«Niemand hätte damit gerechnet, ich am allerwenigsten», sagt Franziska Steiner-Kaufmann. Am 8. März 2020 wurde die Bäuerin und Schulleiterin aus Gommiswald überraschend im ersten Anlauf in den St. Galler Kantonsrat gewählt.

Was folgte, war «mitunter ein kurzes Gefühl der Überforderung», stellt sie offen klar. Sie habe einen Umgang mit den vielen Akten und dem hohen Tempo in der Fraktion finden müssen, sagt die 29-Jährige. «Ich musste mich entscheiden, in welchen Themen ich mich von Anfang an engagieren will und wo ich mich auf die Meinung anderer Fraktionsmitglieder verlassen möchte.» Es ist ihr wichtig, gründlich vorbereitet zu sein und sich in alle Themen mindestens im Ansatz einzulesen.

Parteipolitisch offen

Franziska Steiner-Kaufmann politisiert für «Die Mitte». Die Wahl der Partei fiel ihr nicht schwer, schon ihr Vater war CVP-Gemeinderat und präsidierte einige Jahre lang den regionalen Bauernverband. «Es war aber nicht so, dass das Parteibüchlein schon im Kinderwagen lag», sagt sie mit einem Lachen. Die Familie sei parteipolitisch offen, so wählen Bruder und Schwester andere Parteifarben.

Politikerin oder junge Frau?

Ihre Kernthemen sind Bildung, Familienpolitik, Holz- und Landwirtschaft. Mit ersten Vorstössen konnte sie bereits punkten, so setzte sie sich erfolgreich für mehr Innovation in der Landwirtschaft ein. «Zu sehen, wie es ein eigenes Anliegen in der politischen Zusammenarbeit bis in den Rat schafft und angenommen wird, ist schön.»

Franziska Steiner-Kaufmann ist begeistert von ihrem Amt und der Unterstützung, die sie als Politik-Neuling in der Fraktion bekommt. Auf die Frage hin, wie sie den generellen Politbetrieb als Frau erlebt, meint sie: «Es gibt durchaus Situationen, in denen ich mich frage, ob ich jetzt wirklich als Politikerin oder eher als junge Frau wahrgenommen werde.» Das Gros der Begegnungen sei aber positiv.

Politdiskussionen beim Christbaumverkauf

Der erste Christbaumverkauf auf dem Hof nach der Wahl war etwas anders als sonst. «Neben dem Zusägen und Einpacken der Bäume, dem Einkassieren und den üblichen Weihnachtsgesprächen durften plötzlich auch noch Politdiskussionen mit Kunden und Kundinnen ihren Platz finden. Das war eine neue, aber im Grundsatz doch schöne Herausforderung.»

Kinder sollten zur Schule können

Im Frühling trat die Wahl aber erst einmal in den Hintergrund. Wenige Tage später kamen der erste Lockdown und die Schulschliessungen. Quasi über Nacht musste auf Fernunterricht umgestellt werden. «Das war eine intensive Zeit», sagt Franziska Steiner-Kaufmann rückblickend.

Sie hofft, dass es nicht noch einmal zu Schulschliessungen kommt. «Ich bin froh für jedes Kind, das die Schule besuchen kann. Wir haben im Frühling einige sehr schwierige Situationen in gewissen Familien erlebt», sagt sie nachdenklich.

Zwei Generationen

Im August reduzierte sie ihr Pensum als Schulleiterin auf 70 Prozent, denn es braucht sie auch zu Hause. 2019 kaufte sie mit ihrem Mann Simon den elterlichen Zehn-Hektaren-Hof. Bis heute bewirtschaften sie ihn mit ihren Eltern in einer Generationengemeinschaft. Alle vier arbeiten auswärts. Im Schwerpunkt kümmern sich ihr Vater und Simon Steiner um die zwölf Mutterkühe und ihre Kälber.

