Seit dem Bergsturz in Blatten vom 28. Mai ist im Lötschental nichts mehr gleich wie vorher, auch für die Landwirtschaft nicht: Acht Landwirtschaftsbetriebe haben wegen des Bergsturzes ihre Ställe, Häuser und einen grossen Teil ihrer Nutzflächen verloren. Acht weitere Betriebe sind durch den Verlust ihrer Futterflächen direkt betroffen. Von einer Hektare bis zu 20 Hektaren pro Betrieb reicht die Bandbreite.

Eine grosse Leere

Am Montag, 23. Juni, wurde im Dorf Ferden im Lötschental orientiert, wie es mit der Landwirtschaft in Blatten jetzt weitergehen soll. «Trotz der schwierigen Lage blickt die Landwirtschaft mit Entschlossenheit nach vorne», sagt Daniel Ritler, Präsident der Genossenschaft für die Bewirtschaftungsarrondierung im Lötschental (BWA). Ritler, der als Landwirt selber von der Naturkatastrophe betroffen ist, hat wegen des Bergsturzes alles verloren. «Das Haus, der Stall, alles ist unter dem Schuttkegel begraben», sagt der Landwirt. Bei ihm habe sich nach dem Bergsturz sofort eine Leere ausgebreitet. «Ein 30-jähriges Lebenswerk, das innert 40 Sekunden zerstört wurde», sagt er nachdenklich. In den darauf folgenden Tagen sei aber wieder ein Vertrauen entstanden, um vorwärts zuschauen. Auch die grosse Solidarität aus der ganzen Schweiz haben ihm viel Kraft und Motivation gegeben. Am Tag des Erdrutsches war er auf der Alp und hatte einem Kollegen beim Zäunen geholfen. Als der Berg gekommen sei, habe er nichts davon mitbekommen.

Sein Betrieb war aber einer, der 16 Bauernhöfe, die nun unter dem Schutt vergraben liegt. Und wie soll es weitergehen? «Für meinen Betrieb muss ich alles analysieren und das Gespräch mit jungen Leuten suchen. Der Sohn meiner Frau zeigt Interesse, den Betrieb weiterzuführen», sagt Ritler. Natürlich habe man eine Vision, die sich aber bis zum Ziel noch tausendmal ändern könne. «Eine Landwirtschaft wie bisher wird es für mich nicht mehr geben. Den mittlerweile bin ich 57 Jahre alt und wenn ein Neubau fertiggestellt ist, bin ich 60 Jahre alt», so der Landwirt. Den Kopf in den Sand stecken will er aber nicht: «Ich bin gerne unter den Leuten und als Skilehrer habe ich trotz allem eine Perspektive», hält er fest.

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Weiterhin eine Zukunft

Insgesamt sind wegen des Bergsturzes rund 120 Grossvieheinheiten betroffen und mussten auf sichere Weiden oder direkt auf Alpen gebracht werden. Es handelt sich um 80 Rinder sowie 40 Schafe und Ziegen. Der Schuttkegel hat rund 72 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche zerstört, darunter 50 Hektaren besonders ertragreiche Mähwiesen.

Zwischen Blatten und der Fafleralp ist die Bewirtschaftung von rund 102 Hektaren sowie von vier Alpen derzeit gar nicht oder nur eingeschränkt möglich. «Aktuell werden gemeinsam mit den betroffenen Betrieben Szenarien für eine teilweise oder alternative Nutzung dieser Flächen geprüft», sagt der Agraringenieur André Summermatter. Den zuerst müsse abgeklärt werden, welche Betriebe weiterhin eine Zukunft sehen oder bei welchen Betrieben der Hofnachfolger fehle. «Das braucht Zeit und es dauert sicher gut ein Jahr, wenn nicht fast zwei Jahre, bis die ersten Baubewilligungen eingereicht werden können», so Summermatter. Das heisst, dass mindestens für zwei Winter Futter und einen Stall für die Tiere gesucht werden müssen. «Zurzeit konnten wir alle Tiere auf den umliegenden Alpen unterbringen», hält er fest. Für den kommenden Winter brauche es aber noch einige freie Ställe. «Wir sind guten Mutes, dass wir auch diese finden werden», sagt er. Ideal wäre natürlich, wenn diese in der näheren Umgebung vom Lötschental oder im Wallis zu finden sind.

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Viele Existenzen zerstört

Unbürokratisch zeigt sich auch der Kanton und der Bund. Für zwei Jahre sollen die betroffenen Bauern weiter uneingeschränkt und wie bisher die Direktzahlungen (DZ) erhalten. «Der Bergsturz zerstörte für viele ihre Existenz und die Bauernfamilien sind auf Soforthilfe angewiesen», sagt Gérald Dayer, Chef der Dienststelle für Landwirtschaft vom Kanton Wallis. Aus diesem Grunde wurde die erste Tranche (75 %) der DZ an die betroffenen Landwirte bereits ausbezahlt, damit ihr Einkommen gesichert ist. Weiter soll die Rückzahlung von Landwirtschaftskrediten sistiert werden.

Für die nächste Generation

Bei dieser herausfordernden Phase spielt die 2013 gegründete landwirtschaftliche Genossenschaft vom Lötschental eine wichtige Rolle. «Hier dürfen wir auf eine gute Zusammenarbeit mit der Dienststelle für Landwirtschaft und der Bauernvereinigung Oberwallis zählen», sagt Christian Rieder, der Talratspräsident. «Wir haben mit jeden betroffenen Landwirten persönlich gesprochen, wie er die Zukunft seines Betriebes sieht», so Rieder. Es sei noch zu früh zu sagen, ob es einige Betriebe gebe, die keinen neuen Stall mehr bauen wollen. «Klar ist, dass die Gebäudeversicherung 75 % vom Gebäudeschaden bezahlen werden und die restlichen 25 % der Eigentümer tragen muss», sagt Rieder. In erster Linie gelte es jetzt für die nächste Generation zu bauen. «Darum stehen wir weiterhin mit den Landwirten wie auch mit dem Kanton, der Gemeinde und mit dem Bund eng im Kontakt», sagt er.