Die Liebe hat Angela Sasse nach Burgdorf im Kanton Bern verschlagen. «Ich war in Basel nie zu Hause», erinnert sie sich an ihre Jugendzeit. Sie hegte stets den Wunsch im Herzen, irgendwann einmal auf dem Land zu leben. Und immer, wenn sie konnte, ging sie auch dahin – Sommer für Sommer in den Landdienst. «Meine Mutter wartete immer auf den Tag, an dem ich einen Bauern nach Hause bringe», erinnert sie sich und lacht dabei herzhaft. Stattdessen hat die Liebe sie nach Burgdorf verschlagen. Diese Liebe zum Mann ist irgendwann verflossen, jene zu Burgdorf aber gewachsen. Und darum ist die Mutter von drei Kindern, die vor acht Jahren hierher kam, auch geblieben.
Den gelernten Beruf aufgegeben
Anfang 2021 hat die Vierzigjährige den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Sie hat ihren erlernten Beruf der Augenoptikerin an den Nagel gehängt und ein Nähatelier eröffnet. Unter dem Label «Aquadrat Engel» näht Angela Sasse alles, was man sich vorstellen kann. Von der untersten bis zur allerobersten Schicht und für jedes Alterssegment – vom Neugeborenen bis zur Grossmutter, «einfach alles, was man nähen kann», sagt sie.
Aus Reststoffen Mützen genäht
Begonnen hat das Ganze mit ihrer Grossmutter, die ihr eine Nähmaschine und ein paar Reststoffe vermachte. «Ich hatte im ersten Winter, als wir hier in Burgdorf waren, kein Geld mehr und begann, den Kindern Mützen zu nähen», erinnert sie sich. In der Schule meinten die Klassenkameraden, dass sie auch solche Mützen möchten. Im Selbststudium brachte sich die handwerklich begabte Frau das Nähen bei. Immer mehr Stücke kamen dazu und irgendwann ging sie damit an einen Markt. Neben diesen einfachen genähten Sachen kamen auch Filzfiguren mit, die sie ebenfalls noch heute selber fertigt. Viele zufriedene Kunden hätten dann irgendwann auch gefragt: «Kannst du mir das und das machen? Und ich habe einfach gemacht.»
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Zuerst nutzte sie zu Hause einen Kellerraum, den sie mieten konnte, als Atelier. Dann wurde ihr in Burgdorf ein kleiner Laden angeboten, wo sie drei Jahre lang war. «Ich habe das immer neben meiner beruflichen Tätigkeit als Augenoptikerin gemacht. Dann entschied ich im letzten Dezember, dass ich mich komplett selbstständig machen will und das Risiko eingehe.»
Der kleine Laden wurde gekündigt
Als aber die Vermieterin starb, erlitt Angela Sasse einen Rückschlag. Sie musste ihr Atelier, das sie auch zum Laden umfunktioniert hatte, sofort verlassen. Es war eine Zeit, wo in Burgdorf nichts frei war – mitten in der Corona-Pandemie. Als alleinerziehende Mutter, eben erst in die Selbstständigkeit aufgebrochen, ist Angela Sasse nicht auf Rosen gebettet. Und nun stand sie mit einer Kündigung da. Doch so schnell gab sie ihren Traum nicht einfach auf.
Immer etwas mit den Händen tun
«Ich muss immer etwas machen», sagt sie. «Wenn ich zu Hause bin, dann mache ich Motivtassen. Ich muss immer etwas mit meinen Händen tun.» Die Ideen für die Kleider, aber auch all die handwerklichen Dinge, welche die Nähbegeisterte in ihrem Atelier ausgestellt hat, entstehen beim Machen. Sie liebt Stoffe über alles und erzählt, dass es beinahe eine Sucht sei. «Ich musste als Kind viele Kleider nachtragen, davon habe ich wohl ein Trauma», sagt sie und lacht wieder.
Doch Angela Sasse hatte Glück im Unglück. Wenige Meter neben ihrer Wohnung wurde ihr kurz nach der Kündigung eine alte Backstube angeboten. Die Räume sind viel grösser als das alte kleine Atelier. Hier hat endlich alles Platz. Zu Fuss zügelte sie ihren Laden – denn sie kann nicht Autofahren. Zwischendurch bereut sie das. Aber es habe sich leider einfach nie ergeben. Nun ist es einfach so und sie hat sich damit abgefunden, ÖV zu fahren. Wenn sie an den Markt geht, sucht sie immer eine Fahrerin. «Ich habe meine erste Tochter mit 19 bekommen. Es fehlte das Geld und auch die Zeit für eine Autoprüfung. Es gibt heute viele Angebote, man muss kein eigenes Auto haben», sagt sie versöhnt. [IMG 2]
Sie näht Kleider «für alle»
Beim Besuch der BauernZeitung ist Angela Sasse am Nähen. Auf dem Tisch liegt eine zugeschnittene Jacke im Scherenschnittmuster. Sie soll noch heute fertig werden. Auf die Frage, was denn ihre Spezialität sei, muss sie einen Augenblick nachdenken: «Die Hoodies sind ein Markenzeichen von mir», sagt sie schliesslich. Sie kann auf dieFigur und damit auch auf dieindividuellen Wünsche der Kundschaft eingehen und das mit einem entscheidenden Vorteil, wie sie erklärt: «90 Prozent der selbst gemachten Sachen, sind zwar superlässig, aberfür Normalverdiener oder gar Schlechtverdiener unbezahlbar. Ich möchte, dass sich meine Kleider alle leisten können. Das ist meine Philosophie. Ich will, dass sich die Leute so einkleidenkönnen. Bezahlbar, aber eben Swiss made.»
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Ihre Sehnsucht nach einem Leben auf dem Land hat die Vierzigjährige bis heute noch nicht verloren. So verbringt sie ihre knappe Freizeit auf einer Alp im Berner Oberland ganz ohne Strom. «Dann kann ich nicht nähen», sagt sie, aber das hält sie natürlich nicht davon ab, an etwas Kreativem, wie ihren Motivtassen, zu werken.