«Unser Camping platzt aus allen Nähten, die Nachfrage ist abartig, die Warteliste lang», sagt Patrick Gasser vom Eichhof in Herznach. Viele Schweizer würden nun hier länger Ferien machen, statt wie früher ins Ausland zu verreisen und allenfalls nur mehr am Schluss wenige Camping-Tage anzuhängen. Dank der Grenznähe und seit der Öffnung seien es aber auch wieder sehr viele Ausländer, vor allem Deutsche und Holländer, die «wieder wie früher» zum Campen auf den Eichhof kämen.
Platz ist sehr beschränkt
Der Platz ist zwar beschränkt, nur eine rund 2000 m2 grosse Wiese steht in Hofnähe zur Verfügung. In der Regel seien es acht bis zehn Wohnwagen oder Zelte. Gassers würden gerne mehr Platz anbieten, raumplanerische Hürden verhindern dies. «Die aktuelle Grösse wird ohne Umzonung geduldet, mehr wäre nicht möglich», sagt Patrick Gasser, der vor zehn Jahren den Betrieb übernommen hat. Schon seine Eltern setzten in den 90er-Jahren auf Agrotourismus, mit Schlaf im Stroh. Inzwischen wird statt Stroh- ein Matratzenlager mit 40 Plätzen angeboten. «Die Nachfrage ist dieses Jahr aber komplett eingebrochen, viele Vereine und Schulen haben ihre Lager abgesagt.» Gassers bewirtschaften einen 26 ha grossen Betrieb mit zwölf Mutterkühen, Ackerbau und viel Ökoflächen, über 30 Prozent der LN. Die kämen bei den Gästen besonders gut an. Über den Sommer sei der Betrieb allerdings quasi tierlos, die Kühe auf der Alp. «Neben dem Agrotourismus könnten wir das sonst gar nicht mehr bewältigen.»
Nachfrage ist wieder da
«Wir hatten anfänglich beim Lockdown auch einen Schock und bangten um die Einnahmen», sagt Janine Neuenschwander von «Bauer Fritz», Diegenstal in Rickenbach. «Aber die Nachfrage hat sich gut entwickelt.» Nun würden auch wieder viele Feste hier abgehalten. Allerdings meist Geburtstage und Hochzeiten, geschlossene Gesellschaften eben. Seit Juli ist aber auch das Hofbeizli wieder offen.
Auf dem Bio-Bauernhof mit Energieproduktion hat der Agrotourismus seit vielen Jahren eine grosse Bedeutung: Gleich mehrere Ferienwohnungen und Ferienzimmer, dazu Übernachten im Tipi und ein grosser Partyraum werden angeboten.
Feststellbar sei dieses Jahr eine Veränderung der Kundenstruktur: Weniger Lager, dafür mehr Familien, und viel mehr Schweizerinnen statt ausländische Gäste. Einen Schub gab es auch bei der Direktvermarktung, inklusive Online-Handel. Angeboten werden Öle, Getreideprodukte und Fleisch von den Hochlandrindern. Auch, weil neuerdings der weltweit tätige Biovermarkter Gebana die Produkte von Familie Neuenschwander vertreibt.
Immer noch kaum Nachfrage
Ruhig im Vergleich zu andern Jahren sei es bisher auf dem Erlebnisbauernhof Weid in Kerns, sagt Edith Spichtig. Seit 20 Jahren setzt die Familie auf Agrotourismus, ein wichtiges Standbein auf dem 15 ha grossen Biobetrieb. Vom Schlaf im Stroh über gastronomische Dienstleistungen bis zu Schule auf dem Bauernhof im Herbst. Kaum Übernachtungen im Stroh wurden bisher gebucht. Im Massenlager im Stall und in Remisen, die jeweils Juni bis September hergerichtet werden, wenn die Kühe auf der Alp Lachen im Melchtal sind, können je 15 Einzelpersonen oder Gruppen bis 30 Personen beherbergt werden. Sie hätten viele Absagen gehabt, «scheinbar getrauen sich die Leute einfach nicht», bedauert Bäuerin Edith Spichtig.
Auch in der Gastronomie, wofür mehrere Räume zur Verfügung stehen, laufe fast nichts, oder Anlässe seien auf viel später verschoben worden. Nicht zu unterschätzen sei auch der Mehraufwand für die nötigen Schutzkonzepte und Abstandsvorschriften für solche Anlässe. Eher mehr Nachfrage verzeichne hingegen die Direktvermarktung, wo Spichtigs in Selbstbedienung Käse von der Alp, Würste, Most und «Birähung» anbieten.
«Unsere Gäste schätzen die mögliche Distanz im Wurzelbaumhaus.»
