Ganz unterschiedliche Bildbände stehen an den Kachelofen gelehnt im über 400-jährigen Riegelhaus der Familie Neuhaus im thurgauischen Hugelshofen: Von «Ägypten» über «Gottes besondere Häuser» bis zu «Ueli», über die gleichnamigen Gotthelf-Verfilmungen. «Ich bin ein Bücherwurm», sagt Robert Neuhaus. Über 800 Bücher, so schätzt er, stehen verteilt im ganzen Haus. Jetzt ist der Alt-Bauer selbst Herausgeber eines Buches.

«Vom Berner Haus ins Thurgauer Haus», heisst der reichbebilderte Band. «Das Buch war mir eine Herzensangelegenheit», sagt der 67-Jährige. «Wir sassen über ein Jahr dran.» Er selbst übernahm die Organisation, die Auswahl der Bauernfamilien und die Anfragen. Er kümmerte sich auch um die Sponsorensuche und nun um den Verkauf. Geschrieben hat das Buch Werner Lenzin, ein früherer Berufsschullehrer von Robert Neuhaus.[IMG 3]

Inspiration aus der Familie

Die Idee hinter dem Buch ist in der Geschichte der Familie Neuhaus zu finden: Die Eltern von Robert Neuhaus wanderten im Jahr 1950 aus dem bernischen Teuffenthal in den Thurgau aus. Zu Ehren seiner Eltern war Robert Neuhaus im September 2020 mit seinem Bührer Spezial, Baujahr 1957, die ganze Strecke von Hugelshofen bis Teuffenthal gefahren, hin und retour rund 450 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von rund 20 km/h. «Ich musste gut aufpassen, dass ich grössere Orte mied und nirgends auf die Autobahn geriet», erinnert er sich lächelnd.

Die Eltern von Robert Neuhaus waren nicht die einzigen Berner, die es in den Thurgau zog. Bereits um 1900 kamen viele junge Bauernfamilien aus dem Bernbiet in den Osten der Schweiz. Grund dafür war das damalige Berner Erbrecht. Es sah vor, dass jeweils der jüngste Sohn den Landwirtschaftsbetrieb übernahm. So konnten die Väter möglichst lange selbst auf dem Betrieb wirtschaften. Die älteren Söhne mussten durch diese Reglung aber oft als Knechte auf anderen Höfen arbeiten.

Im Thurgau dagegen wurde ein Hof unter den erbberechtigten Söhnen aufgeteilt. Die Betriebe schrumpften dadurch von Generation zu Generation.

Es sprach sich bald im Bernbiet herum, dass man im Thurgau Landwirtschaftsbetriebe in guten Lagen erwerben konnte, etwa auf dem Seerücken und im Hinterthurgau. Teils waren die Höfe heruntergewirtschaftet, die Häuser baufällig.

Berner Überzahl

Die Berner kamen, und das nicht zu knapp. Mitte des letzten Jahrhunderts gab es im Seerückengebiet Schulklassen, in denen nur drei Thurgauer sassen, alles andere waren «Eingewanderte». Mit dem Aufkommen der Milchwirtschaft wanderten später auch viele Berner Käser in den Thurgau ein.

Für das Buch besuchten Werner Lenzin und Robert Neuhaus rund 20 dieser ursprünglich eingewanderten Bauern- und Käserfamilien. «Ich war verblüfft, wie viele Geschichten von damals noch in den Familien präsent sind», sagt Werner Lenzin. In so manchen Familien sprachen die beiden mit über 90-jährigen Witwen.

Blick in die Vergangenheit

Sie erzählten ihnen von zum Teil sehr kinderreichen Familien. Von kaum zumutbaren Wohnsituationen und schwerer Arbeit, um die heruntergekommen Häuser und Höfe wieder bewohnbar und ertragreich zu machen.

Von Zeiten, als zum Zmorge selbstverständlich Rösti-Platten auf den Tisch kamen und alle mit dem Löffel zulangten. Von Zügleten, bei denen die Kinder aus Platzmangel unter dem Tisch liegend auf der Lade-rampe mittransportiert wurden. Von Haushalten mit nur 50 Rappen Geld. Von strengen Schwiegereltern, mit denen man auf engstem Raum wohnte, aber auch von unbekümmerten Singstunden und Grossherzigkeit.

Von Küchen, in denen der Herd so schief auf dem morschen Boden stand, dass das Öl aus der Pfanne zu laufen drohte. Von Kindern, die in der Schule Thurgauer Dialekt sprachen und daheim Berndeutsch.

Das Berndeutsch blieb

Robert Neuhaus' Thurgauer Mundart ist noch heute mit Berndeutschen Worten durchsetzt. «In der Schule wurden wir damals manchmal wegen unseres Dialekts gehänselt», erinnert er sich. Doch er ist längst heimisch in Hugelshofen, dem Dorf mit seinen gepflegten alten Riegelhäusern und Mühlen, dem Kirchdach mit den farbigen Ziegeln und dem ältesten Birnbaum der Schweiz. Den Familienbetrieb führen inzwischen Sohn Lukas und dessen Frau Rahel in dritter Generation.

Das Buch ziehe weite Kreise. «Mich kontaktierte plötzlich ein Coucousin, den ich vor 50 Jahren zuletzt gesehen habe. Und wir bekamen sogar aus Genf und dem Elsass Reaktionen. Solch eine Resonanz macht Freude.»

Buchtipp

[IMG 2]Werner Lenzin

Vom Berner Haus insThurgauer Haus

176 Seiten mit vielen Bildern

Das Buch kann für 38 Franken bestellt werden bei:

Robert Neuhaus
Schulstrasse 2
8565 Hugelshofen
Tel. 071 699 11 40
E-Mail: neuhaus.hugelshofen(at)bluewin.ch
Oder über www.berner-im-thurgau.ch