Wenn Sonja Wunderlin einen Spaziergang macht, sieht sie überall Kostbarkeiten. Gänseblümchen, Wegerich, Brennnesseln – das sind für sie keine Allerweltsgewächse, sondern Pflanzen mit wertvollen Wirkungen.
Die Naturheilpraktikerin mit einer Praxis in Laufenburg AG ist heute in der Naturwerkstatt Eriwis unterwegs, auf dem 15 Hektaren grossen Gelände einer stillgelegten Opalinustongrube in Schinznach-Dorf AG. Sie führt eine Gruppe von mehrheitlich Frauen durch die wild-schöne Landschaft. Sie kommen nur langsam vorwärts und beugen ihre Köpfe alle paar Meter über ein spezielles Kräutlein.
Ab Feld auf die Wunde
Die Heilwirkung von Pflanzen wird seit jeher genutzt, in schulmedizinischen Arzneimitteln wie in Naturheilmitteln. Menschen verwenden sie in Form von Tabletten, Salben, Tinkturen, Tees. Aber die Heilkraft der Pflanzen gibt es auch einfacher zu haben: direkt ab Feld und Wald auf die wehe Stelle. Das ist das Thema an diesem Kurs, organisiert unter dem Dach des Juraparks Aargau.
Sonja Wunderlin kennt zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten von unverarbeiteten Pflanzen. Die Natur halte viele Mittel parat, um einfachere Blessuren zu behandeln, ohne jede Taschenapotheke im Gepäck, sagt sie. Das helfe nicht nur für den Moment, sondern auch längerfristig: «Dass wir uns selber helfen können, gibt Sicherheit und Vertrauen - in sich und in die Natur. Es tut gut, Eigenverantwortung zu übernehmen und Zusammenhänge zu erkennen.»
Die Wirkung erleben
Und schon pflückt die Naturheilpraktikerin am Wegrand als Anschauungsbeispiel ein Breitwegerichblatt: «Wenn ich das im Mund zerkaue, spüre ich die zusammenziehende Wirkung der Gerbstoffe und die Schleimstoffe dieser Pflanze. Es leuchtet mir ein, dass sie Bakterien unschädlich machen kann, das Brennen von Stichen und Verbrennungen lindert, den Reiz von Entzündungen nimmt.»
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Allerdings hält die Natur auch potente Giftpflanzen parat; manchmal ist der Grat zwischen schädlich und heilsam schmal und nur eine Frage der Dosierung. Sonja Wunderlin beruhigt erst mal: Äusserlich angewendet seien nur wenige Pflanzen giftig. Und manche seien wohl noch besser als ihr Ruf, ergänzt sie und bleibt bei einem Büschel gelb blühendem Johanniskraut stehen. Bei Hautkontakt mit dieser Pflanze wird vor Verbrennungen gewarnt. Die Naturheilpraktikerin hat aber in mehreren Selbsttests und auch bei Patienten nie eine solche Nebenwirkung erlebt. Trotzdem erinnert sie daran, dass Vorsicht angebracht ist. Grundsätzlich sei es ratsam, bei der Anwendung von Heilpflanzen mit kleinen Dosierungen zu starten und sich selber dabei gut zu beobachten. Denn nicht jeder Mensch reagiert gleich.
Broschüre zum Thema
Sonja Wunderlin und ihre Entdeckergruppe kehren an den Ausgangspunkt der Wanderung zurück. Bei der Kurshütte warten weitere kräuterkundige Menschen: Yolanda Hug, Amary Kyburz, Victor Condrau und Mo Güttinger haben ihre Fachwissen vereinigt und mischen mit den Teilnehmenden Salben und Tinkturen aus pflanzlichen Extrakten.
Dieses Fünferteam hat auch eine Broschüre geschrieben, «Wiesenknopf und die wilden 13 – Heilmittel aus der Naturwerkstatt». Darin werden verschiedene Heilpflanzen und ihre Wirkungen vorgestellt, inklusive Anwendungsmöglichkeiten von Frischpflanzen. Daraus einige Beispiele:
Insektenstiche und -abwehr: Einreiben mit Blättern des Schwarzen Holunders hält Insekten wie Zecken und Mücken ab. Ist es zu einem Insektenstich gekommen, helfen gequetschte Blätter von Gänseblümchen oder gewalkte Blackenblätter auf der betroffenen Stelle.
Brennnesselkontakt, Hautausschlag: Gequetschte Blätter von Wegerich, Gänseblümchen oder Blacken auf die betroffenen Stellen legen.
Sonnenbrand: Linderung verschafft das frische, gewalkte Blatt von Blacken auf der geröteten Haut.
Blasen an den Füssen: Hier helfen Wegerichblätter, die direkt bei den Blasen in die Schuhe gelegt werden. Am besten eignet sich dafür der grossblättrige Breitwegerich.
Kopfschmerzen: Der Duft von Minze kann Kopfschmerzen lindern. Bei der Einnahme ist je nach Minzesorte Fingerspitzengefühl gefragt, da empfindliche Mägen auf das Menthol in der Pflanze reagieren können.
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Schwer heilende, eitrige Wunden: Frischpflanzensaft von Gundelrebe direkt auf die Wunde auftragen.
Muskelkrämpfe: Zerstampfte Blätter von Gänsefingerkraut zum Entspannen auflegen.
Prellungen: Gequetschte Blätter von Gänseblümchen oder Wegerich auflegen.
Schnitte, Kratzwunden, Schürfungen: Gequetschte Blätter von Gänseblümchen oder Wegerich auflegen.
Blutungen: Frischpflanzensaft der Schafgarbe hilft, kleinere Blutungen zu stoppen. Die zerquetschten Blätter des Kleinen Wiesenknopfs haben dieselbe Wirkung.
Entzündungen im Mund- und Rachenraum: Blätter des Kleinen Wiesenknopfs oder Salbeiblätter kauen.
Rheuma, Arthrose, Hexenschuss: Eher nicht für Wehleidige (andererseits ist das ein Hexenschuss auch nicht) – hier werden Peitschungen mit der Brennnessel empfohlen.
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Gesunder Snack: Die frischen jungen Blättchen von Brennnesseln sind sehr vitaminreich – vorsichtig mit Zeigefinger und Daumen abknipsen und vom Blattstiel zur Blattspitze fahren, nicht umgekehrt.
Auch die Samenkörnchen von Wegerich, die sich ab Sommer bis Herbst am Stängel bilden, sind ein gesunder Snack für unterwegs.
Bezug der Heilpflanzenbroschüre:
www.sonjawunderlin.ch
www.naturwerkstatt.org
www.kräuterwerk.ch
www.wildwux.ch
www.moguettinger.ch
Infos zur Naturwerkstatt Eriwis:
www.naturwerkstatt.org