Dieses Jahr feiert Braunvieh Schweiz das 125-jährige Bestehen des Verbands. Wir haben uns mit Präsident Reto Grünenfelder unterhalten. Der ETH-Agronom und Tierzuchtlehrer ist seit 2016 im Amt und wird dieses voraussichtlich bis 2024 ausüben.

Herr Grünenfelder, was sind für Sie die Highlights des Jubiläumsjahrs?

[IMG 2] Reto Grünenfelder: Unsere Braunviehfamilien stehen im Zentrum – wir wollen zusammen mit ihnen unser Jubiläum gebührend feiern. Dies verdeutlicht die hohe Wertschätzung für die Leistungen unserer Mitglieder und Vorfahren in der langen Geschichte von Braunvieh Schweiz. Wir fangen an mit der Jubiläums-DV vom 30. März in Baar; Markus Ritter ist dabei unser Festredner. Ein wichtiger Eckpfeiler im Jubiläumsjahr ist auch die Bruna. Sie wird erstmals an zwei Wochenenden in Zug durchgeführt (s. Kasten unten).

Im Weiteren werden wir zur Jubiläums-DV mit der Jubiläumsschrift «Faszination Braunvieh» einen Rückblick auf die vergangenen 25 ereignisreichen Jahre präsentieren. Sie soll die grosse Überzeugung und Leidenschaft unserer Braunviehfamilien für die beiden Zuchtrichtungen Brown Swiss (BS) und Original Braunvieh (OB) zum Ausdruck bringen. Dies ist die wichtigste Konstante in unserer Geschichte.

Was waren weitere wichtige Ereignisse in den letzten 25 Jahren?

Es gab eine Vielzahl von grösseren Veränderungen: Beispielsweise neue Namen und Claims, die Sanierung des Verbandshauses, die Spezialisierung unserer Mitgliedsbetriebe, die Entwicklung zu einem starken Exportland von Braunviehgenetik, die intensive Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen bei unseren Dienstleistungen oder der Fokus Gesundheit und Fitness im Zuchtprogramm (s. Kasten).

Die wichtigsten Ereignisse der letzten 25 Jahre 
1998: Einführung der Informatikplattform Bruna-Net
2009: Einführung der genomischen Selektion
2009: Entscheid für Zusammenarbeit mit Swissherdbook in den Bereichen Milchanalytik (Suisselab) sowie Informatik und Zuchtwertschätzung (Qualitas)
2011: Namensänderung von Schweizerischer Braunviehzuchtverband zu Braunvieh Schweiz
2013: Einführung der Gesundheitsdatenerfassung
2017: Neues Zuchtprogramm mit Einführung von Bruna-Data- und Bruna-Classic-Betrieben (Zuchtrichtung Gesundheit stärken und Sicherheit der Genomik erhöhen)
2019: Entwicklung und Umsetzung der Markenstrategie «Brown Swiss – More Than Milk» in Zusammenarbeit mit der Europäischen Braunviehvereinigung
2021: Lancierung der Strategie 2030 von Braunvieh Schweiz. Die Eckwerte der Strategie sind die folgenden:
Braunvieh Schweiz strebt eine nachhaltige Positionierung an.
- Die Eigenschaften der braunen Kuh fördern diese nachhaltige Positionierung.
- Innovative digitale Leistungen unterstützen die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit unserer Mitglieder.
- Langfristig soll die Qualitätsführerschaft von Braunvieh am Markt finanziell abgegolten werden.
- In der Verbands-Vision prägt die braune Kuh das Bild einer nachhaltigen Schweizer Milchproduktion.

Können Sie noch einen kurzen Blick zurückwerfen auf die Geschichte von BS?

1869 hat man angefangen, Braunvieh aus dem Kanton Schwyz in die USA zu exportieren, dieses stammte mehrheitlich vom Kloster Einsiedeln. Dieses wurde dann in den USA als Milchrasse weitergezüchtet. 1967 wurden dann die ersten Brown Swiss in die Schweiz importiert. Das wollte man zwar zunächst mit Vehemenz verhindern, ähnlich wie auch die Einführung der künstlichen Besamung auf Kritik stiess.

