Wenn man das Wort «Tracht» hört, tauchen bei jedem andere Bilder für die Tracht auf, was ja klar ist, denn die Vielfalt an Trachten ist riesig. Es gibt die Arbeits-, die Sonntags- und die Festtagstracht. Jede Kategorie hat ihre Besonderheiten.
Regeln und eigene Wünsche
Doch jede Tracht ist auch ein Unikat. Die Trachtenschneiderin schneidert und näht die Tracht nach einheitlichen Schnittmustern und genauen Regeln. Auch heute noch sind die Trachten je nach Region oder gar Dorf verschieden geschneidert, weisen ihre Spezialitäten auf.[IMG 2]
Das Spezielle, Einzigartige an der Tracht kommt erst danach – die Stickerei. Auch hier gibt es Regeln, was und wo und wie auf eine Tracht gestickt werden darf. Doch jede Frau kann ihre persönlichen Wünsche anbringen. So wird die Tracht zum Unikat.
Aus der Not entstand Hobby
Seit vielen Jahren stickt in Parpan Elsbeth Kurath Trachten im Auftragsverhältnis für viele Kunden. Wie ist es dazu gekommen? Zu Hause hätten sie in der Familie oft und gerne gesungen. So kam es, dass sie in jungen Jahren einem Älpler-Chörli beitrat. Für die Auftritte hätte sie eine Festtagstracht tragen sollen, doch das lag ausserhalb der finanziellen Möglichkeiten.
Also – selbst ist die Frau: Bei einer Trachtenstickerin lernte sie das Sticken. Dann besuchte sie einen Schneiderkurs für Trachten in Chur und schneiderte ihre erste Tracht selbst.
Das Trachtensticken faszinierte Elsbeth Kurath. Sie stickte nicht nur ihre eigene Tracht, sondern begann, auch für andere zu sticken. Da es ihr Freude bereitete, ihr Wissen weiterzugeben, organisierte sie auch Trachtenstickkurse. «Mitte der 1980er- Jahre war ein richtiger Trachtenboom», erinnert sich Elsbeth Kurath. Die damalige Frauenschule in Chur fragte sie an, ob sie bereit wäre, Trachten zu sticken. Seither habe sie ungefähr fünfzig Trachten gestickt.
120 Stunden voll konzentriert
Wenn man bedenkt, dass es für das Sticken einer Tracht rund 120 Stunden bei voller Konzentration braucht, so war Elsbeth Kurath viele Stunden mit dieser Arbeit beschäftigt – und das machte sie nur nebenbei. Denn sie war Bäuerin, Mutter, Hausfrau und hat somit mehr als genug zu tun gehabt. Aber eben, das Sticken war zu einem Hobby geworden, das sie liebte.
Wenn ihr Mann Othmar im Winter tagsüber am Skilift war, die Kinder in der Schule, im Stall alles erledigt, dann endlich konnte sie sich ihrem Hobby widmen und ein wenig sticken.
Zu sehen, wie ihr Werk immer mehr an Form annahm, wie aus einzelnen, verschieden gefärbten Fäden auf dem Stoff Blumen, Ranken, Ornamente entstanden, wie sich das Einzelne zu einem Bild und zu einem Ganzen zusammenfügte, faszinierte sie. Das war ihr Ansporn, quasi vorwärts zu sticken und anschliessend festzustellen, ob der Entwurf auf dem Papier nun auf dem Stoff auch wirklich so aussah, wie es sich sie und ihre Kundin vorgestellt hatten.
Nicht nur Erwachsene tragen eine Tracht. Auch für Kinder hat Elisabeth schon Trachten bestickt. Bei den Kindern würden die Blumen eher als Blumenknöpfe gestickt, bei den Erwachsenen seien offene Blumen auf der Tracht üblich. «Eigentlich erzählt eine Tracht die Geschichte der Trägerin, denn sie wird ja nach ihren Wünschen gestickt», so Elsbeth Kurath.
«Die Tracht verkörpert Lebensstil.»
Elsbeth Kurath, Trachtenstickerin aus Parpan
Weissstickerei und mehr
Elsbeth Kurath stickt nicht nur auf Festtagstrachten, sie betreibt auch noch weitere Stickereien, zum Beispiel Weissstickerei und Bündner Kunstkreuzstich. Für die Weissstickerei werden bei weissen Herrenhemden gewisse Fäden links und rechts der Knopf- respektive der Knopflochseite gezogen.
Die Fäden dienen dann als Halt für die Stickerei, die in dieses bearbeitete Band eingefügt wird. So wird aus einem einfachen weissen Hemd ein richtiges Kunstwerk.
Der traditionelle Bündner Kunstkreuzstich wird für die Arbeits- und Sonntagstracht der Frauen angewendet. Das Spezielle ist, dass der Grundstich immer von links nach rechts und der Deckstich von rechts nach links gestickt wird. Damit die Rückseite perfekt wird, muss jeder einzelne Faden in die gleiche Richtung laufen und die Fäden dürfen sich nicht überkreuzen.
Für Elsbeth Kurath sind Trachten etwas sehr Spezielles, Individuelles, Einzigartiges und auf die Trägerin zugeschnitten. «Ich trage selbst sehr gerne eine Tracht – die Tracht verkörpert auch einen Lebensstil.»