Die meisten Landwirte in der Schweiz kennen das Problem nur vom Hörensagen. Einige sind aber massiv von Engerlingsschäden betroffen. Sogenannte Hotspots – besonders stark betroffenen Regionen –liegen beispielsweise in Graubünden und Uri. Der Maikäfer, präziser ausgedrückt die Engerlinge, dessen Larven, sind dort gefürchtete Schädlinge.
Pilz und Übersaaten
Im Flugjahr der Maikäfer treten noch keine grossen Schäden auf. Erst im zweiten Jahr, das als Hauptschadensjahr gilt, richten die Engerlinge Schäden an Pflanzenwurzeln an. Typischerweise sind die Wiesen kahl gefressen. Die Maikäfer treten in einem dreijährigen Zyklus auf. Salopp gesagt bleibt den Landwirten im Flugjahr nicht viel mehr als das Beobachten. Wichtig sind dabei insbesondere Probegrabungen im Herbst. Im Frühling des zweiten Jahres wird der Einsatz der Pilzgerste empfohlen, die erfolgversprechendste Massnahme (siehe Nachgefragt). Ab Spätsommer und im Frühling des dritten Jahres sind Übersaaten vielversprechend. Die Ertragsausfälle beziehungsweise die Aufwandskosten für die Behandlung mit dem Beauveria-Pilz und die Übersaaten sind für die betroffenen Landwirte happig.
240 Larven pro Quadratmeter
Der Bündner Landwirt Josua Juon aus Zillis rechnet mit rund 700 Franken pro Hektare, die beim Bauer hängen bleiben. Der Rest übernimmt der Kanton. In seiner unmittelbaren Region sei es über Jahrzehnte ruhig gewesen um den Maikäfer. Im vergangenen Jahr sei der Einfall aber «massiv» gewesen, wie er sagt. Bei Probegrabungen auf seinem Betrieb wurden 240 Larven pro m2 gezählt, die wirtschaftliche Schadschwelle liegt im Futterbaugebiet bei rund 40 Engerlingen. Gleich 18 ha LN wurden in der Zwischenzeit mit dem Pilz behandelt, Übersaaten werden folgen. Die Pilze sind so lange aktiv und wirken, wie es Engerlinge hat. Geht man davon aus, dass es immer Engerlinge haben wird, einfach in einem erträglichen Ausmass, sieht Juon die Behandlungen als «Investition in einen guten Futterbau für die nächsten Jahre». Wohl habe man den Käfer in den letzten Jahren ein wenig vergessen und lange zugewartet. Die trockenen Jahre hätten das ihre beigetragen zum aktuell traurigen Bild, das die Wiesen abgeben. Er gibt sich zuversichtlich, trotz der «grossen finanziellen Belastung».
Juons bewirtschaften einen Stufenbetrieb. Die Flächen in der Bergzone 4 auf rund 1500 m ü. M. seien nicht betroffen. «310 ha sind in Graubünden dieses Jahr für eine Pilzbehandlung gegen den Maikäfer angemeldet», sagt Gian Andrea Hartmann, Fachlehrer Pflanzenbau am Plantahof. Dazu kommen nochmals 70 ha gegen den Gartenlaubkäfer. Zu den bekannten Regionen in Graubünden seien heuer auch Val Schons und das Münstertal als neue Gebiete dazugekommen. Der Kanton übernehme pauschal 500 Franken pro behandelte Hektare für die Bekämpfung.
80 Hektaren im Urnerland
Pilzgerste bringt man auch im Urnerland aus. «80 ha sind angemeldet dieses Jahr», weiss Daniel Furrer, Betriebsberater beim Amt für Landwirtschaft Uri.2019 konnten die Behandlungen nicht planmässig durchgeführt werden, es kam zu Lieferengpässen. Die Agroscope versuche sich laufend an neuen Säverfahren und mache auch die Qualitätskontrollen. 80 ha bedeutet für den Kanton Uri etwa eine doppelt so grosse Fläche, wie im langjährigen Schnitt. Betroffene Flächen seien fast über das ganze Kantonsgebiet verteilt und vermehrt auch in höheren Lagen. «Zudem gewinnt der Gartenlaubkäfer an Bedeutung», so Furrer. Uri sei seit rund 20 Jahren betroffen von Engerlingsschäden. 50 000 Franken hat der Kanton für die Unterstützung bei der Engerlings-Bekämpfung dieses Jahr budgetiert. Die Urner Regierung wird dem Landrat nun eine Erhöhung um 35 000 Franken beantragen, auf Drängen des Landwirtschaftsamtes. Zusätzliche Flächen, höhere empfohlene Saatgutmengen pro Hektare und höhere Transportkosten werden als Gründe aufgeführt.
