Mit dem aktuellen Mangel an Arbeitskräften wird er wieder lauter, der Ruf nach Arbeitslosen, Asylbewerbern oder Grünen, die doch mal schauen sollen, wie es so ist, auf den Feldern zu arbeiten. Grundsätzlich vorneweg, es tut sicher jedem gut, wenn er sieht, wo seine Nahrung herkommt und wie sie produziert wird. Aber es würde auch den Landwirten guttun, zu erkennen, welch wertvolle und schöne Arbeit sie verrichten und dass es für eine Branche nicht förderlich ist, die eigene Arbeit als geeignete Strafe für die nicht-bäuerliche Bevölkerung wahrzunehmen.
Mag man «seinen» Landwirten?
Denn statt einer wohlwollenden Einladung auf den Bauernhof, kommen die Aufrufe einiger Landwirte fast einer Drohung gleich. In ihrem Visier sind gerne diejenigen, welche sich links von der Landwirtschaft positionieren und ihre Meinung kundtun. Was erstens nicht verboten ist und zweitens eine Angelegenheit ist, bei der man sich vermutlich besser im Dialog begegnen würde. Etwas, das ein anderer Teil der Landwirtschaft sehr gut verstanden und genutzt hat ist es, sich am Kundenbedürfnis zu orientieren. Denn all diese Menschen sind am Ende des Tages eben auch Konsumenten, die im Laden entscheiden, ob sie ein Schweizer Produkt kaufen oder nicht. Und das hängt sehr stark davon ob ab, man «seinen» Landwirten mag oder eben weniger.
Es gäbe viele gute Argumente
Es ist sicher nicht so, dass sich die Landwirte und ihre Familien alles gefallen lassen müssen. Die Branche zeigt gerade jetzt in der Krise ihre grosse Genügsamkeit und Stärke. Es ist eine Branche, die nicht beim ersten Windhauch umfällt. Sie ist sich gewohnt mit der Natur und ihren Launen zu arbeiten. So hätte die Schweizer Landwirtschaft viele gute Argumente, welche für die einheimische Produktion sprechen. Dass diese gehört werden, bedingt jedoch einen Dialog zwischen Konsument und Produzent und nicht gegenseitiges Beschimpfen und Drohen.
Wissenslücken füllen statt zu fluchen
Wenn der Konsument nicht informiert ist, was auf den Feldern und hinter den Stalltüren passiert, dann ist das nicht alleine seine Schuld, sondern auch diejenige der Landwirtschaft, welche sich zu lange hinter den idyllischen Bildern versteckt hat, welche die Grossverteiler auf sie projizieren. Statt über die Ahnungslosigkeit der Konsumenten zu fluchen, hilft es, schleunigst diese Wissenslücken zu füllen. Und alles, was man denkt, vor den Konsumenten verstecken oder beschönigen zu müssen, kann sogleich von der Produktionsliste gestrichen werden. Dass beispielsweise heute Kälbermast grösstenteils nur mit Antibiotika-Einsatz möglich ist, kann dem Konsumenten nicht erklärt werden. Wer nicht voller Überzeugung hinter seinen Produkten stehen kann, der wird sie nie zu einem angemessenen Preis verkaufen können.
Der Preis ist die falsche Stellschraube
Bestes Beispiel ist der Milchmarkt. Es gibt kein Menschenrecht auf das Trinken von Schweizer Milch und auch keins auf Milchproduktion. Wenn die Schweizer Landwirtschaft ihre Argumente nicht ausspielen kann, warum es besser ist, teurere Schweizer Milch zu trinken, denn ausländische, dann stimmt doch etwas nicht. Anstelle von vorhandenen Mehrwerten wie Ökologie, Tierschutz und Sozialem wird seit Jahren hauptsächlich über den Preis argumentiert und solange an den Produktionskosten runtergeschraubt, bis man sich nicht mehr getraut, die Stalltüre zu öffnen. Immerhin wird hier jetzt mit dem Grünen Teppich Gegensteuer gegeben.
Mehr zahlen für ein gutes Gefühl
In das gleiche Kapitel geht die Drohung an Andersdenkende, dass sie doch mal auf den Feldern erleben sollen, wie übel es ist, Lebensmittel zu produzieren. Kein erfolgreicher Arzt oder Banker droht seinen Klienten damit, dass sie doch mal seinen Job übernehmen sollen, weil der so ein «Seich» sei. Ansonsten hätten die bestimmt bald keine Kunden mehr. Die Landwirtschaft hat das Glück, dass jeder Konsument jeden Tag essen muss. Und die Landwirtschaft hätte es in der Hand, dass der Konsument dies mit gutem Gewissen tut und in Dankbarkeit. Mit dem Wissen, dass es Natur, Tieren und Menschen gut geht, die ihn täglich mit Essen versorgen. Dieses Gefühl ist es, wofür der Konsument bereit wäre, einen höheren Preis zu bezahlen. Gewiss nicht jeder, das ist klar, aber dafür reicht der Selbstversorgungsgrad ohnehin nicht mehr aus.
Wer die Arbeit versteht, versteht den Preis
Statt den Konsumenten mit Feldarbeit zu drohen, würden die Landwirte gut daran tun, zu erklären, warum sie jeden Morgen mit Freude aufstehen und welch grosses Wissen und Können hinter nachhaltigen Lebensmitteln steckt. Dann versteht der Konsument auch, warum diese jeden Rappen ihres Preises wert sind. Und diejenigen, die nicht mit diesem Gefühl aufstehen, sollten sich vielleicht beruflich umorientieren: Dorthin, wo auch sie das Gefühl erleben, etwas Wertvolles zu tun. Das Gleiche gilt für die Konsumenten. Es gibt weder ein Recht noch eine Pflicht für den Konsum von Schweizer Lebensmitteln, sondern allein das Privileg. Die Produktion von Lebensmitteln und insbesondere die Arbeit auf den Feldern als Strafe für Andersdenkende zu propagieren, ist dabei kaum imagefördernd.