Die Herausforderungen in der Landwirtschaft sind gross, denen begegnet der selbstständige Treuhänder und Meisterlandwirt Peter Widmer aus Aarberg tagtäglich. Die begrenzte landwirtschaftliche Nutzfläche, die hohen Produktionskosten und die strengen Umweltschutzvorschriften sind nur einige von vielen Beispielen.
Es zählt, was sich am Schluss rechnet
«Heute ist nicht mehr nur die Betriebsgrösse ausschlaggebend, sondern das, was sich rechnet. Sprich, was am Schluss ausbezahlt wird und übrig geblieben ist», sagt Peter Widmer. Auch wenn die Landwirtschaftspolitik nicht immer nachvollziehbar ist, rät er, so weit wie möglich, mit ihr und nicht gegen sie zu arbeiten. «Wer flexible Strukturen hat und schnell reagieren kann, gehört heute eindeutig zu den Gewinnern», ist der Treuhänder überzeugt. Viele Betriebe sind heute hoch spezialisiert und dadurch komplexer geworden. «Spezialisierung und Komplexität erfordern jedoch ein hohes Mass an Know-how und es bedeutet oft eine grosse finanzielle und zeitliche Last für die Betriebsleitung – nicht zuletzt auch für die ganze Familie», ist Widmer überzeugt. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass diese Betriebsstrukturen schwer an die nächste Generation zu übergeben sind.
«Oft fehlt der Zauber und die Energie.»
Davon ist der Meisterlandwirt Peter Widmer überzeugt.
«Auch wenn ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin am landwirtschaftlichen Betrieb interessiert ist, fehlt oft der ‹Zauber› und damit die positive Energie für einen Neuanfang für die nächste Generation», so der Treuhänder. «Manchmal muss man die Weichen anders stellen, um seinem Leben eine neue Dimension zu geben», stellt Peter Widmer fest. Er beobachtet, dass etliche Bauern lieber am Altbewährten festhalten und leiden, statt sich neu auszurichten. «Ich kann nicht mehr machen, als auf unrentable Betriebszweige aufmerksam machen und Empfehlungen abgeben», meint er. Oft seien die Bauern «Gefangene ihrer selbst»; sie gehen lieber mit ihren eigenen, ungeprüften Annahmen weiter, als sich von anderen etwas sagen zu lassen.
Eigene Wege gehen, und trotzdem den Wert der Vorgänger anerkennen
«Dafür sind eben zu viele Experten, wenn es um die anderen geht», schmunzelt der Meisterlandwirt. Dies treffe jedoch nicht nur für die Bauersleute zu, ergänzt er. Auch wenn die Landwirtschaft – und vielleicht auch die übrige Wirtschaft – nicht rosigen Zeiten entgegensteuern, braucht es weiterhin die produzierende Landwirtschaft. «Zu welchem Preis, da können die Landwirte selbst mitbestimmen», sagt Peter Widmer. Er möchte die zukünftige Generation ermutigen, eigene Wege zu gehen, ohne den Wert der Arbeit von ihren Vorgängern zu missachten. «Was für eine Generation gut ist, muss für die nächste nicht zwingend sein», so der Meisterlandwirt. Investiert man in eine bestimmte Produktionsrichtung, wie in einen neuen Kuh-, Schweine- oder Pouletstall, ist man für Jahre fest daran gebunden.
Genügend flüssige Mittel sind unerlässlich
«Wer sich so weit bindet, muss sich der Verantwortung im vollen Umfang bewusst sein und auch ein tragendes Familien- oder Nachbarsystem zur Hilfe haben. Ansonsten können solche Investitionen zu einem kostspieligen Fauxpas werden, insbesondere wenn sie nicht mittelfristig amortisierbar sind», ist Peter Widmer überzeugt. Auf jeden Fall rät er von Investitionen ab, wenn über zu wenig flüssige Mittel vorhanden sind. «Ohne Kapital und nur mit den aktuellen Produzentenpreisen wird es schwierig, die Zinsen und die Rückzahlungen zu stemmen», so der Treuhänder.
