Es ist das erklärte Ziel von Sarah und Sebi Anderhub, eine kleine Oase zu schaffen, in der sich Tier und Mensch gleichermassen wohlfühlen. Sie haben den Hof Herrendingen 2018 von Sebis Vater übernommen. Nach den beiden Umstellungsjahren ist er seit Anfang 2020 biozertifiziert. Es handelt sich um alles andere als einen Standardbetrieb: Mit Mutterkühen, Pensionspferden, Hirschen, Ackerbau, einer Eventhalle, Direktvermarktung und Hundezucht ist er stark diversifiziert. Er umfasst 15 Hektaren Nutzfläche und zwei Hektaren Wald.
Bio-Hof Herrendingen
Name: Sarah und Sebi Anderhub
Ort: Eschenbach LU
Produktionsform: Biologischer Anbau
Fläche: 15 ha LN, davon 2 ha Ackerbau (Urdinkel, Kartoffeln, Mais) und 2 ha Wald
Tiere: 27 Stellplätze für Pensionspferde, 12 Galloway-Mutterkühe mit Jungtieren, 15 Damhirsche, Sennenhunde-Zucht
Sonstiges: Eventhalle mit 150 Plätzen
Website: www.hof-herrendingen.ch
Eine Quereinsteigerin im Betrieb
Der Weiler Herrendingen gehört zur Luzerner Gemeinde Eschenbach. Er liegt auf dem Geländerücken zwischen Rain und Waldibrücke mit freier Sicht auf die Rigi und die dahinterliegende Alpenkette. Beim Besuch der BauernZeitung ist Sebi Anderhub draussen beschäftigt. Auskunft gibt seine Frau Sarah. Sie ist Quereinsteigerin und hatte zuvor nichts mit Landwirtschaft zu tun. In Zug aufgewachsen, studierte sie nach der Matura Internationale Wirtschaft in Holland und arbeitete danach bei Schweizer Firmen im Marketingbereich. Als sie einen Pensionsplatz für ihre beiden Pferde suchte, wurde sie in Herrendingen fündig. «So habe ich meinen Mann kennengelernt. Bauern mit Pferdehaltung haben es halt schon einfach», scherzt sie. «Sie müssen nicht einmal in den Ausgang, um Frauen kennenzulernen.»
Mustergültige Pferdehaltung
Die Pferdepension wurde inzwischen stark ausgebaut, von damals 8 auf heute 27 Plätze. Damit ist die Pferdehaltung zum Hauptbetriebszweig geworden. Ursprünglich nahmen sie nur Wallache auf. Aufgrund der Nachfrage haben sie vor kurzem zusätzlich einen separaten Stutenstall gebaut. Als Pferdefachfrau EFZ und mit dem Equigarde-Diplom verfügt Sarah Anderhub über das erforderliche Wissen rund um die Tiere. Ausserdem befasst sie sich mit Kinesiologie und Physiotherapie für Pferde und bildet sich laufend weiter.
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Beide Gruppen werden in Offenställen gehalten, mit grosszügigen Liegeflächen und befestigten Plätzen. Den Wallachen steht zusätzlich ein Paddocktrail, den Stuten ein Wiesentrail zur Verfügung. Der Weidegang erfolgt in Absprache mit den Besitzer(innen). Die Stuten haben Zugang zu einer zeitgesteuerten Raufe, an der die ganze Gruppe das Heu lose fressen kann. Bei den Wallachen sind die mit Netzen bespannten Heuraufen auf dem Trail verteilt und rund um die Uhr zugänglich. Die gesamte Infrastruktur ist darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Pferde als Herden- und Bewegungstiere möglichst optimal abzudecken. Die artgerechte Tierhaltung hat in Herrendingen oberste Priorität.
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Pioniere bei der Hoftötung
So auch bei den Galloway-Mutterkühen. Sie sind genetisch hornlos, weshalb die umstrittene Enthornungsprozedur entfällt. Die rund 12 Kühe plus Jungtiere werden ausschliesslich mit betriebseigenem Gras und Heu gefüttert. Ausserdem ersparen Anderhubs den erst im Alter von zwei bis drei Jahren schlachtreifen Tieren den Transport ins Schlachthaus: Als erster Betrieb im Kanton Luzern hatten sie ein Gesuch für die Hoftötung eingereicht, seit Anfang 2021 gilt die Bewilligung definitiv.
Das Fleisch vermarkten sie nach Möglichkeit alles selbst. Was nicht frisch verkauft wird, kommt als Vorrat in den Tiefkühler. «Begehrt sind vor allem Einzelstücke. Der Absatz von grösseren Mengen en bloc ist schwieriger», erklärt Sarah. «Wir setzen nun vermehrt auch auf Hamburger und Wurstwaren. Die sind gut gefragt.» Die Kundschaft bestehe vor allem aus Leuten, die Fleisch bewusst konsumieren, Qualität anstelle von Quantität bevorzugen und die Betriebsphilosophie teilen.
