Muttermilch ist eine Art Wundermittel. «Sie enthält über 4000 lebende Zellen, die der Abwehr von Krankheitserregern dienen», sagt Stillberaterin Christine Hansen aus Gümligen BE, die oft auch Bäuerinnen weiterhilft.

Die positiven Effekte des Stillens sind unumstritten, um nur einige zu nennen: Sämtliche wichtige Nährstoffe, die das Baby und später das Kleinkind braucht, sind in der Muttermilch ausgewogen enthalten und meist gut verträglich. Stillkinder können kaum überfüttert werden, denn sie trinken, was sie brauchen. Muttermilch ist stets frisch verfügbar und hat immer die richtige Temperatur. Babys, die mindestens ein Vierteljahr gestillt wurden, erkranken seltener an Infektionen. Bei Stillbabys sinkt das Risiko für den plötzlichen Kindstod oder eine spätere Zuckerkrankheit.

95 Prozent der Frauen stillen zu Beginn

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Säuglinge sechs Monate ausschliesslich zu stillen und dann unter Einführung von Beikost weiter zu stillen bis  zum Alter von zwei Jahren und länger. Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie rät zu reiner Muttermilchernährung bis zum Alter von vier bis sechs Monaten. «Die meisten Frauen wissen nicht nur, dass Muttermilch gesund ist, sie wollen auch stillen», sagt Christine Hansen. Tatsächlich stillen 95 Prozent der Schweizerinnen ihr Neugeborenes.

Nicht immer klappt das von Anfang an reibungslos. Zum Beispiel, wenn die Brustwarzen wund sind, es zu einer Brustentzündung kommt oder das Kind einen Soor (Pilzinfektion) hat (hier ein Artikel mit vielen Tipps bei Stillproblemen). Frauen mit Stillschwierigkeiten rät Christine Hansen, auf jeden Fall eine Stillberaterin zu kontaktieren (hier findet man eine). Die Grundversicherung zahlt drei Stillberatungen. «Leider erlebe ich es oft, dass Frauen durch Fachleute verunsichert werden», seien es Kinderärzte oder die Mütter- und Väterberatung. Die Frauen befürchten etwa, zu wenig Milch zu haben. Das sei aber, wenn nach Bedarf gestillt wird, in den allerwenigsten Fällen der Fall, beruhigt Hansen. Manchmal werde schon im Spital unnötigerweise oder stillunfreundlich zugefüttert, wodurch das Kind eine Schoppenpräferenz entwickeln kann. Es dann wieder an die Brust zu bringen, brauche viel Geduld, sagt Hansen.

Viele hören nach Mutterschaftsurlaub auf

Während nach der Geburt die meisten Frauen stillen, nimmt die Stillrate später schnell ab. Im dritten und vierten Monat werden noch 62 Prozent der Babys ausschliesslich gestillt, im fünften und sechsten noch 26 Prozent, wie die dritte nationale Studie zur Säuglingsernährung im ersten Lebensjahr (2014) ergab. Die Hälfte der Frauen hört nach vier Monaten ganz mit Stillen auf.   

Der Zeitpunkt aufzuhören korreliert in vielen Fällen mit der Rückkehr an den Arbeitsplatz.  «14 Wochen bezahlter Mutterschaftsurlaub sind eigentlich zu wenig», stellt Christine Hansen fest. Mütter haben im ersten Lebensjahr des Babys laut Gesetz das Recht auf bezahlte Pausen zum Stillen oder Abpumpen (bis vier Arbeitsstunden (Ah): 30 Minuten; ab 4 Ah: 60 Minuten; ab 7 Ah: 90 Minuten). «Viele Frauen kennen zwar ihre Rechte, getrauen sich aber nicht, diese einzufordern», bedauert Hansen. So fehlen an vielen Arbeitsplätzen Stillräume. «Es kann eigentlich nicht sein, dass eine Mutter auf dem WC abpumpen muss. Wir gehen zum Essen doch auch nicht dorthin.» Stillende Mütter befürchten oft auch negative Konsequenzen vonseiten des Arbeitgebers. «Eine Anästhesieärztin sagte mir einmal, sie könne nicht stillen, weil sie acht Stunden im OP-Saal stehen müsse.»

Beim Abpumpen Foto vom Baby anschauen

Einer Frau, die trotz Auswärts-Arbeit weiterstillen will, rät Christine Hansen: «Am besten wäre es, wenn das Kind zu ihr gebracht werden könnte.» Beim Stillen komme mehr Milch als beim Abpumpen. Wenn es nicht ohne geht, empfiehlt sie ein Doppelpumpsystem (siehe Kasten). Hansen rät, zweimal am Tag mindestens 15 Minuten abzupumpen, sich dafür bequem hinzusetzen und vielleicht ein Foto vom Kind zu betrachten oder ein Nuschi von ihm dabeizuhaben, damit die Milch fliessen kann. Gerne kann man etwas Warmes dazu trinken und vor dem Pumpen die Brust zu massieren.

Für die Zukunft würde sich Christine Hansen wünschen, dass auch das Stillen bis ins Kleinkindalter akzeptierter wäre. «Nach acht Monaten nimmt der Druck des Umfelds abzustillen oft stark zu.»  Besonders wichtig sei auch die Rolle des Papas. Wenn der Vater gegen das Stillen sei, werde es schwierig. Etwas hat die Fachfrau in ihren Beratungen schon oft erlebt: «Wenn etwas beim Stillen nicht klappt, haben Frauen leider oft Schuldgefühle». Diese darf man sich aber auch dann  nicht machen, wenn man nicht stillen will. Auch beim Schöppelen kann man eine innige Bindung aufbauen.

Weitere Links zum Thema Stillen

Stillförderung Schweiz

La Leche League

 

Drei Milchpumpen für auswärts arbeitende Mütter

Die Doppelmilchpumpe Calypso-to-go von Ardo ist handlich und kann mit Stromkabel oder Batterie betrieben werden. Sie ist leise und diskretes Abpumpen ist möglich. Für unterschiedliche Brustwarzengrössen liegen drei verschiedene Brusthauben bei. Sie kommt mit viel Zubehör wie Flaschen und einer Kühltasche mit Kühlelementen. Die Autorin nutzt sie schon beim zweiten Kind und ist sehr zufrieden. Preis mit Zubehör: Ab 250 Franken, je nach Händler.

Ebenfalls ein Klassiker für berufstätige Mütter ist die elektrische Doppelmilchpumpe Swing Maxi Flex des Herstellers Medela. Damit ist ein- oder beidseitiges Abpumpen möglich. In der Grundausstattung liegen unter anderem zwei verschiedene Brusthauben, zwei Flaschen und zwei Flaschenhalter bei. Die Autorin hat die Pumpe nicht selbst getestet, aber Gutes darüber gehört. Preis für die Grundausstattung: Ab 220 Franken, je nach Händler.

Das Londoner Start-up-Unternehmen Elvie verspricht die erste smarte und  vollkommen freihändig nutzbare Milchpumpe. Die Elvie kann während des Abpumpens im BH getragen werden. Noch gibt es sie nicht in der Schweiz zu kaufen, man kann sie aber z. B. über Bekannte in Grossbritannien bestellen. Die Autorin hat secondhand eine ergattert, der erste Eindruck ist super. Preis für die Doppel-Variante: rund 500 Franken (umgerechnet), je nach Händler.