Als 46-Jährige ohne gefährliche Vorerkrankungen kann ich dem Coronavirus einigermassen cool entgegentreten: Bei einer Erkrankung ist meine Überlebenschance gross. Wenn es jemand in meinem Alter bekommt, sind es gemäss Statistik vom Bundesamt für Gesundheit eher Männer.

Ein ungewöhnlicher Anruf alarmiert

Trotzdem ist es so eine Sache mit der Coolness. Letzte Woche zeigte mein Handydisplay fünfmal einen Anruf meines 77-jährigen Vaters an. In der Regel ruft mein Vater nie an, ausser es ist ein Notfall oder er braucht dringend Hilfe auf dem Hof. Da das Land seit Längerem verpachtet ist, kam eigentlich nur noch Ersteres in Frage. Sind meine Eltern etwa krank? – Beim Rückruf dann die Entwarnung. «Irgendetwas» hat sich auf Vaters Handy verstellt und deshalb «wählt es einfach so» meine Nummer.

Ein anderer Geburtstag als üblich

Eigentlich etwas zum Schmunzeln, in Zeiten von Corona eher nicht. Diesen Mittwoch hatte meine Mutter Geburtstag. Meist kriegt sie da Besuch von Freunden und Nachbarinnen sowie der Familie. Mein Vater führt sie in ein Restaurant aus, damit sie am Geburtstag nicht kochen muss. Das alles bereitet ihr Freude. Doch bereits letzten Freitag entschied ich mich, dass ich dieses Jahr am Geburtstag nicht zu ihr fahre.

Der Grossvater kocht erstmals selbst 

Etwas unentspannt, meine Reaktion? Nein, es ist aus Rücksicht auf sie. Meine Mutter gehört nämlich zur Risikogruppe. Ab 70 Jahren stirbt eine von zwölf erkrankten Personen. Mein Vater hat in der Corona-Zeit übrigens eine kreative Alternative für den Restaurantbesuch bereit gehabt. Er kochte zum ersten Mal ein Geburtstagsmenü für seine Frau. Spaghetti mit Steak.

Die Elternliebe

Ich mag meine Eltern, und ich mache mir zurzeit echt Sorgen um sie. Bis jetzt sorgten wahrscheinlich eher sie sich um mich. Sie hofften, dass aus mir etwas Rechtes wird oder dass ich einen anständigen Kerl abbekomme. Wer kennt das nicht, die Alten, die immer alles besser wissen wollen und aus vermeintlicher Elternliebe und Lebenserfahrung, einem manchmal echt das Leben schwer machen? Entweder man geht auf Konfrontation oder man ist tolerant.

Jetzt Corona-milde sein

Gerade jetzt, denke ich, sollte man etwas nachsichtiger sein. Corona-milde sozusagen. Das haben viele bereits kapiert. Nie war die Solidarität alten Menschen gegenüber so gross wie im Moment. Selbst solche, die sich im ersten Moment von ihren Eltern vor den Kopf gestossen fühlten, weil diese ihre Enkel nicht mehr hüten wollten.

Andere Stimmung auf dem Lande

Ebenfalls angerufen hat mich mein Bruder. Er wollte wissen, wie es mir geht. Das hat mich sehr gefreut. Sonst geht es in unseren Gesprächen eher darum, wann und wo ich meine Nichte oder meinen Neffen abhole und wieder zurückbringe. Mein Bruder arbeitet in Winterthur ZH und lebt im Dorf mit meinen Eltern. Dort sei es zurzeit viel entspannter als in der Stadt meinte er. Die Kinder lässt man draussen zusammen spielen. Man vertraut sich in der Nachbarschaft.

Man könnte überheblich werden

Ebenfalls entspannter sei die Einkaufssituation. Ist der grosse Coop-Supermarkt in der Nähe seiner Arbeitsstelle total geplündert, sind die Gestelle im Dorf noch voll und der Weg zum nächsten Hofladen oder dem eigenen Garten ist ebenfalls nicht weit.Tja und an diesem Punkt könnte man jetzt als bäuerliche Bevölkerung überheblich und zynisch werden. Jetzt könnte man es denen, die vielleicht bald einmal nicht mehr aus ihren engen Wohnungen raus dürfen, mal so richtig zeigen. Denen, die uns mit ihren Vorschriften und geplanten Initiativen das Leben schwer machen.

Es gibt ein Leben nach Corona

Hat jemand in den letzten Tagen die Worte «Trinkwasser» oder «Tierwohl» gelesen? Die können froh sei, wenn sie überhaupt noch etwas zu essen kriegen! Laut Aussage des Schweizer Viehhändlerverbands wird bereits mehr Schweizer Fleisch in der Grenzregion bestellt. Fertig lustig mit Einkaufen in Deutschland! Ein solches Verhalten ist falsch. Es wird ein Leben nach dem Coronavirus geben. Dann wird es sehr wahrscheinlich wieder im gewohnten Sinn weitergehen. Der Schweizer Bauernverband weiss das und hat deshalb trotz allem am Dienstag seine Kampagne zu den anstehenden Initiativen gestartet.

Informieren und positiv auftreten

Dort soll gezeigt werden, wie sich die Landwirtschaft verändert hat. Aber nicht nur die Kampagne kann das zeigen. Alle Bäuerinnen und Landwirte, die in ihren Hofläden Kontakt zu Konsumentinnen und Konsumenten haben, können informieren und mit einem positiven Auftritt in der jetzigen Situation dazu beitragen. Nutzen wir die Krise als Chance. Klären wir auf und leisten wir unseren Beitrag. Und vor allem: Bleiben wir gesund!