Ist der Stundenlohn zu tief, muss hinterfragt werden
Es gibt eine einfache Formel, die er immer wieder und ohne Unterlass zitiert: «Gesamteinkommen minus Privatverbrauch gleich Eigenkapitalbildung oder eben Eigenkapitalverzehr.» Und: «Wer nicht erben kann oder beschenkt wird, muss rentabel wirtschaften. Anders funktioniert es nicht», so der Meisterlandwirt. Zuweilen ist Widmer überrascht, mit wie wenig Stundenlohn sich die Bauern zufriedengeben. «Wenn man einen Stundenlohn von Fr. 10.– realisiert, wird es höchste Zeit, seinen Betrieb und die Betriebszweige zu hinterfragen», stellt Widmer sachlich klar.
Einzelner Produzent muss sich breiter abstützen
Der Treuhänder ist überzeugt, dass die Produktion von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln auch heute noch ein grosses Anliegen der Landwirtschaft ist. «Wenn die Konsumentinnen und Konsumenten jedoch nicht bereit sind, für die erbrachten Leistungen und Produkte der Bauern einen gerechten Preis zu bezahlen und lieber auf ausländische Ware zu Dumpingpreisen greifen, kann sich der einzelne Produzent nur danach richten, sich breiter abstützen oder eben die Landwirtschaft aufgeben», bedauert Peter Widmer.
«Ich kann eine Zweitausbildung empfehlen.»
Das rät der Treuhänder Peter Widmer den Jungen.
Was genau er mit breiter abstützen meint, erklärt er so: «Zum Beispiel mit einer zweiten Ausbildung in einem nicht zwingend landwirtschaftsnahen Sektor, da hat man als Landwirt grosse Flexibilität», ist er überzeugt.
Den Schritt zur Zweitausbildung gewagt
Er selbst hat diesen Schritt auch gewagt. «Nach meiner Ausbildung zum Meisterlandwirt habe ich mit 28 Jahren die kaufmännische Grundausbildung nachgeholt und danach einen zweiten Tertiärabschluss als Treuhänder mit eidg. Fachausweis erlangt», erzählt Peter Widmer. Er räumt zwar ein, dass diese Dreifachbelastung mit einem Landwirtschaftsbetrieb (damals noch als Generationengemeinschaft mit seinem Vater), seiner Anstellung bei der ehemaligen landwirtschaftlichen Buchstelle in Ins im Treuhandbereich und den nebenher besuchten Ausbildungsterminen (abends und samstags) eine hohe Belastung für seine noch junge Ehe war.
Agieren mit Kopf, Herz und Hand
«Ich bin rückblickend froh, dass ich damit zusammen mit meiner Frau Regina die Weichen stellen konnte für die gemeinsame top-GmbH für Coaching und Beratung», sagt er am Küchentisch. Seine Frau war bereits damals als selbstständige Organisationsberaterin tätig und als Erwachsenenbildnerin auch ausserkantonal unterwegs. Beide fanden so ihr gemeinsames Business, das sie auch nach der Geburt der beiden Kinder Fiona und Florian als Familie bis heute erfolgreich führen. Peter Widmer schätzt den regelmässigen Austausch mit seinen Berufskollegen und ist glücklich, als Landwirt und Treuhänder mit Kopf, Herz und Hand tätig sein zu können.
Der Betrieb wurde optimiert
Er selbst hat seinen 43 ha grossen Ackerbaubetrieb während der letzten 20 Jahre laufend optimiert und an die äusseren Umstände angepasst. Durch den Umzug an die Bahnhofstrasse in Aarberg hat er dieses Jahr mit der Munimast aufgehört. «Der Stall ist zu nahe bei bestehenden und geplanten Mehrfamilienhäusern. Die benachbarte Bevölkerung ist nicht mehr so landwirtschaftsnah», stellt er fest. Sind die Tiere zu laut oder fährt man Gülle aus, reagieren die Leute heute viel sensibler als noch vor zehn Jahren. «Da hilft auch alles Jammern nichts», sagt er nachdenklich.
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