Normalerweise wären die Regionalausgaben der BauernZeitung dieser Woche gefüllt mit Bildern und Namen junger Menschen. Einige sind drin, aber längst nicht so viele, wie in den vergangenen Jahren. Absolventinnen und Absolventen verschiedener landwirtschaftlich geprägter Ausbildungsgänge würden strahlend und feierlich gekleidet Richtung Kamera blicken. Normalerweise. Was ist seit März 2020 noch normal? Was ist geblieben vom alten Leben, das wir alle führten, bevor Covid-19 uns von heute auf morgen einen neuen Alltag aufzwang? Noch vor einem haben Jahr hielten wir uns, ganz im Gegensatz zu heute, völlig unbeschwert im öffentlichen Raum auf. Eine grössere Menschenansammlung war ganz einfach normal und ein überfüllter Zug war zwar mühsam, aber zu Stosszeiten alles andere als die Ausnahme. Heute versuchen wir vor dem Betreten eines Geschäfts zu eruieren, wie viele Personen bereits im Raum stehen und lesen auf dem Hinweis an der Türe, wie viele es denn wirklich sein dürften. Seit diesem Montag tragen wir im Bus, im Zug und im Tram Maske. Und ebenso auf dem Schiff, das wir vielleicht in den bevorstehenden Wochen als Ferienziel mit den Kindern anpeilen. Fragt man in die Runde, hört es sich ziemlich einhellig an: Es ist der Anfang der zweiten Welle, die da auf uns zurollt und wir können froh sein, wenn es beim Maskentragen bleibt und nicht weitere Einschränkungen folgen.

Geburtstagsfest mit Desinfektionsmittel

Unser ältester Sohn hat letzte Woche seinen 18. Geburtstag gefeiert. Er hat eine kleine Feier organisiert; zwischen Smirnoff, Cola, Bier und Energydrinks stand eine Flasche Desinfektionsmittel. Das hat bislang ganz bestimmt nicht zu einem Geburtstagfest eines jungen Erwachsenen gehört. Ebensowenig die Maske, welche die Jugendlichen neuerdings auf dem Weg zur Lehrstelle tragen.

Ausgelassenheit geht gerade nicht

Ich versuche, mich zu erinnern, was ich im zarten Alter von 18 Jahren tat. Ich war nicht reisefreudig. Wäre ich es gewesen, hätte ich, wie meine Freundinnen, einen Trip nach Übersee geplant. Ob mit oder ohne Reiseziele, wir lebten weitgehend unbeschwert, waren viel unterwegs, feierten unseren Geburtstag und unseren Abschluss. Und man gratulierte uns, indem man uns die Hand entgegenstreckte. Auf dem gemeinsamen Abschlussbild rückten wir ganz nahe zusammen. Wir hatten keine Berührungsängste. Die jungen Menschen von heute hätten das eigentlich auch nicht. Es ist nicht die Angst, es ist die Vorschrift, die sie an der Ausgelassenheit hindert.

Schwierig vor und nach dem Abschluss

Schule fand diesen Frühling während mehrerer Wochen zu Hause statt. Prüfungen wurden abgesagt, verschoben oder umorganisiert. Das Pflegen von Freundschaften verlagerte sich weitgehend auf einen Bildschirm. Und lernen mussten die jungen Menschen alleine. Schnuppern war vielleicht noch auf einem Bauernhof möglich, aber da nicht alle Kinder Bauer werden, mussten sie sich überlegen, wie sie herausfinden wollten, welchen Beruf sie denn erlernen möchten. «Es tut uns leid, aber …», war die Antwort, welche man den jungen Menschen auf der Suche nach ihrem Beruf im letzten Quartal meist gab. Auch die Stellensuche nach einer abgeschlossenen Ausbildung erweist sich alles andere als einfach. Wohin zieht es denn einen Absolventen oder eine Absolventin, wenn die Türen geschlossen sind und viele Betriebe darum bangen, überhaupt Löhne auszahlen zu können?

Keine Feiern, keine Bilder

Die landwirtschaftliche Bevölkerung ist hier sicherlich in einer privilegierten Lage. Ihr ging weder die Arbeit noch die Nachfrage aus. Auch der Arbeitsplatz blieb meist von Einschränkungen verschont. Und dennoch sind auch hier Menschen betroffen.

Der Agrarkanton Bern verabschiedet diesen Monat einen grossen Jahrgang an Berufsnachfolgern. Ohne Feiern und ohne Bilder. Die Zeugnisse werden per Post nach Hause geliefert. Im Zusammenhang mit diesen Abschlüssen geben die Schulen ihr Bestes. Sie versuchen, so feierlich wie möglich und so ausgiebig wie überhaupt erlaubt, diese Abschlüsse zu zelebrieren. Mehr geht nicht.

Gratulieren in der Form, die heute möglich ist

Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt. Wir wissen nicht, ob und wann eine Abschlussfeier, ein Geburtstag, eine Hochzeit oder auch eine Beerdigung wieder im uns bisher vertrauten Rahmen stattfinden kann. Wir können unseren Kindern auch keine Antwort auf die Frage geben, wie lange es noch dauern wird bis … Ja, bis was? Es ist an der Zeit, sich mit der veränderten Welt anzufreunden. Was wir tun können, ist, die junge Generation zu fragen, was diese neue Situation mit ihr macht. Wir können den Absolventen gratulieren, per Nachricht, am Telefon oder in der Zeitung. Wir können den Stellensuchenden Mut machen und ihnen Ideen geben. Wir können den Kindern, die den Anschluss in der Schule nach dem Lockdown etwas verpasst haben, Verständnis entgegenbringen. Wir können das tun, was eigentlich auch schon vor Corona wichtig war. Da sein für die nächste Generation und ihr Freude und Wertschätzung mit auf den Weg geben. Und ich fange gleich damit an: Herzliche Gratulation zum Abschluss!