«Im Sommer hat der Tag zu wenige Stunden. Im Winter warte ich auf den Frühling.» Es ist Mitte April, als das Gespräch stattfindet, Anna Gschwind sitzt in ihrer Küche im freiburgischen Jaun und schaut sehnsüchtig zum Fenster hinaus. Heuer lässt der Frühling länger auf sich warten, als ihr lieb ist. Die Bäuerin mit Fachausweis und Agrotechnikerin in Ausbildung arbeitet mit ihrem Partner Simon Buchs auf dessen Milchviehbetrieb.
Leben im Einklang mit der Natur, sehen, wie etwas wächst, wie sich die Natur im Laufe der Jahreszeiten verändert und die Arbeit mit den Tieren bedeuten der 31-Jährigen viel. Sehr viel. Das wird im Gespräch mehrfach deutlich und zeigt sich beim Fototermin mit den Jungtieren. Zudem ist ihr die Nahrungsmittelproduktion ein Anliegen. «Auch wenn wir hier am Berg nur Milch aus Gras produzieren und keinen Ackerbau betreiben können», ergänzt die junge Frau.
Im Sommer wird auf und ab gependelt
Da die Alpställe nur rund eine Viertelstunde vom Wohnhaus im Dorf entfernt sind, wohnt das Paar im Sommer nicht mit dem Vieh auf der Alp. Ihr Leben spielt sich nebst der Arbeit auf der Alp unten ab. Zumal eh zweimal täglich die Milch vom Berg hinunter in die Käserei gebracht werden muss. Im Jahr 2020 hat Anna Gschwinds Lebenspartner den Betrieb von seinen Eltern übernommen. «Trotz Corona war das ein super Jahr für uns», erinnert sich die Bäuerin gerne zurück. «Alle Tiere sind das ganze Jahr über gesund gewesen, der Tierarzt gefühlt nie da, der Sommer angenehm und mit langen Schönwetterfenstern. Es lief alles sydefiin», bilanziert Anna Gschwind. Und: «Simon und ich funktionieren als Team einfach gut.»
Betriebsspiegel
Betriebsleiter: Simon Buchs
Mitarbeitende: Anna Gschwind, Vater, Claude Buchs, hilft bei Bedarf
Fläche: 22,5 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, 50 ha Sömmerungsfläche auf zwei Bergen
Ort: Jaun FR
Tiere: Milchkühe und eigene Aufzucht, total 32 Tiere. Im Sommer zusätzlich Sömmerungstiere, Hund Leika
Milchabnehmer: Die Mich geht zweimal täglich in die Käserei Jaun zur Produktion von Greyerzer AOP, Vacherin fribourgeois AOP und Spezialiäten
Die Sömmerungstiere bedeuten viel Verantwortung
Sie verschweigt aber nicht, dass sie die Verantwortung wegen der fremden Tiere als hoch empfindet. Zudem bringen der Sömmerungsbetrieb auf den beiden Alpen und die verschiedenen Standorte der Tiere nebst viel Arbeit auch viele Stunden Auto fahren mit sich. Das zehre gegen den Herbst schon an den Kräften. Zumal, wenn es so heiss sei wie im vergangenen Jahr.
Die Alpsommer sind lang und kräftezehrend
Anna Gschwind gibt zu, dass sie sich da eher auf das Ende des Sommers und darauf freute, im komfortableren Stall im Dorf unten zu arbeiten. Wenn dann jedoch der Winter lange dauert, ändert sich die Gefühlswelt in eine andere Richtung und die Vorfreude auf die Alpsaison steige wieder ins Unermessliche. Während die Bäuerin über den Alpsommer spricht, regnet es draussen, es ist düster und mit 3 Grad nicht sonderlich warm. Wärme verteilt nur das brennende Feuer im Ofen. Die künftige Agrotechnikerin schaut nach draussen, unterbricht ihren begonnenen Satz und meint stattdessen: «Oh, jetzt freue ich mich grad richtig auf den Sommer!»
