Im Juni 2020 reichten Urs Schär und Pascal Schmid (beide SVP) eine Interpellation zum Thema Littering ein. Unter anderem wollten sie wissen, mit welchen Massnahmen die Missstände von unsachgemäss entsorgten Abfällen einzudämmen sind. In seiner Antwort schreibt der Regierungsrat, dass die Aufwendungen, um Kleinabfälle zu beseitigen, im Thurgau tendenziell rückläufig sind.

Von einem Anti-Littering-Tag, wie ihn die Interpellanten ins Spiel brachten, sieht der Regierungsrat ab: Littering werde auf allen Schulstufen thematisiert. Auch von einer Erhöhung der Littering-Bussen will er nichts wissen. Diese seien unverhältnismässig und nicht zielführend. Zusammengefasst sieht die Regierung keinen Handlungsbedarf beim Thema Littering.

Mehr Take-Away-Abfall seit der Corona-Krise

Ganz anders beurteilt das Patrick Wälchli, der in Bürglen, kurz vor Weinfelden, einen Biobetrieb mit Weidemast, Ackerbau und Spezialkulturen führt. Sein Hof liegt an der Hauptverkehrsachse Amriswil-Weinfelden. «Die Abfallsituation ist heute problematischer als noch vor zehn Jahren», sagt er. Waren es früher leichte Baumaterialien, die wegen unsachgemässer Befestigung in den Wiesen landeten, sind es heute Aludosen, Plastik- und Glasflaschen und Verpackungsreste.

[IMG 2]

Am Vortag hat Wälchli zwei Säcke Unrat eingesammelt. Darin finden sich auch ungewöhnliche Dinge wie ein zerfetztes Fussball-Trikot. Der grösste Teil sind Plastikverpackungen wie ein Blick in den Müllsack zeigt. Corona habe die Situation verschlimmert, stellt er fest. «Es bleiben vermehrt Verpackungen von Take-Away-Essen oder Styropor-Boxen liegen.» Dass häufig Abfall unsachgemäss entsorgt und aus dem Auto geschmissen wird, habe mit der heutigen Wegwerf-Gesellschaft zu tun und mit der Agglomerationserweiterung von Weinfelden, sagt Wälchli. Früher fuhren um die 8000 Fahrzeuge auf dieser Strecke, heute sind es täglich 20 000.

Aufklären beginnt in der Schule

Die Plakate des Schweizer Bauernverbands «Abfall macht krank» hätten am Anfang genützt, langfristig zeigen sie aber kaum Wirkung bei den chronischen Abfallsündern. Als viel effektiver beurteilt der Biobauer die Sensibilisierungskampagnen in den Schulen mit Säuberungsaktionen entlang der Strassen und den Clean-Up-Days.

Seit etwa fünf Jahren sammeln Kantonsmitarbeiter alle zwei bis drei Wochen Abfall auf Wälchlis Wiesen ein. «Früher hat das jeweils der Gemeindemitarbeiter von Bürgeln einmal pro Woche gemacht. Heute kommen sie wegen dem vielen Abfall zu Dritt», erzählt Patrick Wälchli. Obwohl der Kanton die Wiesen säubert, geht er selber regelmässig mit einem Abfallsack den Wiesen an der Strasse entlang. Schon einen Tag später liegt wieder allerlei in der Wiese: Etiketten von Plastikverpackungen, Kaffeebecher, Aludosen usw.

[IMG 3]

Bussen nützen wenig

Patrick Wälchli hat glücklicherweise noch nie ein Tier wegen inneren Verletzungen durch Abfall notschlachten müssen. Dass es zu schwerwiegenden Verletzungen kommen kann, habe auch damit zu tun, dass das Material der Aludosen heute weicher ist, bemerkt der Landwirt. «Früher kam es eher zu Verletzungen im Maul und dann hat die Kuh die Dose oder die Überresten davon gar nicht gefressen.»

Höhere Bussen für Abfallsünder, wie es die Interpellanten sich wünschen, seien zwar begrüssenswert. «Entlang der Strassen nützt das allerdings wenig, da man die Abfallsünder, die ihren Müll ja während dem Autofahren rauswerfen, kaum erwischt», sagt Wälchli nüchtern. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seine Wiesen regelmässig selber zu säubern, resp. durch den Kanton säubern zu lassen.

 

Nachgefragt bei Interpellant Urs Schär

Die Thurgauer Regierung sieht allgemein kein Problem mit Littering. Wie beurteilen Sie die Antwort auf Ihre Interpellation?

Urs Schär: Wenn man mit offenen Augen im Kanton unterwegs ist, erhält man ein anderes Bild. Die Regierung will nicht sehen, was draussen abgeht. Wenn Littering nur ein geringes Problem wäre, hätten nicht 92 Mitglieder vom Grossen Rat die Interpellation unterschrieben.

Was halten Sie davon, dass das Engagement gegen Littering in den letzten Jahren zurückgefahren wurde?

Aus meiner Sicht ein total falsches Vorgehen, so nach dem Motto: wenn wir das Problem nicht in den Griff bekommen, lassen wir es halt laufen. Es bräuchte neue Kampagnen, die das Problem konsequent thematisieren, z.B. sehr gut sichtbarer Aufdruck auf Flaschen, Büchsen und Fast-Food-Verpackungen mit dem Text «Littering verschmutzt die Umwelt» – ähnlich wie bei den Zigaretten-Päckli «Rauchen schadet der Gesundheit».

Was versprechen Sie sich von einem Anti-Littering-Tag?

Das Kind beim Namen nennen ist wichtig. Solange es Littering gibt, braucht es auch Aktionen, die auf dieses Problem hinweisen, sonst passiert genau das was wir jetzt erleben. Aktionen vom Kanton werden zurückgefahren, Littering nimmt zu und wird von der Bevölkerung nur noch als lästiges Alltagsproblem – vielleicht muss man sagen Wohlstandsproblem – zur Kenntnis genommen.