Welche Rolle spielt Agroscope bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (PSM)?
Otto Daniel: Agroscope ist eine von mehreren Beurteilungsstellen und bringt Expertenwissen mit, über Wirkung und geeignete Anwendung der PSM, Risiken für Bienen, Ökotoxikologie, Pflanzenschutzchemie usw. Dieses Wissen ist zusammen mit internationalen Leitlinien die Basis der wissenschaftlich-technischen Beurteilungen für die Zulassungsstelle.
Wie muss man sich das vorstellen?
Wir sind zugleich Experten und Forschende: Das Wissen um Anbau- und Ökosysteme auf landwirtschaftlichen Nutzflächen trägt zur optimalen Beurteilung der Gesuchsdossiers und damit zum Schutz der Lebewesen wie Bienen, Wildinsekten oder Regenwürmern bei. Mit diesen Arbeiten legen wir auch einen Grundstein für den langfristigen Erhalt der ökologischen Ressourcen und «Ökosystemleistungen» für die Landwirtschaft.
Das heisst, Agroscope beurteilt die gelieferten Studien und experimentiert nicht selbst mit neuen PSM?
In der Schweiz haben wir im Prinzip die gleichen rechtlichen Grundlagen wie in der EU: Die Verantwortung für die Studien tragen die Firmen, die ein PSM auf den Markt bringen wollen. Agroscope kontrolliert diese Studien und erstellt eine von Interessengruppen und Ämtern unabhängige Beurteilung.
Was forscht Agroscope im Bereich Pflanzenschutz?
Es werden ganze Pflanzenschutzstrategien für landwirtschaftliche Kulturen entwickelt, die alle Aspekte des Pflanzenschutzes von der Prävention, Prognose, biologischen Bekämpfung bis zum chemischen Pflanzenschutz umfassen. Zu PSM selbst wird bei speziellem Interesse geforscht. Z. B. wenn wir ein Alternativprodukt gegen eine bestimmte Pflanzenkrankheit oder Schädlinge suchen.
Was kann dazu führen, dass ein PSM in der Schweiz seine Bewilligung verliert?
Allgemein nehmen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu und die Erwartungen der Gesellschaft verändern sich. PSM werden neu überprüft, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Dabei sind die Beurteilungen von PSM in der EU ein wichtiger Treiber.
Werden in der EU verbotene Wirkstoffe in der Schweiz automatisch auch verboten?
Nicht automatisch, weil die Schweiz kein EU-Mitglied ist. Firmen erhalten in der Schweiz die Möglichkeit, Stellung zu nehmen und neue Studien einzureichen.
Nach einem Verbot gibt es ein Jahr Ausverkaufs- und ein weiteres Jahr Aufbrauchsfrist für PSM. Würde man sie nicht besser entsorgen?
Die Bestimmungen sind in der PSM-Verordnung festgelegt. Planbarkeit und Verhältnismässigkeit müssen gewährleistet sein. Wenn aber eine «dringende Sorge um die Gesundheit von Mensch oder Tier oder um die Umwelt» besteht, gelten keine Fristen.