«Die Bevölkerung hält sich in der Freizeit immer mehr in der Natur auf», sagte Roman Züst an der Januartagung des Bauernverband Appenzell Ausserrhoden (BVAR), die in Gais unter dem Motto «Dis Land – mis Land» stattfand. Dabei sei festzustellen, dass sich nicht alle an die Spielregeln hielten. «Für Konfliktpotenzial ist vor allem dann gesorgt, wenn ein Wanderweg direkt über einen Hof führt», so Züst weiter.

Beispiele dafür: Fremde Leute halten sich abseits des Weges auf dem Hofareal auf oder machen mitten auf einer Wiese eine Feuerstelle. Da stellt sich die Frage, wie die Spielregeln überhaupt lauten: Was ist erlaubt und was nicht?

Betreten erlaubt

«Laut Gesetz ist das Betreten von Wald und Weide grundsätzlich erlaubt», hielt Michael Riboni, Agriexpert-Rechtsberater beim Schweizer Bauernverband (SBV) fest. Konkret erlaubt ist etwa das Betreten zu Fuss und zu Pferd oder das Befahren mit Fahrrad, Ski oder Schlitten. Allerdings immer vorausgesetzt, dass dabei keine Schäden entstehen. Das Bundesgericht ging in einem Entscheid nicht nur von der Duldungspflicht seitens der Landwirtschaft aus, sondern auch von der Pflicht, die Flächen der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

«Die strenge gesetzliche Auslegung erlaubt es daher nicht, landwirtschaftliche Grundstücke permanent eingezäunt zu halten», so Riboni. Das Gesetz legt zudem Grenzen in der öffentlichen Nutzung fest: So ist es nicht zulässig, mit dem Auto über eine Wiese zu fahren oder am Wegrand zu parkieren. Ebenso nicht erlaubt ist das Campieren und Zelten wie auch das Betreten von Hofarealen sowie Ökonomiegebäuden.

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Infotafel empfohlen

Doch in der Praxis sei oft nicht klar, wer was dürfe, sowohl seitens der Landwirte als auch der Erholungssuchenden, so Michael Riboni weiter. «Wir erhalten zunehmend Anfragen von verärgerten Landwirten.» Damit es gar nicht erst zu einem Konflikt kommt, rät der Jurist etwa zum Aufstellen der Infotafel «Stadt und Land – Hand in Hand», die beim Landwirtschaftlichen Informationsdienst (LID) erhältlich ist.

Diese orientiert u. a. darüber, dass der Hund unter Kontrolle zu halten ist oder Weidezäune nach dem Durchqueren wieder zu verschliessen sind, damit keine Tiere entweichen können. Zudem ist laut Riboni unter bestimmten Umständen auch eine permanente Zäunung erlaubt, so etwa bei Beeren- und Obstplantagen oder Ganzjahresweiden.

Sachlich kommunizieren

Nina Hübner, Bereichsleiterin Kommunikation beim LID, wies darauf hin, dass es vielen Erholungssuchenden, vor allem aus städtischen Gebieten, an grundlegenden Kenntnissen zur Landwirtschaft fehle. Sie rät den Bauern daher zu einer ruhigen und sachlichen Kommunikation und sich dafür Zeit zu nehmen. «Es empfiehlt sich beispielsweise, vom Traktor zu steigen, durchzuatmen und die Sachverhalte zu erklären», so Hübner.

Was tun, wenn es doch zu einem Schaden kommt? Beispielsweise ein zertrampelter Feldrand? Grundsätzlich könne ein Schadensersatz geltend gemacht werden, sagt Michael Riboni. Doch in der Realität sei dies meistens schwierig: «Oft sind die Schadensverursacher unbekannt», so der Jurist. «Auch ist die Verhältnismässigkeit häufig nicht gegeben.» So seien beispielsweise Ertragseinbussen durch Schäden auf ein paar Quadratmetern gering.

Für Zäune haftbar

Auf der anderen Seite sind auch Landwirt(innen) dafür zuständig, Bauten und Anlagen in einwandfreiem Zustand zu halten und Gefahren zu beseitigen. So haften etwa Tierhalter für mangelhafte Zäune. «Diese müssen nicht nur ausbruchsicher sein, sondern bis zu einem gewissen Grad auch einbruchsicher», hielt der Rechtsberater weiter fest. Auf Elektrozäune sei zudem mit Warnschildern aufmerksam zu machen.

Von einem Hof zum anderen

«Wandern und in der Natur unterwegs sein, war der wichtigste Volkssport in der Schweiz, lange bevor Sportarten wie Mountainbiken und Skifahren aufkamen», sagte Urs von Däniken, Präsident des Vereins Appenzeller Wanderwege, an der Januartagung. Das heutige Wanderwegnetz geht auf Zeiten zurück, als es üblich war, vor allem zu Fuss unterwegs zu sein. Dabei führten die Wege oftmals von Haus zu Haus. So kommt es, dass Wanderwege auch heute noch quer über einen Hof verlaufen.


«Manchmal hilft das Auszäunen eines Wanderwegs»

Erleben Sie auf Ihrem Betrieb eine Zunahme von Störungen durch Erholungssuchende?

Stefan Freund: Ich stelle fest, dass seit Corona deutlich mehr Spaziergänger(innen) unterwegs sind, immer häufiger auch mit Hunden. Während sich die meisten anständig verhalten, fallen etwa 10 Prozent negativ auf. So kommt es beispielsweise vor, dass Hundekot liegen bleibt oder Wanderer ganzjährig querfeldein über die Wiesen laufen. Auch erleben wir immer wieder, dass die Wege nachts begangen werden. Einmal durchquerte eine Frau mit Hund gegen Mitternacht unseren Hof, worauf Hofhund und Kühe in Aufruhr gerieten.[IMG 3]

Wie reagieren Sie, wenn sich jemand störend verhält?

Ich versuche, mit den Betreffenden ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es wichtig, die landwirtschaftlichen Zusammenhänge zu erklären. Allerdings kommt es auf die Situation an, manchmal fehlt es auch an Zeit und Geduld.

Welche Möglichkeiten sehen Sie ausserdem, um auf das Problem aufmerksam zu machen?

Meiner Erfahrung nach werden Infotafeln am Feldrand von vielen Vorbeigehenden gelesen. Geht der Wanderweg direkt übers Feld, lohnt es sich zudem, ein Auszäunen zu erwägen. Je nach Situation lassen sich dazu beispielsweise Schläge anders einteilen oder Wasserstellen anderweitig nutzen.