Der Übergang vom aktiven Arbeitsleben in den Ruhestand ist für viele Landwirte und Landwirtinnen ein einschneidendes Ereignis. Kein Wecker klingelt mehr, keine Termine, keine Aufträge, keine Pflichten. Der Druck ist weg – vorausgesetzt, die Gesundheit spielt mit. Eigentlich sind sie dann noch aktive «Ruheständler». Das ist auch bei Alt-Landwirt Ueli Schüpbach und bei seiner Frau Therese aus Freimettigen so. Den Hof haben Schüpbachs zwar an ihren Sohn verkauft – nicht aber ihr Pflichtbewusstsein.

Obwohl Schüpbachs nicht mehr selbst bauern, bleibt das Interesse an der Landwirtschaft weiterhin gross. So gross, dass Ueli Schüpbach sich nicht scheut, Papier und Bleistift hervorzunehmen, um seine Meinung auf Papier zu bringen, wenn wieder einmal die Landwirtschaft angegriffen wird oder er die Dinge anders sieht als manch aktiver Bauer oder aktive Bäuerin. Unter anderem hat auch die Bauernzeitung Post von ihm erhalten. Der Landwirt, der die BauernZeitung jede Woche akribisch liest, macht sich jeweils viele Gedanken über die verschiedenen Artikel.

200 Kühe auf der Farm

Ueli Schüpbach hat das Bauern im Blut. Schon als 19-Jähriger war er voller Tatendrang. «1970 reiste ich nach Kanada, arbeitete ein Jahr lang auf einem Holsteinzuchtbetrieb in Québec», erzählt Schüpbach. 200 Kühe habe die Farm gehabt, 60 davon wurden in einem Anbindestall gehalten. «Es war fantastisch, wir haben mit Hängeimern gemolken, einige Kühe gaben damals schon 50 kg Milch am Tag», erinnert er sich. Es sei ein «Vorzeigebetrieb» gewesen, mit vielen Besuchern. «Doch ganz so ein Vorzeigebetrieb war es dann doch nicht, jeden Tag wurden irgendeiner Kuh Antibiotika verabreicht», weiss er noch.

Zurück in der Schweiz, führte Ueli Schüpbach den Heimbetrieb, zuerst zusammen mit seinen Eltern und mit dem Onkel, dann lernte er seine Frau Therese kennen. Dreissig Jahre lang hat das heutige Rentnerehepaar den Betrieb gemeinsam geführt. Sie hatten es nicht immer leicht, mussten sich als junges Paar gegen Eltern und Onkel durchzusetzen. Sie hatten Pläne, wussten, was sie wollten und was nicht.

«Eine Bäuerin, die auswärts arbeitet, kam früher nicht gut an.»

Therese Schüpbach spricht über ihre Erfahrungen

Ganz viel Glück

Schüpbachs hatten einen Betrieb mit 12 Hektaren, im Stall standen 15 Kühe, 40 Mastschweine, und sie bauten Getreide und Kartoffeln an. «Wir hatten gute Jahre; vor allem in den 1970er- und 1980er-Jahren verdiente man noch Geld mit den Produkten», sagt Ueli Schüpbach. Für das Getreide bekam man noch gut 100 Franken pro 100 kg, die Milch war über einen Franken pro Liter wert und auch die Kartoffeln waren ein gutes Geschäft.

«Dass es uns heute gut geht, liegt nicht nur an uns. In den vielen Jahren sind wir von schweren Krankheiten, Schicksalsschlägen auf dem Betrieb und in der Familie verschont geblieben», hält Therese Schüpbach fest. «Wir hatten einfach ganz viel Glück.» Glück auch, dass es mit ihrem Betrieb so gut weiterläuft – was will man mehr? «Dafür sind wir sehr dankbar und es ist ein kostbares Geschenk für uns», sagen beide und schauen sich dabei nickend an.

Dass Therese Schüpbach als ausgebildete Haushaltungslehrerin ihrem Beruf immer in einem Teilpensum nachging, brachte ihr damals nicht nur Sympathien ein. Eine Bäuerin, die auswärts arbeitet, ob das nötig sei, wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt. «Was heute gang und gäbe ist, war vor 40 Jahren noch recht ungewohnt», hält sie rückblickend fest. «Ich habe meine Frau in dieser Angelegenheit immer unterstützt. Denn es war nicht nur für unsere Beziehung eine Bereicherung, sondern ihr Einkommen war auch für den Betrieb sehr wertvoll», sagt Ueli Schüpbach. «Es störte mich nicht, dass wir zum Beispiel den ersten Ladewagen auch mit ‹meinem› Geld mitfinanziert haben», sagt sie und lacht dabei. Auf dem Betrieb gab es zwei private Konten, aber nur ein gemeinsames Einkommen. «Die soziale Absicherung ist auch in der Landwirtschaft ein grosses Thema, das sehen wir jetzt auch bei uns, wenn wir älter sind», so das Rentnerpaar. Deshalb rät es den jungen Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern, schon in jungen Jahren die Augen offenzuhalten und vorzusorgen.