Die Pflege der Christbäume ist eher die Sache der beiden Frauen. Franziska Steiner-Kaufmann liebt diese Arbeiten, Rausmähen, Düngen, Zuschneiden. «Ich mag dieses Repetitive, das Auf- und Abfahren in den Baumreihen. Die Arbeit auf dem Betrieb erdet mich und ist ein Ausgleich zu meinen anderen beiden eher kopflastigen Tätigkeiten.» Kopflastig ist hingegen die Buch­haltung, für die sie ebenfalls zuständig ist: «Die landwirtschaftliche Bürokratie fordert mich noch immer.»

Im Dezember, wenn es um den Verkauf der Christbäume geht, sind alle gleichermassen gefordert. Simon Steiner und die Eltern nehmen Ferien, Franziska Steiner-Kaufmann baut einen Teil ihrer Überstunden in der Schule ab. Das Ehepaar und ihre Eltern ziehen am gleichen Strick. «Es gibt viele, die sich kritisch über das Modell Generationengemeinschaft äussern, aber wir haben mehrheitlich gute Erfahrungen gemacht.»

Eine Fasnachts-Liebe

Um den Betrieb übernehmen zu können, absolvierte Franziska Steiner-Kaufmann die Bäuerinnenschule, «wie meine Tanten und meine Mutter». Simon Steiner stammt auch aus einer Bauernfamilie, lernte aber Zimmermann und absolvierte diverse Weiterbildungen. «Für ihn hätte es nicht gepasst, plötzlich noch zwei Jahre Landwirt zu lernen.»

Sie lernte ihn «für unsere Region ganz klassisch» an der Fasnacht kennen. Mit 18, kurz vor der Matura. «Damals war die Landwirtschaft eher in den Hintergrund gerückt, ich interessierte mich für Musik, Kultur und Geschichte», sagt sie. Steiner-Kaufmann schloss das Gymnasium mit dem Schwerpunkt Gesang und Klarinette ab. Bis heute spielt sie im lokalen Musikverein mit.

Bewährte Kombination

Über die Jahre half das Paar immer mehr auf dem Betrieb mit und so kam eines zum anderen. «Meine Eltern sind diesbezüglich Freigeister. Mein Vater sagte noch drei Monate vor dem Überschreiben, wir könnten dann mal in den Stall stellen, was wir wollen und wenn wir plötzlich doch nicht mehr bauern wollen würden, wäre es auch nicht schlimm.» In den nächsten Jahren wollen sie der bewährten Kombination Christbäume und Mutterkühe aber treu bleiben.

«Als meine Eltern vor 30 Jahre die ersten Christbäume pflanzte, sorgte das für Irritationen, aber es funktioniert bis heute», bilanziert sie. Auch Steiner-Kaufmanns haben neue Ideen für ihren Betrieb, die sie in den kommenden Jahren testen wollen. So interessieren sie sich für die Haltung von Gänsen und möchten gerne einmal testen, ob sich hier auch Synergien für die Christbaumproduktion erwirtschaften lassen.

Selbstständigkeit und Solidarität

Franziska Steiner-Kaufmann denkt gerne an ihre Kindheit zurück. «Es war schön, so aufzuwachsen, so viel draussen zu sein und dem Däddi Pfähle hinterherzutragen oder im Garten eine eigene Kräuterkultur zu realisieren.» Ihre Eltern hätten sie früh Selbstständigkeit und Solidarität mit anderen gelehrt.

«Sie haben uns beigebracht, dass wir nicht die Situation ändern können, in der wir gerade stecken, aber den Umgang damit beeinflussen können.» Bis heute ist ihr Credo, das gut und gründlich zu machen, was gerade aktuell ist. «Alles andere weist sich dann», sagt sie, auch auf die Frage, ob es ihr Wunsch wäre, einmal auf nationaler Ebene zu politisieren.

Weitere Informationen: www.steiner-kaufmann.ch