Sie isst am liebsten Braten mit Kartoffelstock und sie ist eine der grössten Ski-Hoffnungen der Schweiz: die Bauerntochter Fabienne Wenger aus Zwischenflüh im Berner Oberland. Mit gut zwei Jahren stand das Ski-Talent zum ersten Mal auf den Skiern. Ihre Schwestern Arianne und Deborah taten es ihr gleich. Doch: «Fabienne hatte am meisten Biss und Durchhaltewillen», sagt ihr Vater Hans Wenger im Gespräch mit der BauernZeitung.

Drei Schweizer-Meister-Titel

Trotz ihres jungen Alters ist die Erfolgsliste von Fabienne Wenger schon lang: Die 17-jährige Berner Oberländerin holte dieses Jahr im April am Jakobshorn in Davos GR den Schweizer-Meister-Titel bei den Profis in der Abfahrt. «Das war schon etwas Besonderes für mich», so die junge Frau. Wenger siegte nicht nur bei der Elite, sondern holte auch bei den U18 und bei den U21 den Abfahrts-Schweizer-Meister-Titel. Die talentierte Skifahrerin überzeugt aber nicht nur bei der Abfahrt. «Ich fahre alle vier Disziplinen», hält sie ausdrücklich fest.

Nun ist Fabienne Wenger ins B-Kader von Swiss-Ski aufgestiegen. Schlagen die Resultate auch nächsten Winter an, ist der Sprung ins A-Kader möglich. «Natürlich ist es mein grosses Ziel, dass ich mich irgendwann im Weltcup etablieren kann», so Wenger, die neben dem Skifahren zurzeit auch noch die Schulbank am Gymnasium in Gstaad drückt. Wenn es ihre Zeit erlaube, sei sie gerne bei den Kühen oder auf der Alp bei ihren Eltern am Seebergsee im Diemtigtal. «Fast wie an einem Skirennen, so fühlte ich mich diesen Frühling an der Bernischen Eliteschau, wo ich unsere reine Simmentalerkuh Favorit Popcorn vorführen durfte», so die Bauerntochter.

Alles selbst bezahlt

Obwohl für die Eltern Dunja und Hans Wenger der Erfolg ihrer Tochter eine Genugtuung ist, war das Ganze für sie finanziell doch eine grosse Herausforderung. «Bis sie im B-Kader war, haben wir alles selbst bezahlt», rechnet Hans Wenger die Auslagen für Ausrüstung, Hotel- oder auch Reisespesen vor. «Für uns als Bergbauernfamilie war das nicht leicht zu stemmen. Wir sahen aber, dass unsere Tochter Talent hat und den Sprung in ein Swiss-Ski-Kader schaffen könnte», so der Vater. Letztes Jahr habe man noch eigenhändig in einen Servicemann investiert – eine Entscheidung, die sich nachträglich doch mehr als gelohnt haben könnte.

Keine Sponsoren gefunden

«Da wir die Auslagen finanziell fast nicht stemmen konnten, gingen wir auch auf Sponsorensuche», erzählt Hans Wenger das Erlebte. Als Bauerntochter, die gerne Fleisch und Milchprodukte isst, habe er das Gefühl gehabt, dass es genug Unternehmen in der Landwirtschaft gäbe, die für ein Sponsoring oder einen Geldbetrag infrage kommen könnten. «Ich habe bei mehreren Organisationen und Unternehmen aus der Landwirtschaftsbranche nachgefragt. Überall erhielt ich eine Absage», sagt er enttäuscht.

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Eine Chance verpasst

«Hier hätten diese Organisationen jetzt einmal jemanden unterstützen können, der zu 100 Prozent zur Schweizer Landwirtschaft steht», so der Bergbauer. Nur Swissgenetics stellte Wengers einige Jahre ein Sponsoring in Form von Besamungsgutscheinen zur Verfügung. «Es waren immerhin einige Hundert Franken», freut sich Vater Wenger heute noch. Hilfe gab es dafür von Freunden, Bekannten und aus der Viehzüchterszene, die ihre Portemonnaies öffneten und Familie Wenger – oder besser gesagt die Tochter – finanziell unterstützten. Ein grosses Lob hat Hans Wenger auch für seine Schwiegereltern übrig. «Sie fuhren unsere Tochter ins Ski-Training, holten sie wieder ab – als Bauernfamilie war das für uns eine sehr grosse Entlastung», hält er fest.

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Möchte Tierärztin studieren

Fabienne Wenger, die später Tierärztin studieren möchte, hat den Kampfgeist und den Durchhaltewillen in ihren Genen. «Kilian Wenger, der Schwingerkönig von 2010, ist mein Cousin und mein Götti zugleich», sagt sie stolz, «aber Schwingen hat mich nie gereizt. Viel lieber ging ich als Kind Skifahren», sagt die Bauerntochter lachend. Und noch ein weiterer Schwingerkönig kommt aus ihrer Familie. «Mein Schwiegervater David Roschi wurde 1972 in La Chaux-de-Fonds auch Schwingerkönig», so Hans Wenger.

In den Weltcup schaffen

Nun ist Fabienne Wenger im B-Kader des Schweizer Ski-Teams angelangt. Das heisst, alle Kosten werden fortan vom Schweizerischen Skiverband übernommen. Das sei jetzt eine grosse Erleichterung für die ganze Familie. «Jetzt will ich es in den Weltcup schaffen», so die Bauerntochter. Die Trainings und die Vorbereitungen für die nächste Saison haben schon begonnen, im Wallis auf dem Gletscher werde trainiert. Und vielleicht wird es schon bald heissen: Fabienne Wenger aus Zwischenflüh gewinnt ihr erstes Weltcup-Abfahrtsrennen – eine Bauerntochter aus dem Berner Oberland.