Zuhinterst im Stammertal unterbrechen hohe Hopfenstauden den Horizont des hügeligen Zürcher Hinterlandes. Die Hopfenpflanzen erinnern an einen parzellierten Dschungel in einer Zone, in der man sonst nur Maisfelder und Kunstwiesen antrifft. Ende August ragen sie über sieben Meter hoch in die Luft. Mittlerweile sind die Blüten abgeerntet. Der Erntezeitpunkt wird nicht wie beim Mais mittels Temperatursumme bestimmt, sondern mittels Tageslänge und Tageslicht. Somit erfolgt die Hopfenernte stets Anfang September.
Dem Bierpfad entlang
Um das Hopfengut der Familie Ulrich in Unterstammheim ZH vom Bahnhof Stammheim zu erreichen, läuft man ein Stück auf dem Bierwanderweg und ist sich somit sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Das Wohnhaus von Ulrichs wiederum ist offenbar nicht klar genug ausgeschildert, denn prompt stösst man auf zwei Bier degustierende Wanderer an einem schattigen Sitzplatz.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten und einer stürmischen Begrüssung der zwei Französischen Wasserhunde von Stefan und Sylvia Ulrich setzt sich die Redaktorin mit dem Landwirt an den Tisch. Stefan Ulrich beginnt über die Geschichte des Hopfens im Stammertal zu erzählen.
Defizite kompensieren
Rund 15 Hopfenproduzenten und Brauer schlossen sich zu Beginn des Anbaus in den 50er-Jahren zur sogenannten Genossenschaft für Schweizer Hopfen zusammen. In guten Jahren hatten die Produzenten und Brauer in die Genossenschaft eingezahlt, um die schlechteren Jahre kompensieren zu können. Der Mechanismus funktionierte gut und weil die Preise so volatil waren, konnte man die Erzeugerpreise stabilisieren. Auch, weil die Ware damals nicht lagerfähig war. «Dies ist heute anders», sagt Stefan Ulrich am Gartentisch vor seinem Wohnhaus im August. Durch die Behandlung mit Stickstoff kann der Hopfen heute viel länger gelagert werden, ohne dass er an Qualität einbüsst, so der konventionelle Hopfenproduzent. Dadurch wurde dann auch die Preisausgleichskasse sekundär. Heute legt der Verein der Hopfenproduzenten jeweils im Oktober den Preis der Ware fest.
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Vom Tabak zum Hopfen
Der Agronom und Lehrmeister Stefan Ulrich ist nun seit 30 Jahren Vereinspräsident der Schweizer Hopfenproduzenten. Sein Vater Reinhard Ulrich hatte auf dem Betrieb in den Nachkriegsjahren mit Tabak begonnen, stellte aber nach drei Jahren auf Hopfenanbau um. Die Preise waren gut, so investierte er damals in eine grosse Trocknungsanlage und eine Hopfenpflückmaschine. Heute bewirtschaften Stefan (61) und Sylvia (55) Ulrich 290 Aren Hopfen, daneben betreiben sie Ackerbau mit Zuckerrüben und Mais. Zum Betrieb gehören zudem diverse Rebparzellen von zwei Hektaren Fläche und rund 27 Jerseykühe für die Produktion von Milch, Glace, Brie und Joghurt.
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Hektaren Hopfen werden in der Schweiz angebaut – Tendenz sinkend.
15 % – So viel produziert die Schweiz am Inland-Gesamtbedarf von Hopfen.
80 % des im Inland produzierten Hopfen gehen an die Carlsberg- und Heineken-Konzerne.
50 Tonnen pro Jahr. So viel Hopfen produziert die Schweiz jährlich ungefähr.
Die Mehrheit des in der Schweiz angebauten Hopfens wird nach Deutschland geliefert, wo er veredelt und in Form von Hopfenpellets wieder in die Schweiz gebracht wird.
100 bis 150 g Hopfen braucht es für 100 Liter Bier.
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Den Hopfen produzieren sie hauptsächlich für die Bierindustrie und ein wenig für den Medizinalbereich. Ein Verarbeiter holt die getrocknete und gepresste Ware ab und lässt sie in Deutschland verarbeiten und veredeln. Im Hofladen, den Ulrichs schon seit zehn Jahren betreiben, verkaufen sie vor allem Milchprodukte und Fleisch sowie Hopfenglace und andere Produkte. Zudem beliefern sie vier weitere Hofläden und vier Volg-Filialen in der Region mit ihren Milchprodukten.
