«Das Schlimmste für mich war, dass nach dem Hagel keine Insekten mehr da waren.» Rund drei Wochen hat es gedauert, bis Judica Altmann, Bäuerin aus dem freiburgischen Kerzers, nach dem schlimmen Hagelunwetter von Ende Juni in ihrem grossen Blumenfeld wieder eine Hummel zu Gesicht bekam. Die Betroffenheit über das Ereignis ist ihr auch einige Wochen danach noch deutlich anzumerken. Der Besuch auf dem Kardenhof ausserhalb von Kerzers wäre eigentlich bereits früher geplant gewesen. Nämlich genau am Tag, nachdem der Hagel weitläufig zahlreiche Kulturen zerstört hatte. Doch da sass der Schock zu tief. Judica Altmann sah sich ausserstande, über ihre Arbeit, die Produktion von Blumen für den eigenen Blumenladen in der Stadt Bern, zu berichten. Nun, mit einigen Wochen Distanz, läuft sie mit der Schreibenden durch den Garten, berichtet voller Hingabe von diesen und jenen Pflanzen und wie sie sich erholt haben oder eben nicht. Zeitweise strahlt sie und ihre Augen leuchten. Dann wieder weicht das Lachen aus dem Gesicht der naturverbundenen Frau. Die mehrjährigen Pflanzen wurden stark getroffen, an eine Ernte ist heuer nicht mehr zu denken. Der Sommerflor hingegen hat sich, abgesehen von den Zinnien, erstaunlich gut erholt.
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Der finanzielle Schaden ist gross
Dennoch ist der finanzielle Schaden enorm, da das 20 Aren grosse Blumenfeld nicht versichert ist. Dies sei schwierig zu bewerkstelligen, weiss die gelernte Hauswirtschaftslehrerin, da sie sehr viele Pflanzen, geschätzt 70 Arten, in kleinen Mengen habe. Es wachsen Kräuter, essbare Blumen, Sommerflor wie Dahlien, Cosmea, Sonnenblumen, daneben Wildgladiolen, Rosen, Pfingstrosen, aber auch diverse Gräser, Gehölze wie Flieder und vieles mehr. Eine Versicherungssumme zu definieren, sei fast ein Ding der Unmöglichkeit. Bislang habe sie jedenfalls noch kein sinnvolles Angebot erhalten. «Blumen sind eine Quelle der Freude», betont Judica Altmann. Diese Quelle hat aber einen grossen Schaden erlitten. Dennoch schaut die Bäuerin nach vorne, freut sich über das, was noch gedeiht und hofft auf ein besseres nächstes Jahr.
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Dass Judica Altmann sehr mit der Pflanzen- und auch der Tierwelt verbunden ist, wird beim Besuch sofort klar. «Ich bin leidenschaftlich Bäuerin und sehr naturverbunden», erklärt sie. Sie und ihr Mann Urs, mit dem sie den Kardenhof gemeinsam führt, stecken viel Herzblut in den Betrieb. Sie lieben und leben mit der Natur, den Jahres- und Saisonzeiten und bewirtschaften den Hof nach Bio-Suisse-Richtlinien. Der Ökologie wird dabei viel Gewicht beigemessen.
Nicht alles ist in ihrem Laden zu jeder Jahreszeit erhältlich
Während der Hauptsaison im Sommer kann die Bäuerin ihren Laden in Bern während rund zwei Monaten komplett mit eigenen Blumen bestücken. Daneben will sie möglichst hiesige Waren verkaufen. Aber auch sie kommt nicht drumherum, Blumen zu importieren. Denn vieles, was die Kunden wünschen, wie etwa langstielige Rosen oder blaue Hortensien, kann sie nicht anbauen. Diese importiert sie direkt von einem Produzenten aus Italien. Aber auch dort wachsen im Mai und April keine Rosen. Wenn man Judica Altmann bereits eine Weile zugehört hat, erstaunt es nicht, wenn sie sagt: «In dieser Zeit verkaufe ich eben keine Rosen.» Auf Lieferungen aus Übersee verzichtet sie. Da bleibt sie konsequent. Das bedinge aber, dass das Gespräch mit den Kund(innen) geführt wird.
