Aufgeregtes Gebell und ein Rudel Hunde, das in einem umzäunten Garten um die Hausecke saust – verfolgt von einem schwarzen Lamm. Treiben auf dem «Biohof Schädeli» die Lämmer die Hunde zusammen?
«Das Lamm ist nur neugierig, wohin die Hunde verschwinden», erklärt Melanie Reist Wenger nach einem Blick durchs Fenster. Sie muss das Tier von Hand aufziehen, die Mutter nahm es nicht an. Nun tollt es tagsüber mit den Hunden im Garten herum.
Hunde, die die Arbeit suchen
Seit sieben Jahren lebt Melanie Reist Wenger auf dem Hof ihres Lebenspartners Theo Schädeli im bernischen Uettligen. Zum Demeter-Betrieb gehören 35 Hektar Nutzfläche, 24 Simmentaler Kühe, 250 Schafe, vier Freiberger-Pferde, neun Katzen, 30 Hühner und elf Hunde.
Melanie Reist ist auf dem Hof zum einen für die Schafe zuständig, zum anderen für die Hunde, die keineswegs nur ein Hobby sind. «Ich züchte Nutztiere mit einer engen Bindung zu Menschen», sagt sie dazu. Sie hat sich auf Border Collies der «Arbeitslinie» spezialisiert: Hunde, denen das Hüten und Zusammentreiben bereits ausgeprägt in den Genen steckt. Als Familien- oder Sporthunde sind sie bedingt und nur für erfahrene Hundehalter geeignet.
Schon als Welpen Hüte-Talente
«Ein Border Collie will etwas zu tun haben, er bittet ungefragt um ‹Büez›», erklärt Melanie Reist das Wesen dieser Hunde. Was das heisst, zeigt ein kurzer Spaziergang mit den Hündinnen Fearn und Inola.
Vor allem Fearn kann offenbar gar nicht anders, als ununterbrochen mit gespanntem Körper und fixem Blick auf die beiden Menschen und den andern Hund aufzupassen. Einige Hunde der Rasse seien schon als Welpen Hüte-Naturtalente, weiss die Züchterin. «Da muss man nur die Kommandos darüber legen.»
Einstieg über Agility
Melanie Reist hat ursprünglich SBB-Betriebsdisponentin gelernt, arbeitet aber schon lange nicht mehr auf dem Beruf. Sie erzählt, dass sie ihren ersten Border Collie vor 19 Jahren kaufte, um mit ihm Agility zu betreiben. Bei diesem Sport absolvieren die Hunde einen Parcours mit Hindernissen. «Ich war von Anfang an fasziniert, obwohl ich mit Schafen damals noch nichts am Hut hatte». Erst einige Jahre später begann sie mit «Schäfeln», nimmt seither mit ihren Hunden immer wieder an Hütehunden-Wettbewerben teil.
Die Hunde draussen bellen. Melanie Reist wirft nochmals einen prüfenden Blick aus dem Fenster. Das Lamm knabbert an einer Staude. «Meine Rosen. Die kann ich wohl abschreiben.»
Für Trüffelsuche eingesetzt
Als sie auf den «Schädelihof» zog, kam zu den Border Collies noch eine zweite Hunderasse dazu: die Lagotti Romangnolo. «Es war schon eine Zuchthündin von Theos Ex-Frau auf dem Hof», meint Melanie Reist schulterzuckend. Auch der Lagotto Romagnolo ist ein Arbeitshund. Ursprünglich wurde die Rasse gezüchtet, um bei Jagden selbstständig Geflügel aus dem Wasser zu apportieren. Heute wird sie oft für die Trüffelsuche eingesetzt.
Charakter ist gefragt
Rasch eroberten auch diese Hunde das Herz von Melanie Reist. Doch die Rasse sei keineswegs so pflegeleicht, familientauglich und einfach zu erziehen, wie es einem die Google-Suche weismachen will. «Der Lagotto wird ‹verpudelt›. Dabei kann er sehr dickschädlig sein. So manche Familie kommt an ihre Grenzen, weil der Hund zu wenig ausgelastet ist.»
Beim Züchten versucht Melanie Reist bei beiden Rassen, die guten Eigenschaften der Hunde zu erhalten und die weniger guten auszugleichen. «Ich gebe meine Rüden nicht allen zum Züchten», stellt sie klar. Rund 100 Border-Collie- und Lagotti-Welpen brachten ihre Hündinnen schon zur Welt. «Den Hund weitergeben, ist das Schwierigste am Züchten.» Daher lernt sie immer alle künftigen Hundebesitzer bei mehreren Besuchen kennen, bevor die Welpen umziehen.
Die Tiere auf dem Hof bestimmen den Alltag von Melanie Reist. Frühmorgens hilft sie im Stall und tränkt die Kälber. Dann bewegt und trainiert sie die Hunde. Oder sie zügelt mit Hilfe der Border Collies die Schafe von einer Weide zur anderen. «Das machen wir möglichst alles zu Fuss.» Die Schafe gehören vor allem zur Rasse Scottish Blackface. Es sind aber auch deutsche Schwarzkopfschafe, Engadiner, Zackelschafe, SBS- und Skuddenmischlinge dabei. Das Fleisch wird direkt ab Hof oder über eine Biometzgerei vermarktet.
Die Tiere geben den Takt an
Nach dem Kochen des Mittagessens – «nicht mein Hobby» – stehen weitere Arbeiten mit Schafen und Hunden auf dem Programm. Zudem führt Melanie Reist auf dem Hof ein «Wullestübli», in dem sie Strickgarne und -zubehör verkauft. Im Sommer, wenn die Schafe auf der Alp sind, zieht es Reist und ihre vierbeinigen Helfer ebenfalls für einige Wochen in die Berge. Nicht zuletzt hat die 50-jährige Mutter eines erwachsenen Sohnes vier Freiberger-Pferde, die sie vor den Wagen spannt und reitet.
Bei Cara ist es bald soweit
Melanie Reist ist nicht auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen. «Doch ohne Tiere geht bei mir nichts». Der Weg zur Haustür führt am Büro vorbei. Hier steht schon eine Wurfkiste bereit: Die trächtige Logotto-Hündin Cara ist bald so weit. Daneben ist ein Gitterkäfig platziert, das Nachtlager für das Lamm. In wenigen Wochen darf das Jungtier wieder zur Herde.
Weitere Informationen: ww.biohof-schaedeli.ch