Was sind heute die Alleinstellungsmerkmale von Braunvieh?

Es ist die einzige Schweizer Rasse mit zwei Zuchtrichtungen. Erstens BS – «More Than Milk» mit den Trümpfen Langlebigkeit, Eiweissgehalt, Kappa- und Beta-Kasein, Eutergesundheit, Hitzetoleranz, Geburtsablauf, harte Klauen, gutes Exterieur mit mittlerem Rahmen, Weidetauglichkeit, Charakter. Zweitens OB – für Milch und Fleisch. Braunvieh steht auch für Swissness – die Rasse hat ihren Ursprung in der Schweiz und die Entwicklung findet hauptsächlich hier statt. Die eingesetzte Genetik hat einen Inlandanteil von über 90 %.

In den letzten Jahren verliert die Rasse Anteile am Milchkuhbestand, woran liegt das?

Die Verfügbarkeit der Braunviehremonten ist klar zurückgegangen: In den traditionellen Aufzuchtgebieten für Braunvieh, etwa dem Kanton Graubünden, wurde viel früher mit der Umstellung auf Mutterkuhhaltung begonnen. Dadurch gingen Aufzuchtbetriebe verloren. Das Angebot wurde kleiner und auf dem Markt teurer. Zudem ist das Angebot im Vergleich zu den Konkurrenzrassen auch heute noch recht saisonal, vor allem aufgrund von Alpung.

Dazu kommt eine hohe Rate von Fleischrassenbesamungen...

Das Braunvieh weist seit über10 Jahren mit 45–50 % den höchsten Anteil an Fleischrassenbesamungen auf. Dies hat zum Teil geografische Gründe. In der Ostschweiz ist der Fleischrassenanteil auch bei den anderen Rassen wesentlich höher als in der Romandie. Zudem führen die hervorragenden Abkalbe-Eigenschaften dazu, dass alle Fleischrassen problemlos eingesetzt werden können. Die sehr erfreulichen Preise für Schlachtkühe und für Remonten in die Mutterkuhhaltung mindern die Attraktivität der Aufzucht von Milchviehremonten. Die Differenz im Erlös einer Schlachtkuh zu einer Zuchtkuh ist oftmals zu gering. Wenn du eine mittlere braune Kuh für Milchproduktion verkaufst, erhältst du rund 3500 Franken, eine Schlachtkuh mit Taxierung T3 löst oftmals ähnlich viel, bei Holstein ist diese Differenz deutlich grösser. Fazit: Für gleichen Aufwand erhält man weniger Wertschöpfung. Zudem wird bedauerlicherweise die hervorragende Milchqualität unserer Rasse am Markt zu wenig abgegolten, und das ist sehr entscheidend.

Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?

Ja natürlich. Brown-Swiss-Züchter setzen vergleichsweise sehr viel Fleischrassengenetik ein. Dies ist eine Folge der an sich erfreulichen Zunahme von gesexten Samendosen, aber auch der attraktiven Preise für Fleischrassentränker. Samensexing ist sehr wichtig für die Selektion und den Zuchtfortschritt in den Betrieben.

Gleichzeitig konnte OB stark zulegen, das ist positiv, oder?

OB als Zweinutzungsrasse hat innerhalb der letzten zehn Jahre den Bestand fast verdoppeln können. In manchen Gebieten der Schweiz werden zunehmend auch Rückpaarungen mit OB auf BS-Kühe durchgeführt. Das macht eine Riesenfreude, OB ist ein grosser Sympathieträger. Für unseren Verband ist es von Vorteil, die Zweinutzungsrasse zu haben, da sie bestens ins Produktionssystem einer grösser werdenden Gruppe von unseren Mitgliedern passt.

