Mit der Übernahme eines Hofladens, dessen Kernangebot Raps- und Sonnenblumenöle sind, hat sich bei Anja Zingg aus Bürglen TG einen Herzenswunsch erfüllt. Auch wenn die 38-Jährige zu Beginn nicht genau wusste, was auf sie zukommen würde, war sie zuversichtlich. Sie ist gelernte Detailhandelsfachfrau und auf einem Bauernhof im Nachbardorf aufgewachsen. Ihr Mann Philipp arbeitet als gelernter Landwirt bei einem Lohnunternehmen. «Ich wusste, dass der Hofladen die Chance sein könnte, mir etwas Eigenes aufzubauen», erzählt Anja Zingg am Küchentisch.
Seit fünf Jahren führt das Ehepaar den Laden und zwei Jahre später konnten sie den ganzen Betrieb mit knapp 30 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche als Pächter übernehmen. «Seither geben wir Vollgas», erklärt Philipp Zingg, der kurz seinen Kopf durch die Küchentür streckt, um sich zu verabschieden, seine Frau nickt.
Ganze Familie beteiligt
Normalerweise ist es eher schwierig, eine passende Pacht zu bekommen und das erst noch am Ort, wo man schon lange lebt. Doch das Ehepaar Zingg hatte viel Glück. Philipp Zingg wuchs nicht auf einem Bauernhof auf, wusste aber schon als Kindergartenschüler, dass er einmal Landwirt werden wollte. Seither hat er viel Zeit auf einem Hof verbracht und oft mitgeholfen bei den anfallenden Arbeiten.
Weil die Bauernfamilie keine Hofnachfolge hatte, kamen Philipp und Anja Zingg zum Zuge. Philipp Zingg hat seine Anstellung bei einem Lohnunternehmer reduziert, macht im Winter Winterdienst für die Gemeinde. Anja Zingg arbeitet in einem Teilpensum als Detailhandelsfachfrau. Ihre drei Kinder sind alle im Primarschulalter. Leonie, die Dreizehnjährige, geht bereits mit der Mutter auf die Märkte. Sie liebe es, ihr goldgelbes Öl an die Kundschaft zu bringen, erzählt die Mutter stolz. Auch die beiden Buben, Andrin und Nino, gehen den Eltern zur Hand. «Wir sind ein gutes Team», sagt Zingg, oft unternehme sie mit den Kindern allein etwas, gehe mit ihnen wandern, wenn der Vater auf den Feldern arbeite. Erst kürzlich seien sie allein in den Skiferien gewesen, weil der Vater eben mit Winterdienst beschäftigt war und sowieso nicht Ski fahre.
Leidenschaft und Herzblut
Sie seien beide sehr engagiert und oft sei jeder mit seinem Ding beschäftigt, erzählt Anja Zingg. Deshalb geniessen sie bewusst die gemeinsamen Arbeiten, zum Beispiel die Betreuung ihrer zwölf Schafe und der fünf Esel, die mittlerweile bei ihnen leben.
Was Anja und Philipp Zingg anpacken, machen sie mit viel Leidenschaft und Herzblut. Dies zeigt sich auch im Hofladen. Mit viel Liebe zum Detail wurde der Raum in der ehemaligen Scheune eingerichtet. Weil Anja bereits als Kind auf dem elterlichen Betrieb Schafe liebte und mit ihnen spazieren ging, gab sie ihrem Hofladen den Namen «Schoof Schüür».[IMG 2]
Auf einem Gestell leuchten glasklaren Flaschen mit dem kaltgepressten Raps- und Sonnenblumenöl. Sie sind in verschiedenen Grössen abgefüllt und modern beschriftet. Daneben stehen andere regionale Produkte, Teigwaren, getrocknete Rapssamen, Honig, Tee, Apfelmus und handgefertigte Dekorationsartikel, liebevoll von Anjas Mutter angefertigt. «Meine Mutter ist die Kreative, deshalb hilft sie, den Laden noch attraktiver zu machen», sagt die Bäuerin.
Sie haben die Öffnungszeiten stark verlängert und beliefern heute vier Restaurants und knapp zwei Dutzend Läden in der Region. «Richtig zugelegt» hätten sie bei den Märkten, die sie zusammen mit ihrer Tochter besucht, erzählt Anja Zingg weiter. «Ich liebe den Kontakt mit den Menschen, es macht mir Freude, den Kunden unsere selbst gepressten Öle näherzubringen.» Am schönsten sei es, wenn sie von Kunden weiterempfohlen würden und sich der Kundenstamm vergrössere.
Immer frisch gepresstes Öl
Das Geschäft floriert. Zinggs konnten die Produktion steigern. Heute seien sie bei ungefähr fünf Tonnen Raps und 400 Kilogramm Sonnenblumen, schildert die Unternehmerin. Nach der Ernte werden die Samen in einer lokalen Sammelstelle gereinigt, getrocknet und in Säcke abgefüllt. «So können wir das Öl selbst frisch pressen, was wir ungefähr viermal pro Jahr machen.»
Das kalt gepresste Öl werde ungefähr acht Wochen in Fässern stehengelassen und anschliessend in Glasflaschen abgefüllt. Rapsöl sei problemlos eineinhalb Jahre und Sonnenblumenöl ein Jahr haltbar. Für die kalte Küche eignen sich die beiden kaltgepressten Öle wunderbar, erhitzt sollten sie nicht werden.
Wer Anja Zingg über ihr Produkt sprechen hört, ist nicht erstaunt, dass sie nicht nur im Vorstand der Bürgler Landfrauen mitarbeitet, sondern auch beim neuen Projekt des Thurgauer Landfrauenverbandes «Huusgmachts us Landfrauehand».
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Mit dieser neuen Marke wollen gut ein Dutzend Landfrauen ihre handgemachten und doch professionellen Produkte vom Hof mit einem einheitlichen Auftritt vermarkten. Der Konsument soll diese Produkte mit einem Gesicht und einer Geschichte verbinden können. Anja Zingg ist mit viel Energie und Herz dabei, sie liebt die Kontakte zu den unterschiedlichen Frauen und lernt auch für ihr eigenes Geschäft viel Neues. «Ich bin angekommen auf dem Weg, der mich fordert und fördert und mich und meine Familie weitermarschieren lässt, in eine gute Richtung.»
Fünf Fragen
Welches Alltagsritual gehört für Sie dazu?
Am Morgen in der Früh in Ruhe einen Kaffee zu trinken, wenn die ganze Familie noch schläft.
Was rührt Sie zu Tränen?
Seit ich Kinder habe, bin ich sehr nahe am Wasser gebaut.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz?
Draussen bei den Eseln.
Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?
Vertrauen und Ehrlichkeit.
Worauf achten Sie bei einem Mann oder Frau als Erstes?
Auf die Zähne und dann auf die Hände.