im Pflanzenbau zukünftig noch verstärkt Nützlinge fördern, statt nur Schädlinge zu bekämpfen.
Ist es denn sinnvoll, die hiesige Landwirtschaft weiter zu extensivieren und im Gegenzug mehr Lebensmittel zu importieren? Dadurch wird ja das Problem nur exportiert?
Ein hoher Selbstversorgungsgrad ist wichtig. Aber sind wirklich wir Bauern diejenigen, welche von einer hohen Eigenversorgung profitieren, wie es immer gepredigt wird? Die Produzentenpreise sind ja nur selten kostendeckend. Ob da eine Ausdehnung der Produktion förderlich ist, bezweifle ich. Die Nahrungsindustrie ist ja nicht wirklich an einer stärkeren Inlandproduktion interessiert, denn Importe sind für diese mindestens so interessant.