Am Safranprojekt der Bauernfamilie Gerber aus Oberruntigen, Gemeinde Radelfingen im Kanton Bern, hätte jeder Werbefachmann garantiert seine helle Freude. Um erfolgreich ein Produkt zu bewerben, braucht es eine passende Geschichte, in der das zu verkaufende Produkt verpackt ist – das sogenannte Storytelling. Gerbers mussten sich dazu keine Geschichte aus den Fingern saugen. Denn ihre Produktion des teuersten Gewürzes der Welt im grossen Familienverbund ist Geschichte genug. Es ist nicht einfach das Betriebsleiterpaar Stefan und Susanne Gerber, das auf ihrem Hof Safran anbaut. Die Safranproduktion ist vielmehr ein Projekt der ganzen Grossfamilie Gerber. 

Die Abrechnung erfolgt nach geleisteten Stunden

Die fünf Gerber-Brüder Stefan, Bronson, Timo, Nick und Silvan haben für den Safrananbau eigens eine gemeinsame GmbH mit der Marke «Oberruntiger Familienprojekt – Anbau von exklusiven Produkten» gegründet, bei der sie alle gleichermassen beteiligt sind. Nebst den Brüdern arbeiten auch die Eltern Niklaus und Christine Gerber sowie die Ehefrauen und Partnerinnen Susanne Gerber, Larissa Minder, Corina Gerber, Timea Walker und Lea Tschanz mit. Jedes Familienmitglied arbeitet dabei so viel mit, wie es nebst eigenem Job, Familie und Hobbys bereit ist, einzubringen. Abgerechnet wird die geleistete Arbeit nach Anzahl Stunden.

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In Zahlen

800 Gramm Safran verbleibt der Familie Gerber nach dem Trocknen pro Saison,
45 Aren gross ist die Safran-Anbaufläche des Familienprojektes,
65 000 Safranzwiebeln wurden seit 2017 gesetzt,
250 Krokusblüten ergeben 750 Safranfäden, was 1 Gramm Safran getrocknet entspricht,
60 Franken kostet bei Gerbers 1 Gramm Safran.

Die Feldpflege übernimmt der Betriebsleiter

Für die Feldpflege ist Stefan Gerber zuständig, der den Hof 2020 von seinen Eltern übernommen hat. Er stellt der GmbH auch das Land und die nötige Gerätschaft gegen Entgelt zur Verfügung. Bei der Ernte, dem Verarbeiten, Verpacken und Verkaufen an einigen Märkten helfen alle mit. «Keiner würde dieses Projekt ohne die anderen machen», erklärt Stefan Gerber. Dabei bringt jedes seine eigenen Fähigkeiten mit ein. [IMG 2]

Zum Safran kommt Reisanbau dazu

Den Lead für das Marketing hat Corina Gerber übernommen. «Sie ist die Marketing-Chefin», erklärt Stefan Gerber mit Blick auf seine Schwägerin. Sie ist zuständig für das Austüfteln von möglichen Präsentationsmöglichkeiten und Geschenk-Sets, die jetzt hinsichtlich Weihnachten grossen Anklang finden. Denn Gerbers bauen nicht nur Safran an, sondern seit 2021 auch eigenen Risottoreis. Auch dieses Nischenprodukt wird im Familienbund produziert und unter der Marke Oberruntiger vertrieben.

Betriebsspiegel

Betriebsleiterfamilie: Stefan und Susanne Gerber mit Julia, Mike und Sam
Ort: Oberruntigen, Gemeinde Radelfingen BE
Mitarbeitende: Vater Niklaus Gerber 100 %, Mutter Christine Gerber 10 %, mehrere zusätzliche Kleinpensen, Saisonnier im Herbst
Fläche: 42 ha
Kulturen: Getreide, Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln, Speisekürbis, Grünland sowie Nischenkulturen Nassreis und Safran
Tiere: 40 Weidemastrinder, 35 Zuchtschweine, 12 000 Masthühner
Weitere Betriebszweige: Hundeferienhof, wenig Lohnarbeiten

Wie aus einer Schnapsidee Realität wird

Aber wie kommt man auf die Idee, Safran als Familienprojekt anzubauen? Allgemeines Gelächter kommt bei dieser Frage im Verarbeitungsraum auf, in dem mehrere Familienmitglieden Reis in Handarbeit auf Fremdkörper untersuchen oder Safran mit der Pinzette in Döschen abfüllen. Timo Gerber warf eines Tages frühmorgens um vier Uhr, nach dem Ausstallen der Hühner und entsprechend müde, die Idee in den Raum, man könnte doch gemeinsam CBD-Hanf anbauen. Bronson Gerber war dagegen mit der Begründung, damit sei dann ständig die Polizei auf Platz. Plötzlich fiel der Satz: «Ja, dann halt Safran.» Gesagt, getan. Diese eher als Scherz gemeinte Idee am Küchentisch liess niemanden mehr los, jedes informierte sich individuell. Die Geschichte nahm so in kurzer Zeit Dynamik an und wurde 2017 mit dem Setzen der ersten Krokuszwiebeln in die Realität umgesetzt. [IMG 4]

Die Nachteile der Kleinproduktion

Eine Zusammenarbeit mit so vielen unterschiedlichen Meinungen kann doch auch schwierig sein. Gerbers haben rasch gemerkt, dass nicht alle Entscheidungen im grossen Kreis gemeinsam getroffen werden müssen. Meist sei es eine kleine Runde, welche Grundlegendes entscheiden würde. Auch wenn das Projekt Safran und später die Reisproduktion gut angelaufen sind, besteht durchaus Wachstums- und vor allem Optimierungspotenzial. «Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen», erklärt Stefan Gerber. So wird auch viel Handarbeit in Arbeiten gesteckt, wie Etiketten auf Verpackungen zu kleben. Denn um die Verpackungen direkt bedrucken zu lassen, sind die benötigten Stückzahlen für die Druckerei, die sich in der Umgebung, nur wenige Dörfer weit weg befindet, schlicht zu klein.

Der Handarbeit verteuert das Produkt

Bei der Safranernte liege durchaus noch mehr drin. Doch die Ware, die durch die viele Handarbeit sehr teuer ist, müsse auch vermarktet werden können, erklärt Stefan Gerber. Denn nur allein zum Spass und um gemeinsam Zeit zu verbringen, produziert die Familie keinen Safran. Dennoch glaubt man Corina Gerber aufs Wort, wenn sie sagt: «Wir alle haben eine grosse Leidenschaft für unser Familienprojekt und nicht nur die Rendite im Kopf.»