Wozu braucht der  Esel eine Stiftung?

Edith Müller: Es fehlt an Information über den Esel. In den Medien bekommt man ihn – wenn überhaupt – als lebendiges Vorurteil präsentiert. Zudem ist der Marktwert des Esels erniedrigend tief. Ein Esel im Stall ist also kein angestrebtes Statussymbol. Daher gelingt es ihm nicht, durch seine inneren Werten zu überzeugen, darum ist es eminent wichtig, das Bewusstsein der Verantwortung, welche die Menschen für ihre Tiere als ihre Mitgeschöpfe tragen, die Würde und das Wohlergehen von Eseln zu schützen und die artgerechte Haltung und den verantwortungsbewussten und schonenden Umgang mit den Langohren zu fördern.

Wie sind Sie persönlich auf den Esel gekommen?

Vor 35 Jahren erhielt mein Mann seinen ersten Esel von seinen Eltern zum Geburtstag geschenkt. Er war es, der den Esel in unsere Tierhaltung brachte. Dass wir aber mehrere Esel haben, liegt an mir. Denn schon mein erster Esel war aus einer nicht eseltauglichen Haltung. Er war mit vier immer noch Hengst und weil niemand mit ihm umgehen konnte, liess man ihn im Kuhstall angebunden. Als es nicht mehr praktikabel war, wurde er zum Metzgen ausgeschrieben. 

Welche Personen soll diese Stiftung ansprechen?

Wir möchten alle Menschen ansprechen. Eselfreunde ohne und mit Esel. Dazu gehören Eselhalter, denen wir helfen, wenn es nicht mehr vorwärtsgeht, wenn irgendein Problem ansteht, der Esel umplatziert werden muss, und so weiter. Oder Institutionen, die Esel anschaffen möchten oder auch  solche, die bereits Esel haben, denen wir helfen, die richtige Infrastruktur zu schaffen und dann helfen, die geeigneten Tiere zu finden. Manchmal gibt es Probleme mit Tieren, dann kann bei uns angeklopft werden und wir sind bestrebt, eine gute, praktikable Lösung für beide Seiten zu finden. Oder Schulen, in denen wir mit viel Anschauungsmaterial vor Ort bei und mit unseren Tieren das Wesen Esel näher bringen möchten. Wenn es uns von den Distanzen her möglich ist, gehen wir auch ins Klassenzimmer. Wir helfen wie oben schon erwähnt, in Tierschutzfällen mit unseren Eselbotschaftern, die anstehenden Probleme zu lösen, oder ein Tier in einen Pflegeplatz zu nehmen, bis es eine neue Bleibe hat.

Sie sind gegen einen Einsatz von Eseln im Herdenschutz. Wie begründen Sie das?

Ich mag schon das Wort Herdenschutzesel nicht! Esel sind Fluchttiere. Das erkennt man bereits an ihrer Augenstellung. Und Fluchttiere zum Schutz von andern Tieren einzusetzen macht für mich überhaupt keinen Sinn. Dass der Esel sein Territorium verteidigt, heisst nicht, dass er für vier, fünf Monate auf eine Alp mit einigen hundert Schafen, ohne Unterstand, Hufpflege, Wasser und tägliche Pflege gehalten werden kann. 

Wo sehen Sie denn die konkreten Probleme bei solchen Einsätzen?

Der Esel als Wüstentier ist nicht geeignet, sich nur von Gras zu ernähren, auch wenn man mir glaubhaft zu versichern versucht, das Berggras sei nicht so fett und nicht schädlich. Ich sehe jedes Jahr kranke Esel vom Berg runterkommen. Ich habe nichts dagegen, wenn Esel und Schafe zusammen gehalten werden, sofern die Esel nicht 24 Stunden lang Gras erhalten und sie gepflegt und ihrer Art entsprechend gehalten werden. 

Das heisst?

Heu, Wasser, Salzleckstein und Mineralwürfel (für Equiden) sind unverzichtbar, genauso wie Knabberäste von Hasel oder Fruchtbäumen.  

Welche Aufgaben sollen denn Esel stattdessen ausführen?

Esel können dasselbe leisten, wie Pferde. Einfach langsamer und je nach Schulterhöhe halt mit weniger Gewicht belastet. Die Tragfähigkeit eines Esels beträgt 20 Prozent seines Körpergewichts Esel können eine Kutsche ziehen, von Kindern geritten werden oder auch Holz rücken. Man kann sie Basten oder ganz einfach mit ihnen spazieren. Sie machen auch gerne Zirkuslektionen. Sie müssen aber genauso wie Pferde dazu ausgebildet werden. Genau da liegt aber der Hase im Pfeffer, genau das will niemand und das können auch nicht viele. Esel sind nicht autoritätsgläubig, mit ihnen muss man reden und sie überzeugen. 

Das tönt nach Freizeitbeschäftigung. Kann in der Schweiz überhaupt von einem Nutztier Esel gesprochen werden? Oder ist das vielmehr ein Heimtier?

Der Esel ist in der Schweiz schon lange kein Nutztier mehr. Das Pferd ja übrigens auch nur noch sehr bedingt. Es sind wenige Esel, die noch in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Vielmehr sind sie Freizeitpartner oder Haustiere geworden. Bei den Eseln kann man auch nicht von Sporttieren sprechen, wie das bei Pferden möglich ist. Vielleicht gibt es noch ganz wenige Esel, die zur Arbeit herangezogen werden. Ich weiss von Alptieren, die jeden Tag mit dem Senn die Weiden ablaufen und ihm die Pfosten tragen. Aber die sind an einer Hand abzuzählen. Alle andern Esel werden als Freizeittiere gehalten. Vielerorts leider als Rasenmäher wie eben Schafe.

Gibt es auch noch andere Gründe, warum hierzulande Esel gehalten werden?

Ich weiss von einigen Haltern im Kanton Tessin, die Esel vermehren, da sie hierfür Kantonsbeiträge erhalten.  Dort werden sie zudem geschlachtet, um Salami zu machen. Wenn das als Nutztier bezeichnet werden kann. Leider werden auch bei diesen Eseln die Hufe nicht korrekt gepflegt und ausgeschnitten, weil sie ja sowieso zum Schlachter gehen.