Die Preise stiegen an

Angeschafft wurde auf dem Betrieb Schüpbach nur dann etwas, wenn man es sich auch leisten konnte. «Das war früher halt so», sagt der Rentner. Noch weit in die 1980er-Jahre hinein habe man die Kartoffeln bei ihnen mit einem Schüttelgraber gegraben und danach von Hand aufgelesen. Dadurch gabs weniger Ernteschäden als mit dem Samro. Auch im Stall arbeitete man mit dem, was man hatte. «Wir haben zum Beispiel nie eine Kuh zugekauft», hält Ueli Schüpbach fest. Damals habe man auch noch ohne Direktzahlungen gelebt. «Wir erhielten zwar auch schon Ausmerz- und Hangbeiträge», räumt der Alt-Bauer ein.

Die Preise für Milch und Getreide stiegen bis in die 1980er-Jahre kontinuierlich leicht an. Die Viehpreise schwankten jedoch beträchtlich, zum Beispiel beim Auftreten des Rinderwahnsinns in den 1990er-Jahren, da sackten sie ins Bodenlose. «Obwohl es noch nicht Pflicht war, haben wir damals schon eine Buchhaltung geführt. Wir wollten wissen, wo das Geld hinfliesst und bei welchen Betriebszweigen wir etwas verdienen und wo nicht», wissen sie noch.

Darum ist Ueli Schüpbach auch Neuem und Veränderungen offen gegenübergestanden. «Auch wir mussten uns bewegen – heute sicher noch viel mehr als früher – sonst verliert man einfach viel Geld», hält er nachdenklich fest. Was nütze es, sich über neue Vorschriften und Gegebenheiten aufzuregen, statt das Maximum herauszuholen? «Klar, rege ich mich auch auf, wenn ich heute sehe, dass Ökologie besser bezahlt wird als die Produktion», sagt er. Schüpbach weiss, dass die Einkommenssituation der Bauern nicht zum Besten steht und immer wieder vom Bauernverband thematisiert wird. «Ich finde es wichtig, dass man die Problematik aufzeigt, doch die Jahrespressekonferenz des Schweizer Bauernverbandes anfangs Januar, wo ein Betrieb seine Zahlen offenlegte, ist völlig aus dem Ruder gelaufen», beobachtete er. Für viele Nichtbauern seien die Zahlen des Betriebs unverständlich gewesen und hätten mehr Fragen aufgeworfen, als Antworten geliefert.

Darüber redet niemand

Dies beobachtet Ueli Schüpbach auch bei anderen Zeitungsartikeln: «Zurzeit lese ich viel über die 100 000er-Kühe. Einige erreichen diesen Meilenstein schon in sieben Laktationen», hält er fest und fängt sofort an zu rechnen: «100 000 kg Milch in sieben Jahren ergibt 14 000 kg Milch pro Jahr, x 70 Rp., macht Fr. 10 000.-- Milchgeld pro Kuh und Jahr. Rechnet man das noch mal 30 Kühe im Stall, ergibt das stolze 300 000 Franken Milchgeld. Dazu kommen noch die restlichen Erträge aus Stall und Acker plus die Direktzahlungen», so Schüpbach. Natürlich entspreche das nicht der Wahrheit, doch so werde es von der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung interpretiert und falsch verstanden. Vom Aufwand und den Vorschriften rund um Tierwohl und den Gewässerschutz redet niemand. «Und dann kommt der Bauernverband mit seinen 17 Franken Stundenlohn. Da fragt sich mancher Handwerker mit 6000 Franken Monatslohn, wie er über die Runden kommen soll, mit zwei Kindern und einer Wohnungsmiete gegen 2000 Franken.»

«Es wird von der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung falsch verstanden.»

Ueli Schüpbach über die weissen Medien

Grosses Unverständnis

Ueli und Therese Schüpbach wissen, dass es vielen Bauernfamilien nicht gut geht, sei es finanziell, wegen der Arbeitsbelastung oder wegen des Generationenwechsels. «Etwas auf dem Betrieb zu ändern oder selbst Hilfe zu holen, ist kein Delikt, sondern notwendig», sagen sie bestimmt. Von aussen nehme man die Landwirtschaft halt oft anders wahr, als sie ist: «Die vielen Abstimmungen beweisen es», beobachten sie. «Bis jetzt sind wir immer noch mit einem blauen Auge davongekommen, doch es könnte auch einmal kippen», befürchtet Schüpbach. «Niemand ist gegen die Direktzahlungen. Die sind auch gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass die wichtigsten Produzentenpreise tiefer sind als noch vor 25 Jahren. Doch wenn diese 150 000 Franken pro Betrieb übersteigen, löst das beim Konsumenten und nicht zuletzt auch beim Handwerker ein gewisses Unverständnis aus», ist der pensionierte Landwirt überzeugt.

Man müsste vielleicht doch den Mut haben, hier in Zukunft eine Anpassung ins Auge zu fassen. «Für die junge Generation wünschen wir uns, dass in Zukunft vom Konsumentenfranken ein gerechter Teil beim Bauer ankommt. Gleichzeitig wünschen wir uns auch, dass die Bürokratie reduziert und vereinfacht wird», sagen Schüpbachs abschliessend.