Das Pflänzchen sieht kümmerlich aus. Nicht besonders hochgewachsen, mit etwas zu hellgrünen Blättern. Eigentlich erstaunt die mässige Entwicklung nicht weiter. Es handelt sich nämlich um Baumwolle, eine Pflanze, die normalerweise in den heissen und feuchten Regionen kultiviert wird. Auf dem Acker am Hang des Berner Juras ist es der Staude etwas zu kalt. «Im Gewächshaus, wo wir die Baumwolle angezogen haben, gedeiht sie besser», sagt Peter Zimmermann. Die Baumwolle ist nicht die einzige exotische Kultur, die beim Landwirt auf dem Feld wächst. Zugegeben, es ist kein gewöhnliches Feld, das Zimmermann und seine Frau Rosmarie in Zusammenarbeit mit dem Verein Weltacker Attiswil bewirtschaften. Es ist ein Weltacker.

Vielfalt gefällt

Dieser Weltacker ist 2000 Quadratmeter gross. Dieser Fünftel einer Hektare an Ackerland steht theoretisch jedem Menschen auf der Welt zu. Das ist die Fläche, die für den Anbau von Nahrung, Faserpflanzen für die Kleidung und für die Produktion von Biotreibstoff ausreichen muss. Zimmermanns haben die weltweit wichtigsten Kulturen proportional angebaut. Das heisst: Weltweit wird auf 20 Prozent der Ackerfläche Soja angebaut. Also werden auf dem Acker auch 20 Prozent in Anspruch genommen.

Der Acker ist eine Art Freilichtmuseum, in dem den Besucherinnen und Besuchern die globale Landwirtschaft in ihren Ausmassen gezeigt wird. Seit gut zwei Monaten ist der Acker für die Öffentlichkeit jederzeit zugänglich. Die Reaktionen der Menschen seien positiv. «Den Leuten gefällt die Vielfalt an Kulturen», erzählt Peter Zimmermann. Tatsächlich sieht man Pflanzen – wie die Baumwolle – die auf den Schweizer Feldern nicht zu sehen sind. Rund 45 verschiedene Kulturen wachsen nebeneinander. Eingeteilt sind sie in die Kategorien Getreide, Hülsenfrüchte, Wurzelfrüchte, Ölfrüchte, Gemüse, Fasern, Genussmittel, Grünfutter sowie Obst und Nüsse. Zu jeder Pflanze kann Zimmermann etwas erzählen. Etwa, dass der Boden für den Maniok, eine Wurzelfrucht und wichtiges Nahrungsmittel in Afrika, zu schwer ist. «Wir haben extra Sand eingearbeitet. Doch es passt immer noch nicht ganz», erklärt der Landwirt. Nur wenige Stauden haben bis jetzt überlebt.

Vorbild Nuglar und Berlin

Die Jungpflanzen von Maniok und Yams, einer andere Wurzelpflanze, die eher in Asien verbreitet ist, bezogen Zimmermanns vom Tropenhaus in Wolhusen LU. Den Reissamen erhielten sie von Agroscope, die in der Schweiz einen Anbauversuch gemacht hatte. Einheimische Kulturen wie Weizen, Mais, Gemüse oder Beerensträucher fanden sie bei Berufskollegen oder kauften sie bei Samenhändlern. Was danach immer noch fehlte, erhielten sie vom Weltacker in Nuglar SO. Dort wird das gleiche Projekt seit 2017 durchgeführt. Die ursprüngliche Idee kommt aber aus Berlin. Der Gründer des ersten Weltackers wollte den Agrarbericht der FAO verständlicher und leichter zugänglich machen. «Dieser Bericht ist gespickt mit Zahlen. Die wenigsten Menschen lesen ihn. Dabei wäre so viel wichtige Information darin», sagt Peter Zimmermann. Er und seine Frau wollten diese trockene Statistik ebenfalls aufarbeiten. Nach dem Vorbild von Nuglar und Berlin kreierten sie ihren eigenen Weltacker.

Die beiden anderen Projekte unterstützten sie mit ihrem Wissen und teils auch mit ihrem Material, erzählen Zimmermanns. Darüber seien sie froh. «Einen Grossteil müssen wir auch selbst erproben und herausfinden. Wir lesen viel, schauen im Internet nach und fragen alle möglichen Leute. So haben wir uns einiges Wissen über verschiedenste Arten aneignen können», sagt Rosmarie Zimmermann.

Viel Handarbeit

Das alles braucht viel Zeit. Die Arbeiten auf dem Feld müssen ausserdem von Hand gemacht werden. Die wenigen Reihen Weizen sind zu schmal, um mit dem Mähdrescher geerntet zu werden. Auch die Unkrautbekämpfung erfolgt ohne maschinelle oder chemische Unterstützung. Letzteres kommt nicht infrage, weil der Betrieb von Zimmermanns biologisch geführt wird. «Wir sind jeden Tag mindestens eine Stunde auf dem Acker. Es macht uns aber viel Freude und wir machen das gerne», sagt Peter Zimmermann.

Das Ziel ist es, den Acker fünf Jahre zu pflegen. Er hoffe aber schon, dass mit zunehmender Erfahrung die Arbeiten ab dem nächsten Jahr effizienter erledigt werden können, meint er: «Dieses Jahr ist es schon sehr intensiv.» Bei einigen Feldarbeiten wird das Ehepaar bereits heute von den Mitgliedern des Vereins unterstützt, der eigens für das Projekt Weltacker Attiswil gegründet worden war.

Ungläubige Besucher

Die Saat geht also auf und gedeiht dank aufwendiger Arbeit gut. Die ersten Kulturen konnten schon gedroschen werden. «Den Grossteil der Ernte werden wir für die Aussaat im Weltacker des nächsten Jahrs brauchen», erklärt Zimmermann. Was mit dem Rest geschehe, sei noch nicht ganz klar. Es habe aber auch nicht oberste Priorität. «Wichtiger ist uns die andere Ernte: Die Bildung und Sensibilisierung der Besucherinnen und Besucher», sagt Rosmarie Zimmermann.

Dort sieht sie noch Potenzial. Sie habe den Eindruck, als würden die Menschen die Fakten, die auf dem Weltacker dargelegt werden, noch nicht ganz fassen können. Der Weltacker zeigt unter anderem auf, wie Nutzungen für Biotreibstoff oder übermässige Tierfutterproduktion die Lebensmittelproduktion auf dem Acker konkurrenzieren. Diverse Infoschilder und interaktive Installationen verdeutlichen die Zusammenhänge. Trotzdem werden sie nicht immer verstanden. Vielleicht braucht es auch einfach mehrere Besuche, bis man in die unterschiedlichen Themen eingetaucht ist. Ein Glück, wird der Weltacker auch nächstes Jahr wieder bepflanzt.

Weitere Informationen: www.weltacker-attiswil.ch