«Nicht nach draussen schauen», bittet Barbara Schirmer lachend beim Betreten der Wohnküche. Vor dem Fenster zeigt sich ein Garten, der wie gepflügt wirkt. «Das waren unsere Wollschweine. Wir haben sie wegen der Werren in einem eingezäunten Stück Garten wühlen lassen.» Doch die Vierbeiner hatten ihre eigene Vorstellung davon, wo und wie sie wirken.

Barbara Schirmer und ihr Mann Erwin bewirtschaften einen Hof in Schänis SG in der Linth-Ebene zwischen Zürich und Chur, in der Nähe des Walensees. Erwin Schirmer hatte 1987 mit gerade mal 18 Jahren die damalige Pacht seines Vaters übernommen. Dieser war ein Bauernsohn, amtete aber im Hauptberuf als Pöstler. «Ich selbst wollte immer nur Bauer werden», erzählt sein 54-jähriger Sohn, während er die Kaffeetassen auf dem Tisch verteilt.

Gern draussen

1999 lernte er Barbara aus dem urbanen Uster kennen, die damals noch Ebinger hiess. Ihre Eltern führen dort eine eigene Schreinerei und auch sie ist ausgebildete Schreinerin. Damals reizte sie zudem ein Musikstudium. «Während des Vorkurses am Konservatorium realisierte ich aber, wie gern ich draussen bin», sagt Barbara Schirmer. Daher scheute sie nicht zurück, als ihr an einem Abend im Ausgang ihr heutiger Mann einen Kaffee spendierte und sagte, dass er Landwirt sei.

Das Paar bekam in viereinhalb Jahren vier Kinder, die drei Töchter und der Sohn sind heute zwischen 18 und 23 Jahre alt. Vor 21 Jahren konnten die beiden den Hof aus der Pacht kaufen. «Auf diese Weise wurde ich Mitinhaberin», stellt Barbara Schirmer klar. Sie begannen den Hof so umzugestalten, dass er zur Familie passte. «Das Haus, der Stall, dann wieder das Haus: wir waren ständig am Bauen», erinnert sich die 50-jährige Bäuerin.

Freude von Anfang an

Heute gehören 20 ha Land zum Betrieb, 15 Milchkühe und deren Jungvieh, 15 bis 20 Geissen mit ihren Gitzis, Katzen, Kaninchen, 30 Hühner, je zwei Wollschweine, Gänse, Enten und Hunde. Barbara Schirmer ist in die Landwirtschaft hineingewachsen, denn ihre Mithilfe im Stall und auf dem Feld war vom ersten Tag an gefragt. «Es machte mir auch von Anfang an grosse Freude.»

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Schwieriger fand sie zu Beginn, dass in der Landwirtschaft der Sonntag immer nur von 9 bis 16 Uhr dauert, vorher und nachher gibt es Tiere zu versorgen. Dass der Betrieb immer vorgeht, kannte sie schon von ihren Eltern. «Doch auf dem Hof konnten die Tiere alle Pläne kurzfristig umwerfen.»

Es begann mit Protokollen

Als die vier Kinder aus dem Gröbsten raus waren, nahm sie einen 20-Prozent-Job bei der Wasserversorgung an. Ehrenamtlich begann sie, Protokolle für den Bäuerinnen-Apéro Linth zu schreiben. «Ziemlich unverhofft fragte mich die ‹Linth-Zeitung› an, ob ich für sie als freie Mitarbeiterin aktiv sein würde.» Barbara Schirmer sagte zu, bekam Spass am Schreiben und absolvierte an der Fachhochschule Graubünden eine Weiterbildung als Print-Journalistin. Mit der Zeit schrieb sie für sieben Redaktionen, unter anderem für den Ostschweizer Bund der BauernZeitung.

Ab 2020 verfasste sie für die «Linth-Zeitung» zudem eine wöchentliche Kolumne mit dem Titel «Tänntörligflüschter». Darin erzählte sie aus ihrem Alltag als Bäuerin, von den Tieren, dem Leben und Arbeiten auf dem Hof. Trauriges, Mehrsinniges und Lustiges. Etwa, als ihr Mann ihr am 10. Hochzeitstag sagte, sie solle mitkommen, er habe eine Überraschung.

