Im Stall, auf dem Feld, in der Küche: Auf einem Hof gibt es täglich in unterschiedlichsten Bereichen Aufgaben zu bewältigen. Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen laufend und neue Entwicklungen prägen die Arbeiten. Im Idealfall sind genügend personelle Ressourcen und die notwendigen Kompetenzen im Betrieb vorhanden und sie können optimal, vielleicht sogar flexibel eingesetzt werden. Familiäre, personelle und betriebliche Entwicklungen, geplant oder ungeplant, fordern die Betriebsleitung aber immer wieder heraus.
Wissen, was es wo braucht
Eine hohe Fachkompetenz in den verschiedenen Betriebszweigen (inklusive Haushalt) ist eine wichtige Basis für den Erfolg im Familienbetrieb. Angeeignet durch Aus- und Weiterbildung, angereichert mit Berufserfahrung und einem guten Netzwerk, ist die Fachkompetenz zentral, um viele alltägliche Aufgaben zu bewältigen.
Aber die Herausforderungen der erfolgreichen Betriebsführung lassen sich nicht mit Fachkompetenz alleine lösen. Sehr schnell kommen Planen, Organisieren, Administrieren, Kommunizieren, Führen, unternehmerisches Denken und weiteres mehr dazu. Da liegt genau der Unterschied zwischen «einen Familienbetrieb führen» oder «in einem Familienbetrieb arbeiten».
Man muss nicht in allem gut sein
Menschen in der Landwirtschaft sind es gewohnt, vieles selber zu machen. Das macht häufig Sinn, es ist aber nicht immer die günstigste, die beste oder effektivste Lösung. Trotzdem sind die Ansprüche an Betriebsleitende im Familienbetrieb von innen und aussen sehr hoch: Man denkt, man müsse auf allen Ebenen und in allen Bereichen (vermeintlich) gut sein.
Bei der grossen und ständig wachsenden Aufgabenvielfalt ist das aber kaum möglich. Die wichtigste Kompetenz ist deshalb, zu wissen, was es wo genau braucht, die Stärken, Schwächen und Kompetenzen der einzelnen Personen (also auch von sich selber) zu kennen und dann Entscheidungen zu treffen. Dazu gehören Fragen wie:
- Wer übernimmt sinnvollerweise welche Aufgabe oder Teilaufgabe?
- Welche Aufgaben oder Teilaufgaben machen wir nicht selber und nutzen die frei werdende Zeit für andere wichtige Arbeiten, in denen wir richtig gut sind?
- Welche Kompetenzen wollen wir im Betrieb erweitern oder neu aufbauen? Wer hat die notwendige Kapazität und eine gute Basis dafür?
Mut zu Unkonventionellem
Das Ziel ist es, Energie und Kraft zu sparen, um am richtigen Ort powern zu können, aber auch ganz einfach Zeit und Geld zu sparen, indem am richtigen Ort die richtigen Personen eingesetzt werden. Sind alle Beteiligten bereit, sachlich und frei zu denken, können auch unkonventionelle Lösungen auf den Tisch kommen, losgelöst von bisherigen Rollen und Erfahrungen. Das Klischee von «männlichen und weiblichen Aufgaben» kann getrost zur Seite gelegt werden, kompetenzorientiertes Handeln funktioniert anders.
Unausgesprochene Erwartungen
Auf vielen Höfen lassen hohe Arbeitsbelastung oder gar Überlastung wenig Raum für solche Überlegungen. Zudem sind nicht hinterfragte Aufgabenverteilungen im Familien- und Mehrgenerationenbetrieb nicht zu unterschätzen. Sie schüren unausgesprochene Erwartungen und steigern die Belastung oft ungewollt.
Indikatoren dafür, dass die aktuelle Aufgabenteilung und Verantwortungen nicht ideal sind, gibt es einige. Sie sind vergleichbar mit anderen Stressreaktionen, denn schlussendlich ist es nichts anderes als Stress, wenn die Aufgaben, die zu bewältigen sind, den Personen nicht entsprechen und/oder sie überfordern.
Zeit für Ideen und Strategien
Die Situation, dass im eigenen Familienbetrieb nicht einfach «der Job gewechselt» werden kann, steigert den Druck zusätzlich. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen, wenn Aufgaben immer wieder hinausgezögert werden, jemand ständig gereizt und unzufrieden ist. Auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, Verspannungen können eine Stressreaktion und somit ein Indikator von Überforderung sein.
In einem Umfeld, in dem man den Menschen vertraut, kann man zu den eigenen Stärken und Schwächen stehen und diese offenlegen. Trotzdem braucht es ein gesundes Selbstvertrauen und auch etwas Mut, darüber zu reden und vielleicht auch bereits erste Lösungen vorzuschlagen.
Hilfreicher Blick von aussen
Ein Blick von aussen, sogar von ausserhalb der Landwirtschaft, kann hilfreich sein. Für die Betriebsleitenden braucht es aber in erster Linie ab und zu Zeit, bestehende Strukturen zu überprüfen und bei Bedarf Lösungen zu suchen. Wenn etwas nicht auf Anhieb funktioniert, braucht es Geduld oder noch einmal einen neuen Anlauf.
In den meisten Fällen gibt es nicht die eine richtige Lösung, aber die Lösung, die zur aktuellen betrieblichen und familiären Situation passt und zu den Fähigkeiten und Neigungen der Menschen im Betrieb.