Wenn man dann endlich – dazu später mehr – im Büro von Katja Glauser eintrifft, wähnt man sich nicht unbedingt in einem bäuerlichen Geschäftsraum. Grosszügig und hell, mit einem Besprechungstisch, aber auch vielen Bundesordnern, kommt das Büro daher. Hier hat die gebürtige Polin, adrett gekleidet («ich mache das für mich und auch ein wenig für meinen Mann»), das Sagen.

Erntehelfer aus der Heimat

Glausers gehören zu den wenigen Betriebsleiterpaaren, die nicht auf dem Betrieb wohnen, sondern unten im Dorf. Dieser Umstand führte auch zur neunminütigen Verspätung des Chronisten und zu einem, wenn auch herzlichen, Hinweis darauf der Betriebsleiterin. Katja ist ihr zweiter Vorname, getauft wurde sie als Malgorzata (Margarete), da es in der Schule aber eine Namensvetterin gab, sei sie seither «die Katja».

Heute managt sie die vier Hektaren Beeren auf dem Betrieb im luzernischen Aesch. Ihr Mann Markus kümmert sich in erster Linie um das dazugehörende Tiefbauunternehmen und die Rindermast. Die Bäuerin kommt um eine klare Linie nicht umher. Rund 20 Angestellte durchlaufen jährlich den Betrieb und damit ihr aufgeräumtes Büro. Fast alle kommen sie aus Polen und häufig aus dem Geburtsort von Katja Glauser in der Region Niederschlesien im Grenzgebiet zu Deutschland, Tschechien und der Slowakei. Für die Rekrutierung kann sie auch auf die Mithilfe ihrer Schwester vor Ort zählen.

Arbeitgeberin und Mutter zugleich

Meist kommen die Erntehelfer in Gruppen auf den Hof Honeriweid und bleiben mit Kurzaufenthaltsbewilligung zwischen einem und drei Monate. Drei langjährige Mitarbeiter bleiben den ganzen Sommer über. In dieser Zeit ist Bäuerin Glauser für die Truppe in allen Belangen da und eine Mischung aus Arbeitgeberin und Mutter. Von sämtlichen Papieren und Bewilligungen über Zahnarztbesuche, Unterkunft oder Verpflegung und natürlich den Arbeitsplänen bleibt schliesslich fast alles an ihr hängen. Daneben ist sie auch noch Mutter von fünf Kindern.

Wohnen im Dorf

Wobei die ältesten drei aus einer früheren Beziehung bereits im Erwachsenenalter sind. Es waren auch die fünf Kinder, welche Glausers schliesslich in die Dorf-Wohnung brachten. «Für einen Hausbau auf dem Betrieb wurden uns nur 120 m2 bewilligt», blickt sie zurück. Dies, da bereits ein Stöckli auf dem Betrieb steht. Einen Neubau, in dem nicht alle Kinder ihr eigenes Zimmer haben, wollten Glausers nicht. Das Ganze war frustrierend, hat aber eine positive Seite: Es gibt in der hektischen Erntezeit wenigstens abends ein wenig Abstand zum Betrieb und dem über ein Dutzend anwesenden Angestellten. «Die Bürokratie in der Schweiz ist schon sehr gross», hat sie erfahren. Bis die Erntehelfer jeweils in der Schweiz sind und arbeiten dürfen, gilt es haufenweise Formulare auszufüllen. Unterstützung dabei gibt es vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband.

Der Aufwand lohnt sich trotzdem, denn «die Schweizer sind für solche Arbeiten nicht gemacht», erzählt Katja Glauser und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Pflücken sei körperlich sehr anstrengend. Auch Personal «aus der Stadt», über die Caritas vermittelt oder solche, welche sie über Internet-Inserate anstellte, «brachten es meistens nicht». So ist sie bei ihren Landsleuten geblieben. Die Leute müssen arbeiten können, die Sprachen beherrsche ja sie, sagt sie gelassen. Wobei sie auch in diesem Team rund jeden Zehnten wieder heimschicken müsse.

Und das macht sie ungern. «Polen sind sehr gute Arbeiter», erklärt sie. Aber leider auch routiniert im Umgang mit flüssigen Genussmitteln. Dass dies in der Schweiz nicht gehe, sei für viele schwer begreifbar. Noch schwieriger sei es, wenn es Bekannte oder Verwandte von ihr sind. Die Art und Weise, Probleme anzusprechen und Konflikte zu lösen, unterscheide Polen von Schweizern. Im Osten sei man direkter und wenig zimperlich.

Beeren sind Risikogeschäft

Die Beeren-Managerin stört sich daran, wenn Berufskollegen die ausländischen Angestellten nicht korrekt anstellen, entlöhnen und versichern. «Das geht nicht», sagt sie bestimmt. Glausers Erntehelfer haben es gut. Die Chefin sorgt auch dafür, dass abends polnisches Programm läuft im TV und eine polnische Köchin sorgt für ausgewogene Ernährung. Dass die willigen Arbeiter wiederkommen, dafür sorgt auch der Lohn. «In der Schweiz verdienen sie netto drei- bis viermal mehr als in Polen», sagt Glauser.

Das Beerengeschäft sei gewiss kein einfaches. Der Aufwand sei gross und alle Risiken beim Produzenten. Aus diesem Grund hätten sie die Anbaufläche auch von sieben auf vier Hektaren reduziert. Geliefert wird der grösste Teil der Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren einer nahen Landi. Die Produzentenpreise verharren, während der Aufwand, vor allem bei den Löhnen, stetig steigt. Wetterkapriolen, die Kirschessigfliege und der Druck rund um den Pflanzenschutz zählt die Beeren-Spezialisten als weitere Herausforderungen auf.

Reservierte Schweizer

In der Arbeitswelt ist Katja Glauser in der Schweiz angekommen. Und privat? «Meinen Mann kennt man, das ist ein Vorteil», sagt sie. Wenn sie alleine unterwegs sei, ist das Ganze doch schwieriger. Mit Berufskolleginnen habe sie nicht so viel Kontakt, es sei auch immer eine Zeitfrage mit Betrieb und Kindern. Ihre Arbeit mag sie. Auch, weil die Kinder häufig dabei sein können. Umso wichtiger, da Kinderkrippen in der Schweiz – im Gegensatz zu Deutschland, wo sie als Schneiderin arbeitete, bevor sie der Liebe wegen ins Luzernbiet zügelte – kaum bezahlbar seien. Und sie hänge sehr an den Beeren, allen Umständen zum Trotz.Armin Emmenegger