«Wir bieten hier den Leuten einen Boden, die es im Leben nicht so leicht hatten. So können sie wieder lernen auf den eigenen Füssen zu stehen», sagt Peter von Gunten. Hier auf dem Biohof Hohburg, auf dem Belpberg wo er mit seiner Familie lebt, sind schon seit vielen Jahren immer wieder Menschen zu Gast, die «aus der Bahn geworfen wurden», wie es von Gunten formuliert. Menschen jeden Alters, auch Jugendliche mit einem schwierigen Elternhaus oder Erwachsene finden hier Struktur, Arbeit und können herausfinden, wohin sie im Leben wollen. Auf dem Bauernhof arbeiten verschiedenste Menschen gemeinsam und finden einen gemeinsamen Alltag.
Manchmal läuft es gut, manchmal weniger
Für dieses Engagement war der Biohof Hohburg für den Berner Sozialstern 2020 nominiert. Für den ersten Platz hat es nicht gereicht, aber für die Auszeichnung «best Practice». Aktuell arbeiten zwei Personen auf dem Hof, die in einer Wiedereingliederungsmassnahme sind. Eventuell kommt nächstens noch jemand dazu. «Man kann oft nicht langfristig planen, an manchen Tagen läuft es gut, an anderen nicht so», fasst Peter von Gunten zusammen. Die Menschen, welche zu ihm auf den Betrieb vermittelt werden, kommen von Jobtrainings und haben vielfach ein Burnout oder sonst einen schwierigen Arbeitsplatzverlust hinter sich. Bei der Mitarbeit auf dem Hof gilt es auch herauszufinden, wie belastbar sie sind und ob sie wieder in den normalen Arbeitsprozess integriert werden können. «Ich bin einer, der bei den Menschen die Probleme gut ansprechen kann. Klar reden wir hier während der Arbeit darüber wie es weiter gehen soll, aber ich bin kein Therapeut. Ich bin einfach da und gebe den Boden», fasst von Gunten seine Aufgabe zusammen.
Weg aus dem Nichtstun
«Zu Beginn arbeiten diese Menschen hier völlig ohne Leistungsdruck aber mit klaren Zielen, die mit den Betreuern vereinbart werden», erzählt Peter von Gunten: «An manchen Tagen arbeiten sie ihre zwei oder vier Stunden, dann gibt es Tage, da geht nicht viel, müssen sie weinen, sind körperlich nicht zwäg oder sonst mit sich selbst beschäftigt. Diese Möglichkeit gebe er den Leuten bei sich auf dem Hof gerne: «Sie können mithelfen, im Haushalt, bei den Mutterkühen, bei den Legehennen oder auf den Feldern. Aber sie können auch einfach dasitzen und die Ziegen streicheln oder mit dem Hund spazieren. Was ihnen gut tut». Die meisten wohnen extern und kommen auf den Hof zur Arbeit. Wieder raus aus der Wohnung, weg aus dem Nichtstun. Zuerst nur ein paar Stunden am Tag, dann aufbauend mehr. «Das tut den Menschen gut, wenn sie sich nützlich machen können, eine Aufgabe haben», sagt Peter von Gunten. Er weiss aber auch: «Zu denken, dass man nur hier ein bisschen Tiere streicheln kann und in der Erde graben, dann wird alles wieder gut, das reicht nicht». Die Personen, die von der UPD auf dem Biohof platziert werden, haben auch einen Jobcoach und psychologische Unterstützung. Lernen das Leben wieder zu strukturieren und neue Wege einzuschlagen – sollen wenn möglich zurück in den normalen Arbeitsprozess finden. Die Arbeit auf dem Bauernhof ist oftmals ein erster Schritt aus dem geschützten Umfeld heraus.
