«Die Menschen sollten von den Tieren und den Pflanzen nicht mehr nehmen, als sie brauchen», erklärt Jasmin Blaser ihre Einstellung. Sie steht auf einem Hof in Goumois JU der bald ihr gehört und denkt über die Welt nach. Die 29-jährige Landwirtin, eine eher unauffällige Frau mit kastanienbraunen Haaren, steckt voller Energie. Ende 2019 übernimmt sie den Hof. Es ist ein Bauernhof, wie man ihn sich vorstellt, mit ganz vielen Tieren: Schafen, Lämmern, Pferden, Gänsen, Hühnern, Eseln, Ziegen, Schweinen, Bienen, Hund und Katze.
Selbst ein Bauernkind
Jasmin Blaser ist auf einem Hof in der Nähe von Thun BE aufgewachsen. Als sie älter wurde, gerieten sie sich mit ihrem Vater in die Haare. Sie zog früh aus, begann das Gymnasium, brach ab und probierte sich an einer kaufmännischen Ausbildung. Sie zog mal da, mal dorthin und die Frustration über die konsumwütige, profitorientierte, kaltherzige Leistungsgesellschaft zog sie runter. Bis sie realisierte: «Es bringt nichts, im Weltschmerz zu versinken und sich darüber zu beschweren, was alles verkehrt läuft. Man muss etwas machen, um etwas zu verändern», erzählt sie und schaut mit warmen, hellblauen Augen direkt in die Welt.
So wunderschön ruhig
So kam es, dass Jasmin Blaser in Marthalen ZH eine Lehre als Gemüsegärtnerin begann und in Salavaux VD abschloss. Ihr Lehrmeister machte sie schliesslich auf den Hof in Jura aufmerksam. «Es war Liebe auf den ersten Blick», sagt die junge Frau und lacht laut, als sie von ihrem ersten Besuch auf dem Hof im Mai 2017 berichtet. «Es ist so wunderschön und ruhig hier», meint sie weiter. Wohin das Auge reicht, ist Wald zu sehen nur weit weg am Horizont, verdeckt durch Bäume, erkennt man einige Häuser. Kurz nach ihrem Besuch war sie sich sicher, dass sie auf dem Hof arbeiten möchte. Daneben startete sie die biodynamische Ausbildung an der Landwirtschaftsschule in Rheinau ZH.
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Rückschritt als Fortschritt
An dem abgelegenen Ort im Jura, findet Jasmin Blaser Frieden und einen Boden mit viel Nährstoff für ihre Ideen. «Am liebsten würde ich wieder von Hand melken und mit dem Pferd heuen», meint Jasmin Blaser aufgeregt. Auch die Sonnenenergie und das Regenwasser möchte sie in Zukunft besser nutzen. «Ich will nicht warten, bis der letzte Tropfen Wasser aus der Quelle dringt, sondern schon vorher nach
Lösungen suchen», erklärt sie eifrig.
Finanzieller Druck bereitet Sorgen
Der Leistungsdruck der kapitalistischen Wirtschaftswelt kostet Jasmin Blaser viel Energie. «Das Hofkaufprojekt ist eine riesige Herausforderung», meint die junge Landwirtin. Das Finanzielle mache ihr dabei am meisten zu schaffen. Den Hof kann sie zwar zum Ertragswert übernehmen: «Wenn ich aber an die Hypothek denke, die ich aufnehmen muss, wird mir ganz mulmig». Sie fühle sich wie in Fesseln. «Alles dreht sich immer um das Geld und den Profit», führt sie aus. So werde auch aus der Natur, durch die immer industriellere Landwirtschaft, das Äusserste herausgeholt. «Das ist alles so falsch», meint die junge Frau. Dem Boden, den Pflanzen und den Tieren müsse man viel mehr Wertschätzung entgegenbringen.
Landwirtin und Philosophin
Gedankenverloren streichelt Jasmin Blaser ihre Hündin Momo. «Ich bin schon ein wenig eine Philosophin», meint sie lächelnd, «vielleicht naiv, vielleicht utopisch, aber meine Gedanken über die Landwirtschaft sind noch lange nicht fertig gedacht». Es brauche sicher ein paar Schritte zurück, weg von der Mechanisierung, zurück zur liebevollen menschlichen Zuwendung. Zurück in die Steinzeit wolle sie aber nicht, ergänzt sie verschmitzt. Auf dem 27 Hektaren grossen Betrieb hält die junge Frau bald 100 Schafe. Von diesen gibt es von April bis Oktober im Schnitt 350 Liter Milch pro Woche, die in der hofeigenen Käserei veredelt werden. Zusammen mit der Pension mit sechs Pferden ist dies der Hauptbetriebszweig. Hilfe hat die Landwirtin jeweils von April bis Oktober von einem saisonalen Mitarbeiter aus Tschechien. Seit 13 Jahren arbeitet er auf dem Betrieb.
Der richtige Zeitpunkt
Für Jasmin Blaser sei jetzt die richtige Zeit, um das Hof-Projekt anzupacken. Sie zeigt ihren kleinen Garten, in dem einige Salate ihre Köpfe der Sonne entgegenstrecken. In einem Gewächshaus stehen rund 60 Tomatenpflanzen, sorgfältig nach oben gebunden.
«Wenn meine Eltern in ihrem Umfeld erzählen, dass ich einen Hof übernehme, sagen die Leute oft »Ach, dann hat sie einen Freund gefunden?»» Es sei schon aussergewöhnlich, dass sie das als junge Frau alleine durch ziehe. «Aber so ist es nun mal, der Bauer bin ich», sagt sie und lacht.
Ich bin nicht die Hausfrau
Es wäre schön, wenn sich die klassischen Rollenvorstellungen in der Landwirtschaft etwas ändern würden. «Ich will nicht in die Rolle der Hausfrau gedrückt werden und somit für die Verpflegung des ganzen Hofes zuständig sein, nur weil ich eine Frau bin», empört sich Jasmin Blaser. Jeder solle das machen, was er gerne mache, würden auch ihre Freunde sagen. Und genau das tut die Landwirtin, wenn sie im neuen Jahr den Hof übernimmt.