Hochzeiten in der Remise
Nebst der Pferdepension haben die beiden ebenfalls die Hirsche sowie die Eventhalle von Sebis Vater übernommen, der sich nach wie vor hauptsächlich um die Damhirsche kümmert. Das Rudel besteht noch aus rund 15 Tieren. Die ausgewählten Kälber, vier bis sechs pro Jahr, werden im Gehege geschossen und aufgebrochen, bevor der Schlachtkörper in die Metzgerei geht. Für das Fleisch gibt es einen festen Abnehmerkreis.
Für die Eventhalle in der ehemaligen Remise mussten sie eine nachträgliche Baubewilligung einholen und feste WC-Anlagen im Innenbereich installieren. Ferner haben sie in die Küche und Verarbeitungsräume für die Hofprodukte investiert. Die Halle bietet mit Tischen und Stühlen Platz für 150 Personen. Der Hauptteil der Buchungen entfällt auf Hochzeiten. Die Halle ist nicht jedes Wochenende belegt, «und das ist auch gut so», sagt Sarah. «Es ist mit viel Arbeit verbunden, und die Gäste feiern oft bis früh in den Morgen.» Anderhubs hatten auch schon eigene Anlässe wie einen Kleintier- oder Weihnachtsmarkt organisiert, zurzeit ist dies wegen der Arbeitsbelastung kein Thema.
Teigwaren und Sennenhunde
Beim Ackerbau auf zwei Hektaren gehört Bio-Urdinkel fest zum Programm. Das Getreide lassen sie extern zu Teigwaren verarbeiten. Die Hörnli, Spaghetti und Spiralen nehmen sie fertig verpackt zurück und vermarkten sie selbst. Absatzkanäle sind der Onlineshop, der Selbstbedienungs-Verkaufsstand beim Hof und Anlässe in der Eventhalle. Andere Kulturen wie Mais oder Weizen produzieren sie abhängig von der Marktlage.
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Und schliesslich ist da noch die Schweizer Sennenhunde-Zucht, ein Hobby von Sarah. «Sie sind begehrt und vor allem als Hofhunde sehr geeignet», erklärt sie. Von den insgesamt 48 Welpen wurde bisher nur einer noch nicht verkauft. Sie gingen an Plätze in der ganzen Schweiz und im benachbarten Ausland, einer nach Mallorca. Geplant ist jeweils ein Wurf pro Jahr. «Das Züchten macht Freude, ist aber arbeitsintensiv von der Geburt über die Fütterung bis zur Stubenreinheit. Einmal hatte die Zuchthündin eine Mastitis, als die Welpen eineinhalb Wochen alt waren. Da mussten wir alle sechs von Hand schöppelen.»
Agriviva-Helfer(innen)
Grundsätzlich erledigen Sebi und Sarah Anderhub die anfallenden Arbeiten zu zweit. Seit April dieses Jahres nehmen sie die Hilfe von Agriviva-Praktikantinnen und -Praktikanten in Anspruch. «Das ist für uns eine enorme Entlastung», stellt Sarah fest. Die Erfahrungen mit den jungen Leuten sind vorwiegend positiv, deshalb will sie diese Einsätze weiterführen. «Denn», räumt sie ein, «mit der Arbeitsbelastung stossen wir auf unserem vielseitigen Betrieb oft an unsere Grenzen, obwohl wir so viel wie möglich automatisiert haben. Es ist immer etwas los, nie wirklich Ruhe. Da besteht schon die Gefahr, dass der Körper Stresssignale übersieht.» Und trotzdem: «Wir haben uns beide genau für das entschieden, was wir machen. Und das machen wir sehr gerne. Wir wollen nichts anderes.»
Zum Zeitpunkt des Besuchs der BauernZeitung absolvierte die deutschsprachige Marie Esser aus Etzlingen (F) ihr Praktikum auf dem Betrieb. Sie hat zuvor noch nie auf einem Bauernhof gearbeitet. «Es gefällt mir sehr gut hier», antwortet sie auf die entsprechende Frage. «Ich schaue zu den Hühnern, lasse sie morgens raus und treibe sie abends rein. Dann miste ich bei den Pferden. Dazu kommen alle möglichen weiteren Arbeiten, wie Blacken schneiden, im Haushalt helfen oder Obst auflesen. Ursprünglich suchten meine Mutter und ich einen französischsprachigen Betrieb, um meine Sprachkenntnisse aufzufrischen. Wir haben keinen gefunden. Ich wollte unbedingt etwas mit Pferden machen, weil ich selber reite. So sind wir auf diesen Hof gestossen. Und das war eine sehr gute Wahl.»