Dann kamen die Hirsche
Mehrjährige Erfahrungen bei der Engerlings-Bekämpfung hat Christian Walker, aus Gurtnellen Dorf UR. Die BauernZeitung war im Herbst 2019 bei ihm zu Besuch (Bild oben, 4. v. l.). Viele seiner besten Mähwiesen waren komplett kahl. Die Hänge braun, wie umgepflügt. Kein schönes Bild, auch nicht für die Wanderer und Biker mit Ziel Arnisee. «Hätte ich bei jeder Frage, was denn passiert sei, eine Balle Heu bekommen, wäre das Ganze kein Problem», so Walker damals lakonisch.
«Hätte ich bei jeder Frage eine Balle Heu bekommen, wäre das Ganze kein Problem.»
Landwirt Christian Walker erklärte Touristen die braunen Flächen.
Und heute? Bei Grabungen hat er viele verpilzte Engerlinge gefunden, ein gutes Zeichen. Der Herbst war lange wüchsig, auch auf rund 1000 m ü. M. Die Einsaaten 2019 waren erfolgreich und sorgten für «schönes Gras». Mit einem recht guten Gefühl ging Walker in den Winter. «Weil aber kaum Schnee lag bei uns, weideten viele Hirsche in den Übersaaten.» Dies führte zu massiven Trittschäden. Erst als er vor ein paar Wochen Gülle ausbringen konnte, trat eine Besserung ein. Als Walker im Winter eine Drainage erneuerte, stiess er auf weit entwickelte Engerlinge. 2020 wäre bei ihm normal kein Flugjahr. Der Bergbauer mutmasst, dass die warmen Jahre den Entwicklungszyklus beschleunigen könnten. Irgendwo fliegen sie immer, die Maikäfer.
«Klimaerwärmung ist ein Problem»
Christian Schweizer, wie gross kann der Schaden sein, den Maikäfer und ihre Engerlinge anrichten?
Christian Schweizer: Je nach Kultur und Art der Engerlinge kann der Schaden bis zu 100 Prozent betragen. Nicht nur Feldmaikäfer sind ein Problem. Es können auch Juni- und Gartenlaubkäfer
und im Tessin der Japankäfer grosse Schäden anrichten.
Bei Letzterem erwarten wir, dass er sich weiter in der Schweiz ausbreiten wird.
Welche Gebiete sind betroffen?
Das sind Gebiete in den Kantonen Uri, Graubünden,
St. Gallen, Thurgau, Obwalden und Tessin. Auch ist das Berner Oberland betroffen und zum Teil die Kantone Luzern und Wallis.
Man hört oft, Engerlinge bevorzugen Wiesen und Sportrasen. Stehen auch andere landwirtschaftliche Flächen auf dem Speiseplan?
Ja, auch die Pflanzenwurzeln von Obst-, Beeren- und zum Teil Gemüsekulturen werden gefressen.
Wie kann sich der Landwirt vor solchen Schäden schützen?
Die Pilzgerste Beauveria gegen Maikäferengerlinge und Metarhizium gegen Juni- und Gartenlaubkäferengerlinge hilft, den Schaden zu reduzieren. Sie wird in den Boden eingearbeitet, woraufhin sich der Pilz ausbreitet und die Engerlinge befällt. In Spezialkulturen ist das Ganze aber aufwendiger, da die Pilzgerste erst nach vier bis sechs Monaten eine Wirkung zeigt. In Obstanlagen wird deshalb empfohlen, spezielle Netzabdeckungen während des Käferflugs einzusetzen, die die Maikäfer davon abhalten, Eier in den Boden zu legen.
Hat die Klimaerwärmung Auswirkungen auf den Entwicklungszyklus des Käfers?
Heisse und lange Sommer können die Populationsentwicklung durchaus beschleunigen und helfen, neue Gebiete zu besiedeln. Der Käfer fliegt nun auch in höhere Lagen ein und befällt Steilhänge. Das kann Schlammlawinen auslösen. Wir prüfen aktuell eine Methode, um Steilhänge behandeln zu können.
Interview Katrin Erfurt