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Sie kam, arbeitete und blieb
Anna Gschwind ist in Therwil im Baselbiet auf einem Rebbaubetrieb aufgewachsen. Schon von klein auf lagen ihr die Natur und Tiere am Herzen. Sie machte eine Ausbildung zur Gärtnerin und ging fünf Jahre ins Ausland. Davon verbrachte sie vier Jahre im Lappland mit Rentieren und Schlittenhunden. Dann zog es sie auf die Alp und als Mitarbeiterin zu Familie Buchs, wo sie ihren Partner Simon kennenlernte. Zu 100 Prozent auf dem Hof zu arbeiten, genügt der wissbegierigen Frau jedoch nicht. 2018 startete sie mit der Bäuerinnenausbildung. «Eine Freundin hat mich darauf gebracht. Als ich hörte, dass sie das macht, dachte ich mir, muss das fast eine gute Sache sein», erklärt Anna Gschwind. Und zu hören, dass das Modul Rindviehhaltung angeboten wurde, machte die Sache noch attraktiver.
An der Bäuerinnenschule wurden Freundschaften fürs Leben geknüpft
Aber: «Heute schmunzle ich manchmal selbst über meinen damaligen Entscheid, mich einfach anzumelden», gesteht sie und lacht dabei etwas verlegen. Etwas blauäugig und ohne zu wissen, was die Ausbildung zur Bäuerin mit Fachausweis wirklich alles beinhaltet, habe sie sich angemeldet, gesteht sie. Das verlegene Lachen weicht jetzt einem breiten, fröhlichen Lachen. Rückblickend sei die Ausbildung sehr wertvoll gewesen und sie habe dabei Freundinnen fürs Leben gefunden.
«Frauen, stützt einander mehr»
Eines stellt Anna Gschwind immer wieder fest, egal, ob im landwirtschaftlichen Umfeld oder sonst in der Gesellschaft: «Frauen werten einander zu viel. Das finde ich sehr schade.» Arbeitet eine Frau Vollzeit in ihrem Beruf, passt es den einen nicht, ist sie Vollzeit zu Hause, passt das wiederum anderen nicht. «Eine Frau hat so und so zu sein, aber bitteschön dann doch nicht zu sehr», bemängelt die junge Frau. Sie würde es schön finden, wenn sich Frauen, die mit Kindern, Eltern, Grosseltern, Haushalt und Beruf eh schon Doppel- und Dreifachbelastungen ausgesetzt seien, gegenseitig mental mehr unterstützen würden.
Die gute Fee könnte Blacken stechen und putzen
Da sich Anna Gschwind die Türe zur auswärtigen Erwerbstätigkeit im Berufsfeld Landwirtschaft offenhalten möchte, entschied sie sich für die Ausbildung zur Agrotechnikerin, die sie 2021 begann. Dass die Hausarbeit nicht gerade zu ihren liebsten Beschäftigungen gehört, beeinflusste den Entscheid mit, sich nicht auf dem Bildungsweg Bäuerin HFP weiterzubilden. Viel lieber ist sie draussen, führt Heu zusammen, tränkt Kälber oder kümmert sich um die Pflege des Grünlands. Wenn ihr eine gute Fee Arbeiten abnehmen würde, dann wäre das die Hausarbeit und das Blackenstechen, verrät Anna Gschwind.
Traktor fahren findet sie lässig
Wer der jungen Frau eine Weile zuhört, merkt, wie viel Elan in ihr steckt.
«Ich bin ein Duracell-Häsli und immer eher hochtourig unterwegs.»
Anna Gschwind
«Ja, ich bin ein Duracell-Häsli und immer eher hochtourig unterwegs», gesteht sie. Ihr Partner, das genaue Gegenteil, sei daneben ihr ruhiger Pol. «Mein Fels in der Brandung», schwärmt sie. Sie würden sich super ergänzen und seien auf dem Betrieb ein perfektes Team. Während sie sich um die Viecher kümmert, wie sie sagt, hantiert der gelernte Landmaschinenmechaniker, der Teilzeit auswärts arbeitet, mit den Maschinen. Aber beim Zusammenführen des Heus lässt es sich Anna Gschwind nicht nehmen, auch auf dem Aebi zu sitzen. «Traktor fahren ist lässig», meint sie und strahlt dabei einmal mehr übers ganze Gesicht.