«Ich muss gestehen, vor wenigen Jahren wusste ich auch noch nichts über Wisente», erzählt Benjamin Brunner am Telefon lachend. Das würde man nicht denken, hat er doch gerade eine Viertelstunde am Telefon über die Tiere geschwärmt und erzählt, was er im Ausland schon alles mit diesen sanften Riesen erlebt und gelernt hat. Mittlerweile ist Brunner ein grosser Fan und freut sich, wenn sie dereinst in seinem Wald weiden werden. Doch noch ist es nicht so weit. Noch sind zwei Beschwerden gegen das Bisongehege hängig.
Der Bau des Geheges ist genau geplant
«Wir könnten schon morgen mit dem Gehegebau beginnen», erzählt Benjamin Brunner. Drei Litzen will er ziehen, teils Drahtseile, teils Elektrozaun, um ein Gehege von zuerst einem halben Quadratkilometer, später soll es verdoppelt werden. Im Ausland seien es oft nur zwei Litzen. Eine auf einem halben und eine auf einem Meter. Er macht noch eine weitere auf 1,5 Meter als Übersprungschutz. Aber bei einem Gehege dieser Grösse sei der Druck auf den Zaun nicht gross. Ausserdem gebe es Alarm, sobald der Zaun irgendwo unterbrochen werde und er könne die Stelle reparieren, bevor es die Wisente merken. Auch drei Jungtiere wären schon bereit für den Umzug in den Naturpark Thal SO. Ein Leitbulle und eine Leitkuh würden dann aus der europäischen Erhaltungszucht dazu kommen. Wisente kämpfen mit Inzucht. Deshalb sei es wichtig die Tiere grossräumig einzukaufen und frische Genetik zu holen. Ansonsten sei die Robustheit der Art langfristig gefährdet. Die Wisente müssten sich auch den Gegebenheiten in einer Region anpassen können. Das seien langfristige Prozesse und darum sei es wichtig, Wisente an verschiedenen Standorten zu züchten, betont Brunner. Es ist deutlich zu spüren: In seinem Kopf streifen die fünf Wisente schon durch seinen Wald.
Die Wisente sind riesig und scheu
Doch Benjamin Brunner ist kein Träumer. Hinter der Idee, Wisente auszuwildern, stecken viele Jahre Arbeit. Entstanden ist der Plan beim Verein Wisent Thal, der auch heute noch hinter dem Projekt steht. Dessen Präsident Stefan Müller sei auf ihn zugekommen, weil sein Waldstück ideal gelegen sei. Die Kriterien waren, ein grosses zusammenhängendes Stück Wald mit möglichst wenigen Eigentümern. Der Wald, der nun eingezäunt werden soll, gehört Benjamin Brunner und der Bürgergemeinde Solothurn. Der Zaun soll allerdings nur die Wisente an diesem Standort halten. Für andere Wildtiere wie auch für Wanderer bleibt das Gelände offen. Auch Führungen will Benjamin Brunner anbieten. Mit seinem Handy werde er die Tiere jederzeit orten können und so die Besucher gezielt hinführen. «Ansonsten bekommt man die scheuen Waldbewohner kaum je zu Gesicht», weiss Brunner aus Erfahrung. Auf rund 50 Meter könne man sich gefahrlos nähern. Überhaupt seien sie gutmütiger als manche Mutterkuh und würde ein Tier ein problematisches Verhalten zeigen, werde es sofort entnommen.
Das Verhalten muss noch erforscht werden
Die ersten zehn Jahre werden die Wisente ganz sicher im Gehege leben, und weitere fünf Jahre frei unter Beobachtung, bis an eine Auswilderung gedacht werden könnte. Diese müsste dann der Kanton Solothurn beim Bund beantragen. Doch so weit ist es noch nicht. Zuerst müssen die Wisente beweisen, dass sie keine grossen Schäden an Kulturen und im Wald machen. «Dort, wo ich im Ausland Hirsche und Wisente im gleichen Gebiet erlebt habe, waren die Schäden durch Hirsche viel grösser», erzählt Benjamin Brunner. Wie genau sich Wisente verhalten, soll in den ersten fünf Jahren erforscht werden. So wird nicht nur Wald eingezäunt, sondern auch sieben Hektaren Wies- und Ackerland. Dort wird Brunner Mais und Getreide anbauen und seine Mutterkühe weiden. «An einer brünstigen Kuh hat der Wisentbulle kein Interesse, so viel wissen wir und auch ansonsten fühlen sie sich nicht zu den Kühen hingezogen», so Brunner. Testen will er auch, ob sich die Tiere mit den herkömmlichen Wildsauzäunen von den Ackerkulturen fernhalten lassen.
Eine Auswilderung hat im Ausland funktioniert
«Wir haben hier sehr viele Wildschweine und müssen die Felder eh einzäunen. Würden diese Zäune auch die Wisente fernhalten, entstünde den Landwirten damit kein zusätzlicher Aufwand», hofft Brunner. Wo die Wisente ihr Futter suchen, auch das will Brunner genau beobachten. «Aus diesem Grund erfasse ich, wie viel Heu es auf meinen Feldern gibt. Somit werden wir genau wissen, ob und wie grosse Verluste es mit den Wisenten gibt», erklärt er. Benjamin Brunner weiss, dass das Projekt genau beobachtet wird und seine Kritiker hat. Deshalb will er an möglichst viele Eventualitäten denken, bevor darüber entscheiden wird, ob die pelzigen Riesen dereinst wieder frei durch die Wälder der Schweiz ziehen werden. Brunner hat im Ausland gesehen, dass das problemlos geht und ist zuversichtlich. «Und wenn wir nach den fünf Jahren sehen, dass es nicht geht, dann möchten wir die Tiere in einem kleineren Gehege halten», betont er. Doch noch ist es nicht so weit. Noch stehen zwei Beschwerden gegen das Gehege im Raum. Benjamin Brunner hofft, dass diese zumindest nicht vor Bundesgericht weitergezogen werden und den Parteien nicht noch grosse Gerichtskosten entstehen. Viel lieber will er Geld und Energie in die Wisente investieren.
SOBV ist gegen Wisent
Mit dem Solothurner Bauernverband (SOBV) hat das Wisentprojekt einen prominenten Gegner. «Aus der beruflichen Erfahrung weiss ich, dass, wenn ein Bauer seinen Wald einzäunen möchte, dies nicht zulässig ist. Wenn ein Bauer den Zutritt zu seinem Wald jemandem verwehren will, ist dies ebenfalls nicht zulässig. Auch eine Beschränkung des Zutritts ist nicht erlaubt. Ebenso unzulässig ist, wenn ein Landwirt seine Rinder im Wald weiden würde. Mit der Interpretation, dass die Wisente im öffentlichen Interesse stehen, gilt plötzlich die rechtsgleiche Behandlung nicht mehr. Der Verein Wisent Thal bekommt somit als privatrechtlicher Verein die Bewilligung, Wald einzuzäunen, den Zutritt vieler Leute zum Wald zumindest zu erschweren und den Wald künftig zu beweiden», begründet SOBV-Bauernsekretär Peter Brügger im März die Ablehnung. Ausserdem fürchtet der SOBV grosse Schäden an Kulturen durch die mächtigen Wisente.
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