Braunvieh wird als die Eiweisskuh angepriesen, braucht es mehr Gehaltszahlung, um ihre Position zu verbessern?

Ja, klar. Mit unserer Strategie 2030 prüfen wir den Aufbau einer Marke Braunviehmilch. Es geht um die bessere Wertschöpfung am Markt für die nachweislich ausgezeichnete Milchqualität unserer Rasse.

Stark ist Braunvieh auch beim Eiweiss Kappa-Kasein Typ B, wo steht man da heute in Sachen Abgeltung?

Suisselab hat den früher von Braunvieh Schweiz und dem italienischen Braunviehzuchtverband entwickelten Kappa-Kasein-Test für Milchvieh neu entwickelt und bietet seit kurzem diesen Test auf dem Markt unter dem Markennamen Fromalys an. Es muss sich erst zeigen, ob dadurch die ausgezeichnete Braunvieh-Käsereimilch auch besser bezahlt wird. Es gibt schon heute Braunviehbetriebe mit eigener Käseproduktion, etwa auf Alpen, welche bereits seit längerem das Kappa-Kasein in der Zucht berücksichtigen und dadurch von einer besseren Käseausbeute profitieren.

Sehen Sie kurzfristig Bedarf für Anpassungen in der Zucht?

Braunvieh Schweiz überprüft alle fünf Jahre die Zuchtziele. Die Zucht ist eine langfristige Angelegenheit. Die heutigen Trends mit der Zuchtstrategie Fleischrassengenetik und Samensexing werden auch in Zukunft eine grosse Rolle spielen. Zudem hat die Genomik die Zucht beschleunigt. Die züchterische Bedeutung der Fitness- und Gesundheitsmerkmale wird auch künftig einen hohen Stellenwert einnehmen. Das höchste Gewicht im Zuchtziel BS hat weiterhin der Leistungsblock mit Milchmenge und Gehalt.

Wie ist das Verhältnis zwischen BS- und OB-Züchtern?

Sehr gut. Die Grabenkämpfe gehören schon lange der Vergangenheit an. Ein Beleg für das gute Verhältnis wird die nächste Bruna sein. Was wir können, machen wir gemeinsam.

Die doppelte Bruna in Zug
Für passionierte Braunviehzüchter führt im April kein Weg an Zug vorbei. Am Sitz von Braunvieh Schweiz steigen im Frühjahr gleich zwei Highlights des Jubiläumsjahres. Am Wochenende vom 2. und 3. April findet auf dem Stierenmarktareal die Bruna für Original Braunvieh statt. Eine Woche später, am9. und 10. April steht die Bruna Brown Swiss am selben Ort auf dem Programm.
Für die OB-Ausstellung finden derzeit die Vorschauen statt, wie Verbands-Vizedirektor Martin Rust erläutert. Drei Zweierteams mit Schauexperten bereisen derzeit das weitläufige Einzugsgebiet der Doppelnutzungskuh, das vom Wallis übers Mittelland und die Ostschweiz bis ins Graubünden reicht. Sie wählen nun aus, welche Tiere für die Jubiläumsschau in die Kränze kommen. Angemeldet seien über 700 Tiere, so Rust. Auf dem Schauplatz in Zug werden rund 300 von ihnen zu sehen sein.
Für die Brown-Swiss-Bruna sind die Kantonalverbände zuständig. Jedem von ihnen steht ein Kontingent zu, das die kantonalen Sektionen zwischen dem 25. Februar und dem 14. März in Eigenregie auswählen. Die Anmeldefrist ist am 23. Februar abgelaufen. Laut Martin Rust wurden bis zum Anmeldeschluss über 1000 BS-Kühe angemeldet.
«Wir haben Glück», sagt Rust in Bezug auf die Pandemiesituation. Er zeigt sich erleichtert, dass die beiden Ausstellungen ohne Massnahmen über die Bühne gehen können. Man habe erst Mitte Februar definitiv entschieden, diese durchzuführen.