Saisonal und daher anders, als die meisten Blumengeschäfte
Rasch wird auch der Nichtblumenkennerin klar, dass Judica Altmanns Laden in der Stadt Bern keineswegs mit einem «herkömmlichen» Blumenladen zu vergleichen ist, dessen Sortiment jahraus, jahrein nur kleine Unterschiede aufweist. Und so müssen die Floristinnen, die in ihrem Laden arbeiten, zu Beginn viele neue Pflanzen lernen und in der Gestaltung der Sträusse und Gestecke umdenken. Denn die Grundausbildung von Floristinnen orientiere sich halt stark am Standard, bemängelt Judica Altmann. Ihr ist es wichtig, dass sie ihre Mitarbeiterinnen, fünf an der Zahl, dabei begleiten kann, zu reifen Frauen heranzuwachsen, die lernen, Verantwortung zu übernehmen, mitzudenken und selbst kreativ zu sein. «Der Sozialaspekt ist mir enorm wichtig. Wo ich kann, will ich einen Beitrag leisten», erklärt die Bäuerin. Denn zu oft würden Floristinnen künstlich klein gehalten, weiss die Betriebsleiterin. Umzudenken galt es auch nach dem Hagelzug. Im Laden wurden Sturmsträusse oder Trümmertöpfli aus Resten gefertigt. Jedoch hat das die Kund(innen) nicht sonderlich interessiert. Judica Altmann blieb, um ihren Stil aufrecht zu erhalten, nichts anderes übrig, als andernorts zu kaufen, was sie sonst zu Hause ernten konnte. Sie durfte aber auch viel Solidarität erfahren, indem sie in Gärten von Freunden, Familie und bei Kundinnen Blumen schneiden gehen durfte. Dies bedeutete zwar einen riesigen Aufwand, nebst der aufwendigen Pflege des eigenen gebeutelten Gartens. Doch die viele Arbeit habe sie abgelenkt.
Die Präsentationsweise ist ungeeignet für den Märit
Judica Altmann ist auf dem Kardenhof aufgewachsen. «Blumen draussen und drinnen in der Vase waren bei mir schon als Kind immer ein Thema», erzählt sie. Als sie gemeinsam mit ihrem Mann Urs den Hof übernahm, ging sie zunächst mit Blumen auf den Markt. Sie sei aber nicht Märit-begabt, das habe sie rasch festgestellt. Ihre Art und Weise, Floristik zu betreiben, eigne sich nicht für den Markt. Denn sie liebe aufwendige Präsentationen. So begann sie, die Blumen in einem kleine Laden zu verkaufen. Später zügelte sie an die Kramgasse 60, wo sie nun seit über 15 Jahren zu finden ist. Auf Unterstützung bei der Blumenproduktion darf Judica Altmann vonseiten ihrer 82-jährigen Mutter zählen. «Sie ist die beste Säerin», erklärt sie und lacht dabei fröhlich. Sie selbst setze die Pflanzen lieber, als sie auszusäen oder pflege das Gewachsene. Und: «Wir sind so ein gutes Team.» Die Blumenproduktion des Kardenhofs ist mit der Zeit gewachsen. Viele Kundinnen und Kunden denken weg von den Exoten, hin zu Saisonalem. Zwar fehle das Wissen darüber, was wann Saison habe, das Interesse dafür sei jedoch da. «Die Kunden vertrauen aber darauf, dass bei mir im Laden die Saisonalität verhebt», weiss Judica Altmann.
Die Werte der Landwirtschaft in der Stadt aufzeigen
«Mir ist es ein Anliegen, die Leute für die Natur zu sensibilisieren. Ich will mit dem Laden in der Stadt die Landwirtschaft dorthin bringen und die Werte unserer Landwirtschaft aufzeigen.» Dass dies nicht nur leere Worte sind, bezeugt die Tatsache, dass sich Judica Altmann keinen Lohn für die Arbeit im Laden ausbezahlt, der als GmbH eingetragen ist. Ihr Einkommen erzielt sie aus dem Verkauf der Blumen an das Geschäft. Anders als die Blumenproduktion ist der restliche Betrieb gut gegen Hagel versichert. Da ist Judica Altmann froh drum. Noch jetzt gebe es Ecken, in die sie nicht geht. Etwa bei den Sonnenblumen. Die Versicherungsecke werde nun extra stehen gelassen, da der Neuntöter dort ein gutes Jagdgebiet für Insekten gefunden hat. Nun bleibt zu hoffen, dass das nächste Jahr für die Bäuerin wieder besser aussieht und die Quelle der Freude wieder reich sprudelt, beziehungsweise wächst.
Betriebsspiegel Kardenhof
Betrieb: Kardenhof
Ort: Kerzers
Betriebsleiter: Judica und Urs Altmann
Betriebsform: Nach Bio-Suisse-Richtlinien
Fläche: 28 Hektar
Betriebszweige: Ackerbau, Mutterkuhhaltung mit Direktvermarktung, Blumen für eigenen Laden, Biodiversität
Produkte: Brotgetreide, Sonnenblumen, Mais, Fleisch von behornten Kühen
Tiere: Rund 20 Limousin-Kühe mit Kälbern, Kleintiere wie Perlhühner und Katzen
