«Burnout – wenn Stress krank macht», dazu sollte kommenden Mittwoch endlich wieder ein Themenanlass der Junglandwirte Zentralschweiz stattfinden. Mit Betonung auf sollte, denn die Zertifikatspflicht ab Montag war zu kurzfristig und bewog die Organisatoren schliesslich zur Absage.

Dauerbrenner Arbeit

Interessierte werden den frei gewordenen Abend hoffentlich nicht mit Arbeit füllen. Denn die Belastung ist auf vielen Betrieben weiterhin hoch, weiss Benjamin Herzog von Junglandwirte Zentralschweiz, der als Lehrer und vor allem Berater am Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung Luzern das Thema bestens kennt. «Die Arbeitsbelastung ist in der Betriebsberatung ein Dauerbrenner», so Herzog. Das Problem als solches werde meist im Gespräch rasch evaluiert. Ob dann tatsächlich auch etwas angepasst werde, liegt dann in den Händen der Verantwortlichen auf den Höfen. So einfach ist es nicht, denn mit einer «Kuh weniger» im Stall sei es nicht getan, so Herzog. Meist bräuchte es grössere Veränderungen, etwa eine andere Tiergattung. Finanzielle Zukunftsängste werden häufig stärker gewichtet als der Arbeitsanfall. Alles bleibt dann beim alten und es kommt zum «Durchseuchen bis zur Hofübergabe», wie Herzog es nennt.

Beruf birgt Risiken

Hoffnung gibt es im Rahmen des Generationenwechsels. Denn Freizeit gewinne bei den Junglandwirten an Bedeutung, weiss der Berater. Und spätestens eine allfällige Partnerin bringt dann häufig nebst dem grösseren, besseren und schöneren Betrieb noch eine andere Sichtweise mit ein.

Burnout, die Konsequenz einer Überbelastung, wird verschieden definiert. Eine Beschreibung, die gemäss dem Luzerner Josef Kuster, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und von den Junglandwirten eigentlich als Referent engagiert, gut passt, ist diese: «Burnout bezeichnet einen Erschöpfungszustand, dem im Allgemeinen eine längere Zeitspanne mit sehr hoher Anspannung, sehr hoher Leistungsanforderung und der damit verbundenen Stressbelastung vorausgeht. In der Regel mündet ein ausgeprägtes, langdauerndes Burnout in eine Erschöpfungsdepression.» Kuster ist keine Statistik bekannt, wonach Bäuerinnen und Bauern stärker von Burnouts betroffen wären als andere Berufsgruppen. Undenkbar sei es aber nicht. Nebst den langen Tagen, Wochenenddienst und seltenen Ferien nennt Kuster spontan das Mehrgenerationenumfeld, das belastend sein könne.

Ein Teufelskreis

Die Anzeichen für ein Burnout sind laut Josef Kuster vielfältig. «Wenn es nach den üblichen Schema geht, kommen zuerst körperliche Erschöpfungszeichen mit abnehmender Leistungsfähigkeit und oft einer kompensatorischen Steigerung der Arbeitszeit – ein Teufelskreis», so Kuster. Wenn die Belastungssituation genügend lange andauert und von den betroffenen Personen nicht Gegensteuer gegeben wird, komme es zu einem psychischen Erschöpfungszustand, der letzten Endes unter dem Bild einer Erschöpfungsdepression verläuft. Die japanische Steigerungsform davon heisse «Karoshi», auf Deutsch: Tod durch Überarbeitung. In aller Regel haben Burnouts, so die Erfahrung von Josef Kuster, eine lange Vorlaufzeit und entwickeln sich typischerweise langsam und schleichend.

Was haben Betroffene für ein Profil? In Kusters Praxis kommen allermeist «sehr pflichtbewusste, sehr zuverlässige, äusserst tüchtige Personen mit hohen Leistungsansprüchen an sich selber, die ihre Arbeit perfekt erledigen, denen man deshalb mit Vorliebe zusätzliche Tätigkeiten zuweist und die schlecht «Nein» sagen können». Als zweiter Faktor, nach dem Persönlichkeitsprofil, kommen gemäss dem erfahrenen Psychiater objektive und subjektive Belastungsfaktoren hinzu wie finanzieller Druck, zeitlicher Druck, fehlende Erholungsmöglichkeiten und der Zeitgeist, also die ständige Verfügbarkeit via Handy und Soziale Medien. Aber auch Einengung der Gestaltungsmöglichkeiten könne eine Rolle spielen. In der Landwirtschaft etwa häufig wechselnde und restriktivere Vorgaben des Gesetzgebers.

Bessere Prophylaxe

Legt man das vom Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie beschriebene Profil auf die Landwirtschaft, würde eine Häufigkeit der Burnout-Fälle nicht überraschen. Immerhin ist das Bewusstsein geschärft. Josef Kuster hat vor einigen Jahren einen Vortrag über Burnout bei Landfrauen gehalten. Damals habe ihn die Präsidentin vorinformiert, dass im Rahmen ihres Vorstandes Uneinigkeit bestehe, ob dieses Krankheitsbild überhaupt existiere. Bei den Junglandwirten Zentralschweiz sei dies längst erkannt und akzeptiert, so Kuster. Dennoch: «Prophylaxe ist immer noch bedeutend weniger aufwendig, als nachher die Scherben zusammenzusuchen und wieder mühsam zu kitten», schliesst er.