Zum Reden hat sie jetzt keine Zeit. Konzentriert schlägt Maja Zbinden gleichmässig mit dem Schmiedehammer auf das glühend heisse Metall. Funken stieben, grellharte Schlaggeräusche hallen durch den Raum. Dann bearbeitet sie das Metallstück mit einer groben Bürste, streut ein Pulver darüber und schiebt es zurück ins Feuer. In der Pulverdose sei Borax, ein Schmelzpulver, wird die Schmiedin später erklären.
Doch jetzt muss es zügig vorangehen, denn das Metall kühlt schnell ab: Aus dem Feuer nehmen, hämmern, bürsten, Borax drüber, zurück in die Esse. Immer wieder, bis die Damaszenerstahl-Klinge die gewünschte Form und Dicke hat. «Das Metall lässt sich beim Feuerschweissen nur bearbeiten, wenn es genau die richtige Temperatur hat», sagt Maja Zbinden als sie fertig ist. Sie erkennt dies an der sogenannten Glühfarbe des Stahls: Jede Farbe steht für eine Temperatur. «Sehe ich zudem, dass die Metalloberfläche beginnt zu schwimmen, muss es rasch gehen.»
Auf Umwegen zur Schmiedin
Maja Zbinden ist eine der wenigen Schmiede in der Schweiz, die noch hauptberuflich Damaszenerstahl herstellen. Bei dieser über 2500 Jahre alten Technik wird ein härterer, spröder Stahl mit einem weicheren, geschmeidigeren Eisen verbunden. Beide Metalle behalten ihre Eigenheiten und ergänzen sich optimal.
Zum Schmieden kam Maja Zbinden auf Umwegen. Ursprünglich wollte sie Lehrerin werden, entschied sich dann aber für Fitness-Instruktorin. Richtig glücklich wurde sie mit der Wahl nicht. Bevor ein Berufswechsel spruchreif wurde, stand im Jahr 2005 erst einmal eine aussergewöhnliche Hochzeitsreise an: Maja und Marcel Zbinden fuhren mit ihren Velos von der Schweiz bis nach Nepal. 555 Tage dauerte das Zweirad-Abenteuer für die junge Ehefrau, ihr Mann musste nach einem Unfall einige Wochen früher zurück in die Schweiz.
Mit den Händen arbeiten
Nach der Rückkehr wusste Maja Zbinden, dass sie kreativ mit den Händen arbeiten wollte. Auf vielen Märkten im Iran, in Pakistan und Indien hatte sie Handwerker gesehen, die nach alter Tradition von Hand schmiedeten, hämmerten und formten. «Das faszinierte mich.» Sie kontaktierte einen befreundeten Schmied, der damals auf dem Ballenberg arbeitete. Er brachte ihr die Grundtechniken des Schmiedens von Hand bei. In weiteren Praktika lernte sie, wie man Stahlschmuck mit Edelmetall veredelt und wie man Edelsteine einsetzt.
Gemeinsam arbeiten
Gemeinsam gründete das Paar die Firma «Elements4art». Maja Zbinden spezialisierte sich ganz auf das Schmieden von Schmuckstücken und Messerklingen aus Damaszenerstahl. Marcel Zbinden übernimmt bei den Messern alle weiteren Arbeitsgänge: Der gelernte Optiker hat sich ebenfalls handwerklich weitergebildet; er entwirft, schleift, härtet und ätzt die Messerklingen und fertigt Griffe aus Horn, Holz und Knochen. Ausserdem stellt er die Lederscheiden für die Messer her. Die Produkte der beiden finden Anklang.
«Die Leute wollen Unikate und möchten wissen, wer und was dahintersteckt.» Vor neun Jahren konnte das Paar, mittlerweile Eltern von zwei Söhnen, die 250-jährige Schmiede in Madiswil BE übernehmen. Zuvor hatte das Haus im Dorfzentrum 37 Jahre lang leer gestanden.
Eigene Muster kreieren
Das Schmieden von Damaszenerstahl fasziniert Maja Zbinden bis heute. Nicht zuletzt, weil sie sich dabei als Handwerkerin ständig weiter entwickeln kann. «Es macht mir Spass, dass ich immer kompliziertere Muster schmieden kann.»
Der Entscheid für ein Muster fällt bei Beginn des Schmiedeprozesses, wenn es darum geht, die beiden Metalle miteinander zu verbinden. Dazu schichtet die Schmiedin je drei Plättchen abwechselnd aufeinander. Das mit Draht verschnürte Päckchen wird im Ofen auf 1200 Grad erhitzt. Dann kommt es unter den «Krafthammer». Die Maschine schlägt so lange mit voller Wucht auf das Metallpaket ein, bis es halb so dick und doppelt lang ist. Maja Zbinden halbiert es und legt die beiden Hälfte wieder aufeinander. Wie genau, hängt vom gewählten Muster ab.
Wie beim Feuerschweissen wiederholen sich auch hier die Arbeitsschritte: Stahl im Feuer erhitzen, flach schlagen, halbieren, wieder in den Ofen schieben. Lärm, Rauch, Hitze, Funken. Das Prozedere kann stundenlang dauern: Ein Ring besteht aus bis zu 80 Lagen Stahl, ein Messer aus bis zu 300 Lagen. So viel Handarbeit hat seinen Preis. Ein Ring kostet je nach Ausführung bis zu 1600 Franken, ein Messer bis zu 1800 Franken.
Zwei ergänzen sich
Neben dem Handwerk spricht Maja Zbinden die Symbolik des Damaszenerstahl-Schmiedens an, gerade bei Trauringen. Beide Ring-Rohlinge werden nebeneinander aus der Stahlrolle geschnitten und kommen zusammen ins Feuer. Die Veredlung beim Damaszieren bleibt auf den Ringen sicht- und spürbar: hell und dunkel, hoch und tief. Man könne das mit einer Beziehung vergleichen, schreibt sie dazu auf ihrer Website. «Zwei Menschen vereinen sich, behalten aber ihren Charakter. Sie ergänzen sich und stärken einander.»
Maja Schmid stellt den fauchenden Ventilator der Esse aus, wischt sich über die Stirn, trinkt etwas Wasser. Schmieden ist harte körperliche Arbeit. Doch die Handwerkerin hat ihren Berufswechsel nie bereut, auch wenn sie am Abend die Muskeln spürt und dreckige Hände hat. «Es ist ein sehr erdender Beruf. Und ich arbeite mit den vier Elementen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Das ist es, was mir am Schmieden so gefällt.»
Weitere Informationen:
www.elements4art.ch
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