«Altweibersommer» hören und lesen wir in dieser Jahreszeit oft. Doch halt: Darf man/frau das heute noch sagen? Oder muss es neuerdings, wie schon 2015 von Pinterest, der Online-Pinnwand für Grafiken und Fotografien, scherzhaft vorgeschlagen «Femininer Naturzustand ohne Menstruationshintergrund» heissen? Die Entwarnung lese ich auf der Website von SRF. Dort erklärte der Meteorologe Gaudenz Flury im Oktober 2022: «Das sonnige Wetter taugt nicht für eine Genderdebatte. Das Wichtigste zuerst: Der Begriff Altweibersommer kommt aus dem altdeutschen Wort weiben/weben. Alt bedeutet hier spät. Es handelt sich also um den Spätsommer und hat nichts mit «alten Weibern» zu tun.» Wieder einmal davon gekommen bei der Diskussion um die geschlechtergerechte Sprache, denke ich erleichtert.

Der Herbst ist ein zweiter Frühling

Viel lieber fantasiere ich über die zweite bunte Jahreszeit. Schliesslich sagte der französische Schriftsteller Albert Camus (1913–1960): «L’automne est un second printemps où toutes les feuilles sont des fleurs.» (Der Herbst ist ein zweiter Frühling, wo alle Blätter zu Blumen werden.) Der Philosoph und Literaturnobelpreisträger (1957) hatte sich auch zum Sommer geäussert: «Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.» Wir profitieren hier von vier Jahreszeiten.

Dieser Umstand wurde mir richtig bewusst, als ich ein paar Jahre in Australien lebte. Langweilig kam mir das Wetter anfangs vor. Wenn wir Ausflüge und Feste planten, gab es nur ein Programm. Um ein Schlechtwetterprogramm brauchten wir uns nicht zu kümmern. Als ich davor in England gelebt hatte, sprach man davon, der Schöpfer habe das Wetter geschaffen, damit sich die Engländer in alle Ewigkeit etwas zu erzählen hätten. Es war dann beruhigend, zu erfahren, dass die Australier auch in Gegenden, wo eintöniges Wetter herrschte, miteinander redeten.

Vom ewigen Frühling träumen

Zurück zu den abwechslungsreichen Jahreszeiten hierzulande: ein riesiges Gesprächsthema – das weiter zunimmt. Die Leute reisen und erfahren, wie das Wetter sich in anderen Erdteilen verhält. Sie müssen in ihren Ferien uns (noch) unbekannte Klimavorkommnisse, ja gar Wetterkatastrophen ertragen. Daheim träumen sie vom ewigen Frühling, den sie erlebten, von hohen Temperaturen, die ihnen zusagten, und von der exotischen Pflanzen- und Blumenpracht.

Ich finde, dass wir hier nicht schlecht dran sind mit der Auswahl von vier Saisons. Es sollte für jedes Lebewesen etwas Passendes dabeihaben. Die Natur beschert uns ein abwechslungsreiches Jahr mit dem Erwachen der Natur, mit den warmen Tagen, die länger dauern als die Nächte, mit dem Steigen der Drachen in den mystischen Wolkenhimmel und schliesslich mit den weis­sen ruhenden Landschaften.

Am Anfang schrieb ich, das Wort «Altweibersommer» komme von weben/weiben. Damit sind nicht webende Frauen gemeint, sondern, wie es bei Wikipedia steht, Baldachinspinnen, die im Herbst an Fäden durch die Luft segeln und ihre Spinnfäden auf Althochdeutsch ausgedrückt «weiben».