Vom 7. bis 10. November findet in Luzern die Zentralschweizer Bildungsmesse (Zebi) statt. Prominent mit dabei ist die Landwirtschaft mit den Berufsfeldern Landwirt/in, Geflügelfachmann/-frau, Agrarpraktiker/in und neu zusätzlich Obstfachmann/-frau. Braucht es diesen Auftritt, kennen die Bauernkinder denn das Berufsfeld nicht schon zu Genüge?
Mehrere Fliegen auf einmal
Unbedingt brauche es diesen Auftritt, sagen kantonale Bauernverbände und die regionalen Bildungszentren unisono. Michael Ruoss, der unter dem Dach des Zentralschweizer Bauernbundes (ZBB) den Auftritt koordiniert, nennt vor allem zwei Gründe. Einerseits sei es wichtig, den Beruf möglichst vielen Jugendlichen zu erklären und Vorurteile abzubauen und damit auch den einen oder anderen Quereinsteiger abzuholen. Anderseits werden aber auch viele «Zweifler», wie Ruoss sie nennt, innerhalb der Landwirtschaft beraten. Längst nicht mehr alle Bauernkinder und potenzielle Hofnachfolger sind sich nämlich sicher, ob der Beruf Landwirt für sie das Richtige ist. Auch junge Frauen seien oft skeptisch und fragten sich, ob sie die noch immer recht physisch strenge Ausbildung schaffen können, so die Erfahrung von Ruoss. Und dann kommt die Frage eines möglichen Zweitberufs. «Die Eltern finden es gut, wenn ihre Kinder Landwirt lernen», sagt Ruoss. Noch lieber sehen es aber viele, wenn «zur Sicherheit» erst eine andere Berufslehre ins Auge gefasst wird.
«Eltern wollen erst einen anderen Beruf.»
Michael Ruoss, BVSZ, Koordinator Zebi-Auftritt ZBB
Zuerst etwas «Rechtes»
In der Tat liegen Zweitberufe im Trend. Im Kanton Uri haben sie sogar Tradition. «Die Bauernschule Uri setzt seit zehn Jahren voll auf das System der Zweitausbildung in Form der Nachholbildung», sagt Adrian Arnold, Leiter Abteilung Landwirtschaft des Berufs- und Weiterbildungszentrums Uri. Für die formale Ausbildung arbeitet Seedorf mit Pfäffikon SZ zusammen. Die ideale Form für kleinstrukturierte Gebiete helfe, dass weniger die Schiene der Nebenerwerbskurse nehmen, findet Arnold. Doch auch im Aargau hat sich die Zweitlehre oder Nachholbildung auf hohem Niveau zwischen 40 und 50% stabilisiert, erklärt Hansruedi Häfliger, Direktor LZ. Alle angefragten Bildungszentren schätzen diese etwas reiferen und meist motivierten Schüler. Und Häfliger stellt klar, man brauche den Weg der Zweitausbildung, sonst fehlten in kurzer Zeit noch mehr qualifizierte Hofnachfolger und Arbeitskräfte für die Branche. Gegen 50 Prozent Zweitausbildner sind es mittlerweile auch im Kanton Luzern, sagt BBZN-Direktor Walter Gut. Diesen Trend nicht bestätigen kann einzig Martin Pfister vom LBBZ Schluechthof. Dazu seien die Schwankungen jährlich zu gross. Anstelle von zwei Berufslehren könnte aus seiner Sicht in gleicher Zeit aber auch eine höhere Fachschule angehängt werden, was weitere Perspektiven innerhalb der Branche eröffne.
«Statt Zweitberuf eine Weiterbildung.»
Martin Pfister, Rektor LBBZ Schluechthof
Genügend Berufsbildner
Gut sieht auch das Lehrstellen-Angebot aus für den motivierten Berufsnachwuchs. «Im Kanton Luzern haben wir über 300 Lehrstellen anzubieten», sagt Beat Weltert von der Bildungskommission des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands. Die Qualität der Ausbildungsbetriebe sei hoch und die Auswahl an unterschiedlichsten Lehrbetrieben gross. Stärker gestiegen als die Nachfrage ist auch in Ob- und Nidwalden die Anzahl Lehrbetriebe. Mit dem System der dreijährigen Lehre sind insbesondere auch Betriebe dazugekommen, die zuvor wegen geringerem Arbeitsaufkommen im Winterhalbjahr auf einen Lernenden verzichteten. «In Schwyz haben wir aktuell rund 75 Lehrbetriebe, so viele wie noch nie», sagt Bildungspräsident Benno Dillier. Auch beim Berufseinstieg haben Junglandwirte also die Qual der Wahl.