Eine besondere Perlenkette

Also machte sie sich schick – und er fuhr mit ihr zur nächsten Landi. Dort suchte er ihr «mit grösster Sorgfalt» eine Sense heraus. Eine, die im Gegensatz zu dem bereits vorhandenen Gerät zu ihrer Grösse passt. «Meinen Hinweis, dass ich mich auch über eine Perlenkette gefreut hätte, räumte mein Bauer mit dem Satz ‹die Sense kommt öfter zum Einsatz› vom Tisch», schrieb Barbara Schirmer in ihrer Kolumne. Die Sense hat bis heute den Übernahmen «die Perlenkette». «Ob ich enttäuscht war? Nein. Welche Bäuerin hat schon das Privileg, mit einer Perlenkette zu mähen?»

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Die Kolumnen kamen an. «Sie zeigt den Leuten, wie die Landwirtschaft wirklich ist, dass es manchmal stinken muss, damit etwas wachsen kann.» Barbara Schirmer bekam viel Post von Leserinnen und Lesern. Manche kamen sogar unangemeldet auf den Hof. Sie wollten den Mann kennenlernen, der in der Kolumne nur als «mein Bauer» bezeichnet wird, also Erwin Schirmer. «So entstehen Dialoge, doch es gibt auch Grenzen», meint er lächelnd dazu. Die Familie hat seither eine eigene Website.

Von der Kolumne zum Buch

Aus den Kolumnen aus drei Jahren entstand letzten Winter ein Buch, das mit Zeichnungen der Töchter Viktoria und Sophia illustriert ist. «Dabei war es nie mein Traum, ein Buch zu schreiben», sagt Barbara Schirmer. Doch nun ist sie stolz darauf. «Ich wurde von den Reaktionen überschwemmt und freue mich, wenn ich die nicht-landwirtschaftliche Welt mit meinen Texten erreichen kann.»

[IMG 4] Die Kaffeetassen sind leer, Barbara Schirmer blickt versonnen nach draussen. «Ich habe mit dem Garten Frieden geschlossen.» Früher habe sie gedacht, sie müsse ständig jäten, damit alles schön aussieht. Schon seit Jahren setzt sie auf ein friedliches Miteinander von Gemüse, Blumen und Beikräutern. «Und wenn ich mir schon die Mühe mit selbst gezogenem Gemüse mache, dann wähle ich Pro-Specie-Rara-Samen und -Setzlinge, weil ich etwas Besonderes will.»

Seit die Kinder flügge sind, ist Barbara Schirmers Tag etwas weniger getaktet. Sie schreibt weiterhin Kolumnen für die «Linth-Zeitung», nun aber im Zwei-Wochen-Rhythmus. Auch ihrem Job bei der Wasserversorgung ist sie treu geblieben. «Ich mag die Abwechslung zwischen dem Kreativen beim Schreiben, dem technischen Zugang bei der Wasserversorgung und den handfesten Arbeiten auf dem Hof.» Doch sie freut sich über etwas mehr Zeit, um die Sachen «richtig» zu machen, nicht allem einen Schritt hinterherzuhinken. «Ich bin wohl doch etwas perfektionistischer, als ich es mir eingestehe.»

Weitere Informationen: www.bauernhof-warthausen.ch

 

Fünf Fragen
 
Wo ist Ihr Lieblingsplatz?
Im Stall am Morgen früh, bevor die Melkmaschine läuft. Es ist so friedlich, wenn man hört, wie die Kühe beim Fressen mahlen.
Wie belohnen Sie sich?
Mit einer Reihe Schoggi oder gutem Essen. Ich mag gutes Essen.
Was macht Sie schlaflos?
Nichts, ich lege mich ins Bett und schlafe sofort ein.
Was rührt Sie zu Tränen?
Schicksalsschläge in meinem Umfeld oder auch, als unser letzter Hofhund überfahren wurde.
Worüber haben Sie sich in den letzten 24 Stunden geärgert?
Über eine unangemeldete BTS, RAUS, Bio Suisse, Bio V, Weidebeitrag und Tierschutzkontrolle. Nicht über die Kontrolle selbst, sondern über die Kontrolleurin.