Rote Punkte auf grünen Blättern: Die ersten Marienkäfer der Saison haben in den Kräutergarten von Martina Rocco im appenzellischen Wald gefunden. Da und dort liegt noch etwa Schnee, doch der Frühling ist auch auf rund 960 m ü. M. spürbar im Kommen.
Alles von Hand gemacht
Über 80 Pflanzen auf 15 Aren umfasst der Garten. Arnika, Ringelblume, Johanniskraut, Rotklee, Rosen, Lavendel, Hopfen, Königskerze und Kugeldistel, um einige wenige davon zu nennen. Ein kleines Reich an Biodiversität: «Seit wir den Garten vor zweieinhalb Jahren angelegt haben, sind hier immer mehr Schmetterlings- und Vogelarten anzutreffen», stellt Martina Rocco fest, die das traditionelle Heimetli vor zweieinhalb Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann erworben hat. Der Garten ist ihr Reich. Sie sät, pflegt, erntet die Pflanzen und macht daraus eigenhändig Naturkosmetik. Dazu stellt die Appenzellerin zunächst aus Kraut oder Blüte ein Mazerat (Ölauszug) oder eine Tinktur (alkoholischer Auszug) her.
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Diese verarbeitet sie in ihrem eigens dafür eingerichteten Atelier zu Produkten wie Salben, Shampoos, Deodorants, Bodylotions oder Badezusätze. Ein Teil der Ernte trocknet sie, damit auch im Winter pflanzliche Rohstoffe zur Verfügung stehen. Am herausforderndsten sei es mit den Ölen, so Rocco. Diese sollten eine Weile lang Extrakte aus der Pflanze ziehen, dürften dabei aber nicht ranzig werden. Als Grundlage dafür verwendet sie Olivenöl oder andere hochwertige (Speise-)Öle.
Zu Beginn ging sie an Koffermärkte
Erste Erfahrungen mit Kräuterheilkunde konnte Martina Rocco, die ursprünglich aus Kärnten kommt, bereits als Kind bei ihrer Grossmutter sammeln. Doch erst viel später nahm das Thema in ihren Leben Gestalt an: Vor rund zehn Jahren, längst in der Schweiz lebend, mietete sie in Stein AR ein Bauernhaus. Dabei erhielt Rocco die Gelegenheit, den dazu gehörenden Garten zu nutzen. Zunächst bekam sie von der vorherigen Bewohnerin einige Kenntnisse vermittelt. Nun hatte sie der Wissensdurst gepackt. Die gelernte Hotelfachfrau, die viele Jahre als Marketingleiterin in der Sportbekleidungsbranche tätig war, besuchte Kurse bei der Naturheilmittelfirma A. Vogel in Teufen und absolvierte die Kräuterakademie in Sennwald. Sie begann mit ersten eigenen Salben zu experimentieren, verschenkte diese im Bekanntenkreis und ging eines Tages damit an einen Koffermarkt nach Luzern.
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Die Düfte lockten die Kundschaft an
Ein solcher Anlass bietet Produzent(innen) handgemachter Produkte die Gelegenheit, eine überschaubare Menge ihrer Erzeugnisse (aus dem Koffer) zu verkaufen. «Ich hatte einen Standplatz im hintersten Winkel, trotzdem war mein Angebot bald ausverkauft», erzählt Rocco lachend. Ihr Vorteil war, dass die Düfte der Pflegeprodukte die Käuferschaft angelockt hatten. Es folgten zunächst weitere Koffermärkte, mit der Zeit zog die steigende Nachfrage eine Erweiterung von Produktion und Sortiment nach sich. Heute bietet Rocco über 70 verschiedene Produkte an, die sie hauptsächlich über ihren Onlineshop sowie über regionale Landi-Filialen, Therapeuten sowie Gesundheitsinstitutionen vermarktet.
Manche Pflanze sind vor allem als Unkraut bekannt
Martina Rocco nutzt auch Pflanzen, die in der Landwirtschaft vor allem als Unkraut gelten: Aus der Blacke etwa stellt sie eine Salbe her, die unter anderem bei Sonnenbrand hilft. Und Brennnessel bildet die Grundlage für ein Shampoo gegen Schuppen. Die Kräuterkundige weist auf weitere Pflanzen hin, die häufig unterschätzt werden. So die Gundelrebe, welche über eine verdauungsfördernde Wirkung verfügt und zudem bei der Pflege von unreiner Haut zum Einsatz kommt. Oder der Rotklee, welcher den Hormonhaushalt begünstigen kann, beispielsweise als Inhaltsstoff einer Gesichtscreme.
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Auch aus China kam ein Praktikant
Martina Rocco tüftelt gerne und entwickelt laufend neue Anwendungen. Da die Kräutererzeugnisse dem Lebensmittelgesetz unterliegen, muss sie jedes einzelne Produkt zertifizieren lassen, selbst wenn nur der Duft variiert. Zudem hat sie ihren Betrieb, den sie inzwischen hauptberuflich führt, vor fünf Jahren auf Bio umgestellt. Die Pflege des Gartens, etwa Jäten und Ernten, beansprucht viel Zeit. Unterstützung erhält Rocco von einer interessierten Bäuerin aus dem Dorf, die sie im Stundenlohn anstellt.
Vor einem Jahr begann die kontaktfreudige Unternehmerin zudem, Praktika von rund zwei Monaten anzubieten. Bereits hatte sie nacheinander vier Praktikant(innen), die bei ihr lebten und arbeiteten, darunter eine Australierin sowie ein Student aus China. «Es geht mir nicht nur darum, sie als Arbeitskräfte zu nutzen. Mir macht es Freude, altes Wissen weiterzugeben», sagt Rocco. Aus diesem Grund bietet sie auch regelmässig Kräuterwanderungen und Kurse zur Herstellung von Kräuterkosmetik an. Zudem öffnet sie ihren Garten für Interessierte.
