Werden auf einem Hof soziale Dienstleistungen angeboten, übernachten Menschen mit Beeinträchtigungen in der Schweiz meist auch vor Ort. Doch es geht auch anders. Eine Stiftung will Tagesstrukturen auf Landwirtschaftsbetrieben fördern.

In den Niederlanden ist es selbstverständlich: Rund 30 000 Menschen mit Beeinträchtigungen wirken unter der Woche auf etwa 1300 Landwirtschaftsbetrieben mit. Die Abende und die Wochenenden verbringen sie mit ihren Familien oder in betreuten Wohneinrichtungen. «Das Modell hat sich bewährt und wird seit über 20 Jahren staatlich gefördert», sagt Christine Grogg. Die Lehrerin und Bäuerin hat mit ihrem Mann Gody Grogg über 30 Jahre auf dem Familienbetrieb in Thunstetten BE eine therapeutische Wohngemeinschaft geführt. Heute amtet die frühere Berner Grossrätin als Präsidentin der «George Avenue Foundation».

Stiftung will fördern

Die «George Avenue Foundation» ist eine Schweizer Stiftung, die sich auf Projekte in den Bereichen «Green Care» und «Gesundes Altern» fokussiert, wie die Organisation auf ihrer Website schreibt. Gegründet wurde sie von Paul Baan. Der Niederländer hatte mit seinem Bruder ein erfolgreiches Softwareunternehmen geführt und im Jahr 2000 einen Grossteil seines Vermögens in die Stiftung «Noaber» gesteckt, die sich in Holland verschiedenen Bereichen der Gesundheitsförderung widmet.

Paul Baan hat zudem ein Ferienhaus in der Schweiz. Bei seinen Besuchen realisierte er, dass es in der Schweizer Landwirtschaft kaum soziale Angebote gibt, die Tagesbetreuung anbieten, und gründete die George-Avenue-Stiftung.

Neue Rahmenbedingungen

Ein Grund dafür, dass es in der Schweiz meist nur Green-Care-Angebote mit Kost und Logis gibt, war bisher die Finanzierung. Einige Kantone wie Bern, Zürich und beide Basel haben aber die Gesetze über die Leistungen für Menschen mit Behinderungen angepasst: Es gilt nun Subjekt- statt Objektfinanzierung. Das heisst, dass Zuwendungen direkt an Menschen mit Beeinträchtigungen bezahlt werden und nicht mehr an Anbieter wie Wohnheime oder Organisationen.

«Das ist eine Chance für Tagesstrukturen», sagt Christine Grogg. «Denn durch die Subjektfinanzierung kann man selbst mitbestimmen, welches Angebot man wählt. Und für die Bauernfamilien ist der Betreuungsaufwand kleiner und sie haben mehr Privatsphäre.» Gerade die Kleinstruktur der hiesigen Höfe, auf der oft mehrere Generationen zusammen leben und arbeiten, biete viele Vorteile. «Hier können Menschen mit Beeinträchtigungen an einem natürlichen Tagesablauf mitwirken und sind gleichzeitig in einer sozialen Gemeinschaft eingebettet. Das erlebt man sonst fast nirgends mehr.»

Vorurteile abbauen

Während die Bäuerinnen und Bauern, die soziale Dienstleistungen anbieten, in den Niederlanden als Betreuungsprofis betrachtet werden, bestehen in der Schweiz noch Vorbehalte. «Viele erkennen den Wert noch nicht», so Christine Grogg. «Damit Vorurteile abgebaut werden, müssen Betreuungsleistungen eine gewisse Qualität aufweisen und man muss wissen, was man bekommt.»

Sie möchte Politik, Organisationen und Landwirtschaft vernetzen. Und sie setzt sich für einheitliche Qualitätsstandards ein und das Sichtbarmachen der Angebote, wie es auch Green Care Schweiz anstrebt. Christine Groggs Mann Gody Grogg engagiert sich daher für den neuen Branchenverband in der Kommission Qualität.

Es gehe keineswegs darum, die Bauernhöfe umzukrempeln, betont Christine Grogg. «Ein produzierender Hof darf so bleiben, die natürlichen Strukturen sollen erhalten werden.» Es gehe darum, die Landwirtschaft zu stärken. Denn viele Höfe brauchen heute verschiedene Standbeine, damit sie weiter bewirtschaftet werden können. «Soziale Dienstleistungen sind zudem eine Möglichkeit, wie sich die Gesellschaft und die Landwirtschaft wieder näherkommen.»

Weitere Informationen:

www.laengmatt.ch

www.georgeavenuefoundation.ch