«So viele Lehrbetriebe wie noch nie.»
Benno Dillier, Berufsbildner Kanton Schwyz
Weitere Infos: www.zebi.ch
Arbeitszeiten kaum ein Thema
Viel Arbeiten gehört noch immer zum Selbstverständnis der Landwirte. Schliesslich gibt es immer etwas zu tun. Nur am Sonntag beschränkt man sich aufs Wesentlichste. Vor allem in der Deutschschweiz. Viele Romands versuchen auch am Samstag zumindest ein wenig zu kompensieren.
Die kantonalen Normalarbeitsverträge für landwirtschaftliche Arbeitnehmer unterscheiden sich nur minim. Uri schreibt von wöchentlich 55 Stunden in Betrieben «mit Viehhaltung» und 50 Stunden in Betrieben ohne. Ebenfalls 55 Stunden sind es in Schwyz, wobei die tägliche Arbeitszeit maximal zehn Stunden betragen darf. In Obwalden sind es zehn Stunden täglich und 1,5 Freitage wöchentlich, also ebenfalls 55 Stunden. Genauso ist es im Aargau, in Zug und in Luzern geregelt. Gar 57 Stunden sind es in Nidwalden.
«Die Diskussion rund um die Arbeitszeit nimmt tendenziell zu und sollte im Rahmen der bevorstehenden Grundbildungsrevision als Thema aufgenommen werden», findet Hansruedi Häfliger vom LZ Liebegg. Bei der Berufswahl sei dies aber noch kaum ein Thema
Stabile Schülerzahlen erwartet
Martin Pfister vom LBBZ Schluechthof beschreibt die landwirtschaftliche Ausbildung als «recht krisenresistent». Die Schwankungen seien nicht gross und schweizweit habe man in den vergangenen zehn Jahren 30 Prozent mehr Abschlüsse, obwohl auch geburtenschwache Jahrgänge darunter waren. Nicht nur eine Hofnachfolge, sondern auch die Arbeit nach erfolgter Weiterbildung in der vor- und nachgelagerten Branche sei attraktiv und der Ruf der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer ungebrochen gut. Walter Gut, BBZN Luzern, vermutet nur kurzfristig aus demografischen Gründen einen leichten Rückgang, mittelfristig aber wieder konstante Schülerzahlen. «Offizielle Szenarien gehen mittelfristig von etwa gleichbleibenden Lernendenzahlen in der Landwirtschaft aus», sagt auch der Liebegger Hansruedi Häfliger. Trotzdem würde dies den Strukturwandel wegen fehlenden Hofnachfolgern künftig beschleunigen. Von konstanten Ausbildungszahlen geht auch Uri aus. Ausser der Beruf Landwirt/in EFZ würde über eine Verlängerung der Erstausbildung unattraktiver gemacht.
"Bashing" hinterlässt Spuren
Diverse Abstimmungen mit landwirtschaftlichem Bezug stehen an. Die Lebensmittelproduktion ist in der Kritik, die Zeitungen sind voll davon. Fast täglich hat die Medienstelle des Schweizer Bauernverbandes neue Vorwürfe zu entkräften. Mit Auswirkungen auf den Berufnachwuchs? «Meines Erachtens ganz klar ja», sagt Benno Dillier, Präsident der Berufbildungskommission der Bauernvereinigung Schwyz. «Welche Eltern bringen ihren Nachwuchs auf diese Schiene, wenn täglich medial über einen Berufsstand negativ berichtet wird›», schiebt er nach. Man könne die Landwirtschaft nicht über Jahrzehnte am Tropf des Bundes erhalten, schlecht darüber berichten, das Einkommen auf tiefem Niveau halten und dennoch glauben, der Beruf bleibe bei der Jugend attraktiv. «Uns werden die besten jugendlichen Aspiranten abwandern», so seine Befürchtung. «Das persönliche Umfeld hat noch immer den grössten Einfluss auf den Berufnachwuchs», findet dagegen Daniel von Ah, Präsident der Berufsbildungskommission OW/NW. Er empfiehlt den Jungen, besonnen auf Kritik zu reagieren.