Der Hopfengut-Betrieb und dessen Kulturen blieben diesen Sommer vom Unwetter verschont – die Hopfenpflanze, lateinisch Humulus lupuls, erträgt Temperaturen über 30 Grad sowieso schlecht, erklärt Stefan Ulrich. Hopfen reagiert auf die Tageslänge und ist deshalb nur vom 35. bis zum 55. Breitengrad anbaubar. Aber im Jahr 2017 hätten eine heftige Hagelzelle und Windböen von 200km/h grosse Teile der Region zerstört, erinnert sich Stefan Ulrich.
Drei Sorten auf dem Betrieb
Die Hopfenstaude, welche für den industriellen Anbau genutzt wird, besteht aus weiblichen Pflanzen und ist mehrjährig. Im Frühling wird der Stock geschnitten, um ein gleichmässiges Austreiben der Triebe zu begünstigen und Krankheiten zu eliminieren. Für das Hopfenerlesen erfolgt der erste Arbeitsschritt maschinell, indem Pflanzentriebe vom Wurzelstock entfernt werden, in einem Zweiten werden von Hand überzählige Hopfentriebe weggeschnitten und die verbleibenden an den Steigdraht angedreht. In der Periode von März bis Ende Juni wächst die Staude dann auf eine fürstliche Höhe von bis zu sieben Metern. Anschliessend blühen die Pflanzen und die Ausbildung der typischen Dolden beginnt. Im September werden die Hopfen geerntet. Die Ernte ist eine grosse Arbeitsspitze und dauert etwa 10 bis 14 Tage.
Nach der Ernte werden die Dolden auf dem Betrieb getrocknet und abgepackt. Die Hopfenblüten werden in grossen Pelletierwerken in Deutschland zu Hopfenpellets verarbeitet. Eine andere Option ist die Extraktion. Dies wird vor allem beim Bitterhopfen gemacht. Überwintern lässt man schliesslich nur den untersten Pflanzenteil. Die fünf bis sechs Meter hohe Kletterpflanze wird bei der Ernte entfernt. Aktuell produziert Stefan Ulrich drei verschiedene Hopfensorten: Magnum, Perle und Herkules, welche eine eher neue Sorte ist. Die Sorte Magnum baut er schon seit dem Jahr 1990 an.
Investitionsintensive Kultur
Hopfen zu produzieren sei kein Hexenwerk, so Ulrich, aber es ist eine investitionsintensive Kultur. Die Hopfenstaude wächst schnell, und dafür braucht es ein hohes und stabiles Gerüst. Für die Anlage muss man mit 30 000 Franken pro Hektare rechnen und der Hopfen braucht den besten Ackerboden, weiss Ulrich aus Erfahrung.
Nährstofftechnisch ist Hopfen auf mindestens drei Düngergaben angewiesen, was auf eine totale Nährstoffzugabe von rund 180 kg Stickstoff, 60 kg Phosphor, 200 kg Kali und 50 kg Magnesium pro Jahr und Hektare zu tragen kommt.
Pflanzenschutztechnisch bereiten in der Hopfenkultur der Echte und der Falsche Mehltau Sorge, wie Stefan Ulrich zusammenfasst. Spinnmilben seien vor allem bei wärmeren Perioden problematisch, Blattläuse seien momentan weniger ein Problem. Auch für die Hopfenproduzentinnen wird die Liste der bewilligten Pflanzenschutzmittel stets kürzer, was eine echte Herausforderung darstelle, so Ulrich.
Weitere Informationen: www.hopfengut.ch
Betriebsspiegel
Arbeitskräfte: Stefan und Sylvia Ulrich, diverse temporäre Arbeitskräfte
Ort: Stammheim ZH
Betriebsform: ÖLN, Silobetrieb, RAUS
Ackerfläche: 290 a Hopfen, Mais, Zuckerrüben, Reben
Viehbestand: 27 Jerseykühe im Anbindestall (Milchlieferrecht von 156 000 kg, Abnehmer: Nordostmilch AG)
Spezielles: Bierwanderungs-Posten, Hofladen seit zehn Jahren, Photovoltaikanlage, Stellplätze, Kuh-Leasing, Schwarzbier- und Hopfenglace