Bauer Buess (Name der Redaktion bekannt) ist verärgert, sehr verärgert sogar: Seit sein Betrieb neu geschätzt wurde, hat sein Hof nun einen viel höheren Wert. Auf der einen Seite erfreulich, auf der anderen Seite ärgerlich für den Bauern. Denn jetzt muss Buess, der schon jahrelang von seiner Frau getrennt lebt und kurz vor der Scheidung steht, der «Ex-Frau» 100'000 Franken mehr Abfindung bezahlen als noch vor der Schätzung seines Betriebes. Der Grund, warum die Bauernhöfe jetzt plötzlich wertvoller sein sollen, liegt beim Bund. Dieser hat per 1. April 2018 die Schätzungsanleitung sowie die Verordnung über das bäuerliche Bodenrecht und die Bemessung des landwirtschaftlichen Pachtzinses revidiert.
Schlechte Karten
«In diesem Fall hat Bauer Buess eindeutig Pech oder, besser gesagt, seine Frau eben Glück», sagt Martin Goldenberger, Leiter Agriexpert in Brugg AG. Wäre die Scheidung von Bauer Buess noch vor dem 1. April 2018 vollzogen worden, hätte seine Partnerin trotz nachträglich höherer Schätzung des Betriebes keinen Anspruch darauf geltend machen können. «Hier kommt das bäuerliche Bodenrecht und das Pachtgesetz zum Zuge. Nachzahlungen sind eigentlich nur bei speziellen Vertragsabmachungen denkbar», ist Goldenberger überzeugt. Hingegen sei es sehr problematisch, wenn heute noch Hofübergaben mit den alten Ertragswerten gemacht werden. Denn dies könne grosse erbrechtliche Probleme hervorrufen, weil Pflichtteilsverletzungen entstehen könnten. «Bevor der Hof an die nächste Generation übergeben wird, empfehlen wir dringend, eine neue Schätzung des Betriebes vorzunehmen», sagt der Experte. Wegen der neuen Verordnung des Bundes sei es aber absehbar, dass der zukünftige Betriebsleiter bei einer Hofübernahme jetzt tiefer in die Tasche greifen müsse, wie auch die Abfindung bei einer Scheidung höher ausfallen werde, da die Betriebe deutlich an Wert zunehmen. «Neu wird geschätzt, wenn der Landwirt eine Veränderung des Betriebes anstrebt (Verkauf, Verpachtung oder höhere Hyptheken)», sagt Goldenberger.
Höher bewertet
«Mit dieser neuen Schätzung werden die landwirtschaftlichen Ertragswerte um rund 14% ansteigen, wenn zwei oder mehr Wohnungen auf dem Betrieb vorhanden sind, sogar um bis zu 30%», sagt Martin Goldenberger. Somit erhalten die Käufer und Miterben mehr Geld. Ein schöner Teil dieser Erhöhung erfolgt vor allem wegen der Höherbewertung der zweiten Wohnung, welche oft die Eltern mit einem Wohnrecht oder einem Mietvertrag für sich vorbehalten. «Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) wollte dies bewusst so, damit die Verkäufer sich für den dritten Lebensabschnitt auch eine Wohnung ausserhalb des Hofes leisten können», hält Goldenberger fest. Denn dies war bisher nicht möglich, da der Verkaufserlös für die zweite Wohnung mit dem landwirtschaftlichen Ertragswert, keinesfalls für den Erwerb oder die Miete einer anderen, gleichwertigen Wohnung ausserhalb des Betriebes reichte. «Es soll mit diesem Systemwechsel also auch Konfliktpotenzial verringert werden», ist Goldenberger überzeugt. Dank der höheren Schätzung der Betriebe steige aber auch die Belastungsgrenze an. So kann sich der Betriebsleiter leichter eine Hypothek beschaffen, denn der höhere Wert des Betriebes lässt die Sicherheit für die Banken ansteigen.
Die Steuerbelastung steigt
Wegen der neuen Schätzung nimmt aber auch der wirtschaftliche Druck auf die Bauern weiter zu, denn nun müssen sie auch mehr Steuern bezahlen. Denn: «Der Vermögensteuerwert wie auch der als Einkommen aufgerechnete Wert steigt an», sagt Martin Goldenberger. Die Eigentümer werden also auf dem Papier reicher und verdienen wegen dem höheren Eigenmietwert mehr. Die höhere Bewertung der Betriebe könne auch dazu führen, dass Landwirte auf Stipendien für ihre Kinder oder auf Krankenkassenverbilligungen verzichten müssen. Goldenberger ist aber der Meinung, dass die Landwirte bei der Besteuerung der Betriebe unverändert stark privilegiert behandelt werden. Denn jede Privatperson müsse heute sein Familienhaus zum Verkehrswert anrechnen lassen und rund 65% des am Markt erzielbaren Mietwertes als Einkommen deklarieren. «Die Landwirte fahren bei der Besteuerung immer noch viel besser als alle anderen Selbstständigen und Privatpersonen.»