Drei Chancen für Jeden
Auf die Frage, ob die Mitarbeiter auf seinem Hof eine Entlastung oder zusätzliche Arbeit sind, hat Peter von Gunten keine eindeutige Antwort: «Für mich ist es halt sehr viel Administration, die ich erledigen muss, viele Sitzungen mit den Betreuern. Krankenkassen und die IV machen zusätzlich oft Druck, möchten den Klienten lieber früher als später wieder gesund sehen. «Aber diese Prozesse brauchen Zeit, die Menschen sind nicht in ein paar Wochen wieder voll einsatzfähig, wie das System das gerne hätte», betont von Gunten. In seinem Büro stapeln sich die Dossiers über seine Mitarbeiter. Und zu allen hat er Geschichten. Manche lustig, manche nicht. Aber neben den Akten und Alltagsreibereien steht ganz klar der Mensch im Vordergrund: «Und da hat bei mir jeder drei Chancen», erzählt er lachend über das Kommen und Gehen einiger Mitarbeiter.
Die Familie ist fast nie allein
«An guten Tagen werde ich draussen auf den Hof gut entlastet. Aber ich weiss halt nie, wer kommt und wer nicht und in welcher Verfassung die Person gerade nicht», fasst Peter von Gunten zusammen. Seine Frau Kathrine arbeitet teilweise auswärts, die drei Kinder sind schulpflichtig. Als Pädagogin ist Kathrine den Mitarbeitern eine wichtige Stütze. Auf dem Biohof Hohburg gibt es Tage, wo ein reges Kommen und Gehen herrscht. Auch am Küchentisch sitzen immer viele Menschen: «Wir sind als Familie fast nie alleine, wenn meine Frau und ich nicht gleicher Meinung sind, bekommen das die Angestellten mit. Wenn unsere Kinder zanken, sehen unsere Angestellten, wie wir damit umgehen», sagt Peter von Gunten. Ihm sei bewusst, dass das viele Familien davon abhalte in die Betreuung einzusteigen. Und doch gebe es gerade in der Landwirtschaft sehr viele, die sich für Menschen engagieren, die nicht so auf der Sonnenseite stehen. Deshalb sei er froh, dass der Berner Sozialstern dieses Engagement sichtbar mache.
Das Helfersyndrom ausleben
Ein Engagement, für das die Familie nicht bezahlt wird. Dafür haben sie eine gewisse Entlastung bei den täglichen Arbeiten in Haus und Hof. «Wir machen das, um den Menschen zu helfen. Ich selbst habe auch schon erfahren, wie schnell sich im Leben alles ändern kann, ohne dass man etwas dafür kann. Und vielleicht kann ich so auch ein wenig mein Helfersyndrom ausleben», sagt er, lacht und fügt an: «Das ist das wichtigste Heilmittel, der Humor. Damit kommt man viel leichter über Schwieriges hinweg als mit einer Standpauke».
Anerkennung für das Engagement
Das Job Coach Placement der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) AG unterstützt zusammen mit der IV-Stelle Bern Menschen mit einer psychisch bedingten Leistungseinschränkung beim Ziel, beruflich wieder Fuss zu fassen.
Damit das gelingt, braucht es Unternehmen, die bereit sind, leistungsschwächeren Menschen Arbeit anzubieten. Dieses wichtige Engagement von Unternehmen der Privatwirtschaft verdient öffentliche Anerkennung.
Wanderpreis mit 10'000 Franken Preisgeld
Darum zeichnen die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) seit 2009 eine Unternehmung aus, die sich besonders für die berufliche Integration von Menschen mit einer psychisch bedingten Beeinträchtigung einsetzt. Dazu verleihen sie den Berner Sozialstern als Wanderpreis und ein Preisgeld von 10'000.- Franken, welches zweckgebunden für die weitere Förderung und Integration von psychisch beeinträchtigten Menschen eingesetzt werden muss.
Der Stern zeigt Wirkung
Die positiven Auswirkungen des Berner Sozialstern lassen sich sehen: Preisträger berichten, dass sie dank dem Sozialstern zusätzliche Aufträge erhalten haben und die Mitarbeitenden durch diese Anerkennung motiviert wurden, sich auch künftig für die Integration von psychisch beeinträchtigten Menschen einzusetzen.