Die Telefonate mit den Silochefs quer durch die Schweiz bringen ein relativ einheitliches Bild zutage. Mancher Seufzer ist zu hören, wenn sie über die diesjährige Weizenernte Auskunft geben. Doch es gibt bei aller Misere auch gute Nachrichten. Nur sehr wenige Posten mussten abgewiesen werden und wenn, dann wegen zu hoher Mykotoxinbelastung. Der Wille, möglichst alles Getreide zu verwerten, ist gross.

Viel Futtergetreide

Auch die erfahrenen Silochefs können sich kaum an ein solch herausforderndes Weizenjahr erinnern. Insbesondere in einigen Gegenden der Innerschweiz fiel ein Grossteil der Ernte dem Hagel zum Opfer. Aber auch andere Regionen waren mehr und minder vom Wetterpech getroffen. Was an Brotweizen abgeliefert wurde, hatte zu tiefe Fallzahlen oder zu wenig Hektolitergewicht. Teilweise wird es sogar für die Verwertung als Futter spitz. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Gerste schon sehr tiefe Hektolitergewichte aufgewiesen hat. So werde man wohl die Rezepturen für die Futtermischungen anpassen müssen. Und der Zukauf von Komponenten, um das Futter aufzuwerten, wird aufgrund hoher Weltmarktpreise und der weltweiten Getreideknappheit teuer werden.

Schlechte Qualität

Bis auf einige wenige Felder ist die Weizenernte in allen Regionen grossmehrheitlich abgeschlossen. Die Bilanz fällt durchwegs mager aus. Auch dort, wo es keinen oder wenig Hagel gab, sind die Erträge im Schnitt bei lediglich 50 bis 60 dt/ha. Die Sammelstellen haben rund einen Drittel weniger Getreide angenommen als in anderen Jahren. Hinzu kommt, dass je nach Region 10 bis 90 Prozent deklassiert werden mussten. Dabei halten sich zu tiefe Hektolitergewichte und Auswuchs als Deklassierungsgrund in etwa die Waage. Nicht selten gibt es Posten, bei denen alles zusammen kommt. Stellenweise kommt Mykotoxin dazu. Schuld sind hier auch die schlechten Erntebedinungen. Während früh geerntete Posten eine bessere Qualität aufwiesen, wurde es mit Fortschreiten des Regenwetters und den ungünstigen Erntebedingungen immer schitterer.

Glück im Unglück hatte, wer auf robuste Sorten gesetzt hat. Was früh reif wurde und resistent gegen Auswuchs ist, lieferte in diesem Jahr zwar auch tiefe Erträge, aber immerhin eine bessere Qualität. Welche Posten wie verarbeitet werden, muss sich teils noch zeigen. So sind Futtergetreideposten mit relativ hohen Mykotoxinbelastungen in den Silos, aber auch Posten, die knapp an der Grenze zu Brotgetreide sind und wegen der grossen Knappheit vielleicht noch reinrutschen könnten. Hier wird auch auf die Flexibilität der Bäcker gehofft.

Kommentar: «Früher hätte man das gegessen»
In kaum einer Getreidesammelstelle kann man sich an ein so schlechtes Jahr erinnern wie heuer. Wirklich miserabel ist der Brotweizenertrag. Kommt dazu, dass nur eine Minderheit der Posten die Qualitätsanforderungen erfüllen. Nun könnte man sagen, dafür haben wir jetzt genügend Kraftfutter und das Brotmehl können wir importieren. Aber im Ausland hat es gebrannt, es war trocken oder es hat überschwemmt. Klar wird die Schweiz mit ihrem starken Franken das, weltweit gesehen, kleine bisschen Getreide irgendwo kaufen können. Aber ärmere Länder werden in diesem Jahr auf der Strecke bleiben. Deren Bewoh­ner(innen) würden liebend gerne auch etwas weniger fluffiges Brot aus unserem deklassierten Weizen essen.
Dennoch beharren wir auch in schlechten Jahren auf unser luftig lockeres Brot und deklassieren dafür in einigen Regionen bis zu 90 Prozent des Brotweizens. «Früher hätte man das alles gegessen», berichten vor allem die älteren Silochefs. Sie erinnern sich noch an Zeiten, als es weniger Menschen zu ernähren gab und man trotzdem schonender mit den Ressourcen umgegangen ist. Damals hätte ein solches Jahr eine Hungersnot bedeutet. Heute müsste man lediglich etwas härteres Brot in Kauf nehmen.