Flavia Ursprung bezieht Position für ihren Traumberuf: «Ein Landwirtschaftsbetrieb ist ein KMU, die Frauen spielen dabei entscheidende Rollen. In welcher anderen Branche arbeiten so viele Frauen in einer Führungsposition?», will sie wissen. Verstaubt findet sie nicht die Frauen vom Land, sondern das falsche Bild von ihnen in vielen Köpfen: den ganzen Tag hinter dem Kochherd und im Garten, allenfalls als Handlangerin im Stall. Solche Vorurteile räumt die Aargauerin in eigener Person aus dem Weg.
Gute Frauen gefunden
Flavia Ursprung ist die jüngste Vorstandsfrau im Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV). Sie wurde vor einem Jahr gewählt. Als Gast hatte sie einige Sitzungen besucht und gefunden: «Spannende Arbeit, gute Frauen – ich mache mit.» Die 24-Jährige gehört zu einer anderen Generation als ihre Vorstandskolleginnen. Sie schätzt deren Erfahrung und Wissen und erwartet im Gegenzug, dass sie auch von der Jüngeren etwas annehmen. Und weil das zutrifft, macht ihr die Arbeit Spass. Das Amt umfasst ein 20- bis 30-Prozent-Pensum. Der grosse Brocken in der ersten Zeit war das Einarbeiten. «Am Anfang hatte ich das Gefühl, nicht viel zu leisten», schaut die Aargauerin zurück. Heute sieht sie, wie viel Wissen sie sich angeeignet hat. Der SBLV befasst sich mit gesellschaftlichen und sozialen Themen, mit Politik ebenso wie mit Hauswirtschaft.
Diese Vernetzung sei eine Stärke der Bäuerinnen und Landfrauen, findet Flavia Ursprung, und sie sei besonders wichtig, wenn die Landwirtschaft in der Kritik stehe. «Gut informiert sein», bezeichnet sie als ihre Strategie und auch als eine Art Selbstschutz, um sachlich diskutieren und argumentieren zu können.
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Auch die Männer kochen
Flavia Ursprungs Partner ist Landwirt und arbeitet bei seinem Vater auf dem Betrieb in Seengen AG mit Milchwirtschaft und Ackerbau. Dort wohnt das Paar auch. Die gelernte Kauffrau arbeitet mit einem 60-Prozent-Pensum in einem Büro. Zu Hause führt sie den bäuerlichen Haushalt, macht einen Teil der Büroarbeit, pflegt den Garten. Die Rollenteilung ist klassisch – mit einem bemerkenswerten Detail: Die junge Frau erzählt nebenbei, dass die Männer selber kochen und waschen, wenn sie weg ist. «Ich finde es noch wichtig, dass sie auch mal alleine zurechtkommen.» Ihre Mutter habe ihr schon früh die Waschmaschine erklärt, und das tat sie auch mit ihrem Lebenspartner und seinem Vater. Im Gegenzug übernimmt sie bei Bedarf im Milchviehstall. Sie mag die Kühe und das Melken. Ihr Lebenspartner mag das Waschen und Kochen weniger gern – vielleicht gerade darum bekommt sie von ihm Wertschätzung für das Haushalten. Er weiss ja, dass sich das nicht von alleine macht.
Der Beruf ist anspruchsvoll
Die KV-Ausbildung fand Flavia Ursprung etwas trocken, die Bäuerinnenschule hatte sie schon damals interessiert. Im vergangenen Herbst bestand sie die Berufsprüfung als Bäuerin. «Das ist ein sehr moderner Beruf», klärt sie auf: Als Bäuerin habe sie zwar viel Arbeit, aber auch die Freiheit, sie selber zu gestalten. «Eine Bäuerin ist vielseitig und selbstbestimmt. Es ist ein anspruchsvoller Beruf. Du musst an so vieles denken, dich mit vielen Dingen befassen, die in einem anderen Job automatisch geregelt sind.»
Weil viele Betriebe ohne Frauen kaum funktionieren würden, findet Flavia Ursprung die soziale Absicherung der Ehepartnerin selbstverständlich. Das betreffe nicht nur Bäuerinnen, sondern viele Landfrauen, die zu Hause arbeiten. Für junge Menschen seien Altersvorsorge und Absicherung weit weg; viele würden diesen Gedanken wegschieben. «Aber das ist unsere Zukunft – das muss uns interessieren.» Es freut sie, dass der SBLV hier einiges erreicht und das Thema ins Bewusstsein gerufen hat. Flavia Ursprung nimmt es als Beispiel dafür, dass der SBLV für die ganze Gesellschaft wichtige Arbeit leistet. Daneben schätzt sie aber auch einfach die vielen Kurse, Weiterbildungsmöglichkeiten und Kontakte, die ihr der Landfrauenverband auf regionaler Ebene bietet.
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Flavias Tipp
Das hilft bei schwierigen Diskussionen: gut zuhören, ruhig und sachlich bleiben, nicht auf die persönliche Ebene rutschen. Sich mit Ich-Botschaften an den Gesprächspartner wenden: «Ich habe empfunden, dass …» Und zu guter Letzt darf auch eine Prise Humor nicht fehlen. Dies lockert noch so schwierige Gespräche auf und hilft zu einem guten Diskussionsende.