Karin Wechsler, Kuchischür, Neuenkirch
Boom im Wurzelbaumhaus
Sie würden fast überrannt mit Buchungen für das Wurzelbaumhaus, wie noch nie in den letzten Jahren, berichtet Karin Wechsler von der Swissfarm in Neuenkirch. Juli, August und September sind gemäss Belegungsplan fast ausgebucht, schon im April habe die Nachfrage wieder angezogen, und nun werde rege für Oktober gebucht, freut sich Wechsler. Vorteil dieser speziellen Übernachtungsgelegenheit für zwei Personen, mit exklusiver Inneneinrichtung, sogar Balkon und Bodenheizung, auf einem Baum: Man ist allein, Distanzen können eingehalten werden, auf ein Buffet wird verzichtet.
Tote Hose bei Events
Während es im Wurzelbaumhaus, das vor acht Jahren gebaut wurde, gut läuft, gebe es bei den Eventangeboten einen Stillstand. Die werden inzwischen auf der Kuchischür beziehungsweise «Swissfarm», wie die Angebote vermarktet werden, von der neuen Pächterfamilie Lustenberger betreut, nachdem Wechslers den Betrieb 2019 übergeben haben. Events haben nicht nur hier seit über 20 Jahren einen grossen Stellenwert. In der ganzen Region gebe es sehr viele Bauernhöfe mit Partyräumen und ähnlichen Angeboten. «In diesem Bereich läuft seit Monaten fast gar nichts mehr», weiss Wechsler, welche auch agrotouristische Beratungen anbietet. Das werde auf einigen Betrieben zu markanten Umsatz- und Einkommenseinbussen führen.
Raumplanerische Auflagen als Knacknuss
Der Kanton Luzern verzeichnet verhältnismässig viele agrotouristische Angebote. Von Ferienwohnungen über Schlaf im Stroh bis zu Gastronomie und Events auf Bauernhöfen. Die raumplanerischen Hürden für die nötigen Infrastrukturen seien aber nicht zu unterschätzen, weiss Karin Wechsler aus Neuenkirch, aus jahrelanger eigener und ihrer Beratungs-
Erfahrung. «Ich könnte ein Buch darüber schreiben.» Die schweizerische Raumplanungsgesetzgebung sei eigentlich relativ kulant gegenüber Agrotourismus, allerdings nicht zu vergleichen mit den Möglichkeiten auf Bauernhöfen im nahen Ausland. Gross seien aber die kantonalen Unterschiede bei der Auslegung, und da sei Luzern eher streng. «Da gibt es eine ständige Angst, die Räume könnten dauernd vermietet werden. Obwohl durch Umnutzung von Wohnraum zu Agrotourismus dies klar geregelt und nicht zulässig ist.» Der Einbau von Küchen für Ferienwohnungen werde deshalb selten bewilligt, weiss Wechsler. Die Beraterin bedauert, dass es schweizweit keine klaren Rahmenbedingungen gibt, viel werde je nach Projekt individuell von den Behörden entschieden. «Wer mit einem guten Konzept kommt und lange genug kämpft, hat eher Chancen auf eine Bewilligung.» Das sei teils auch eine Glückssache. Besser wäre es, wenn Antragstellende frühzeitig wüssten, was möglich ist und was nicht. Das würde auch den Planungsaufwand reduzieren.
Agrotourismus boomt in der Region
Der Aufruf selbst vom Bundesrat, Ferien in der Schweiz zu machen, zeigt offenbar auch bei bäuerlichen Anbietern Wirkung. Die Buchungen hätten gegenüber dem Vorjahr um
50 Prozent zugenommen, Stand Ende Juni, sagt Andreas Allenspach, Geschäftsführer Agrotourismus Schweiz. In der Region Vierwaldstättersee gibt es besonders viele bäuerliche Übernachtungsangebote. Auf der Plattform www.myfarm.ch, wo neben Übernachtungsangeboten auch Events, Gastronomie oder Hofläden zu finden sind, sind die Aufrufe allein in den letzten 30 Tagen im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft angestiegen. Um 1000 Prozent für Hofläden, 370 Prozent für Campingplätze, und 22 Prozent für Ferienwohnungen. Die meisten Gäste kämen aus der Schweiz, nämlich 62 Prozent. Die deutschen Gäste machen 26 Prozent aus, sagt Allenspach.
«Da während des Lockdowns die Anbieterinnen aus der Schweiz weiterhin offen hatten und wir mehr einheimische Gäste haben im Vergleich zu den Nachbarländern, ist Agrotourismus Schweiz momentan äusserst populär.» Ein Unterschied zu Agrotourismus im Ausland sei, dass hier der Haupterwerb aus der Landwirtschaft kommen muss und Agrotourismus nur ein Nebenerwerb sei. So könne man in der Schweiz die Landwirtschaft noch hautnah erleben. «Punkto Raumplanung sind wir gegenüber den Nachbarländern aber deutlich im Nachteil», betont Allenspach