Der Name des Projekts zur dritten Thurkorrektion hat sich geändert, doch die Streitpunkte bleiben dieselben. Manuel Strupler vom Verband Thurgauer Landwirtschaft und Martin Eugster vom Thurgauer Amt für Umwelt diskutierten letzte Woche unter der Leitung von Mario Testa über Hochwasserschutz, den Erhalt von Landwirtschaftsland und die Dringlichkeit der Massnahmen. Eingeladen hatte die IG Thur.

Speziallösungen möglich

Martin Eugster, Leiter Amt für Umwelt, erinnerte dabei an die Ziele des Konzepts Thur 3 (ehemals Hochwasserschutz- und Revitalisierungskonzept Thur+): Hochwassersicherheit, Stabilisierung der Sohlenlage, Schaffung von ökologisch wertvollen Lebensräumen. Mario Testa hakte nach: «Es entsteht fast der Eindruck, als wäre der Erhalt von Kulturland kein Thema.» Worauf Eugster entgegnete, natürlich sei auch das ein Ziel, aber «ein untergeordnetes».

Eine Gewichtung der Interessen werde man bei den einzelnen Projekten vornehmen. Ausnahmen seien der Exerzierplatz in Weinfelden und der Thurabschnitt bei Bonau. Dort gebe es Speziallösungen, um möglichst viel Kulturland zu erhalten.

Manuel Strupler reichte das nicht. Der Nationalrat aus Weinfelden machte darauf aufmerksam, dass einige Betriebe durch Thur 3 und den Kulturlandverlust in ihrer Existenz gefährdet seien. Der Hochwasserschutz und die Sicherung der Grundwasserversorgung seien unbestritten – auch in der Landwirtschaft, sagte Strupler. Aber er wünschte sich für die ganzen 45 km, auf denen die dritte Thurkorrektion stattfinden soll, pragmatische Lösungen für die Landwirtschaft. «Wenn wir Kulturland hergeben müssen, dann nicht für Naherholungsgebiete.»

Eugster entgegnete: «Wir bleiben innerhalb der Dämme.» Der Kanton sei bereit, Kompromisse zugunsten der Landwirtschaft einzugehen. Eugster verwies auf Weinfelden und Bonau. «Wenn man überall solche Lösungen findet, kommen wir einem vernünftigen Weg näher», so Strupler. Die Landwirtschaft beteiligt sich auch am Mitwirkungsprozess (Thur-Rat, Thur-Konferenz).

Defizite beim Dammunterhalt

«Braucht es die Nutzungseinschränkungen zwischen den Dämmen?», wandte Mario Testa sich an Martin Eugster. «Ja», entgegnete dieser. «Das ist Gewässerraum, und gemäss Bundesgesetz muss dort eine extensive Bewirtschaftung stattfinden.»

Der Leiter des Amts für Umwelt warnte mehrmals: «Wir haben grosse Defizite an den Dämmen, im Vorland und im Gerinne. Diese Mängel müssen behoben werden», machte er unmissverständlich klar. Man müsse davon ausgehen, dass das heutige Dammsystem bei einem Ereignis, wie es alle 30 Jahre vorkommen könne, brechen würde. Das ist allerdings zu befürchten, denn zu den Dämmen gab es kritische Voten aus dem Publikum.

«Die Dämme sehen teils himmeltraurig aus. Es hat meterhohe Bäume und zahlreiche Tierbauten», machte ein Zuhörer seinem Ärger Luft. Und mehrmals kam die Frage auf, weshalb die Dämme so schlecht unterhalten seien. Eugster versuchte die Wogen zu glätten. Man wisse um diese Probleme. Er räumte Versäumnisse im Unterhalt ein. Der Grund dafür seien fehlende personelle Ressourcen. «Wir haben zwei Mitarbeiter, die zuständig sind für den Unterhalt aller Flüsse im Kanton.» Er versicherte: «Wir sind dran und tun unser Bestes.»

Wenn nicht jetzt, wann dann?

So leicht liess ihn Manuel Strupler nicht davonkommen. Jetzt – mit den vielen Überschwemmungen und Murgängen in der Schweiz – wäre genau der richtige Zeitpunkt, den Hochwasserschutz anzupacken. «Die Stabilisierung der Dämme sollte absolute Priorität haben und nicht ein bisschen Thurrenaturierung, wo wir im gleichen Zug den Hochwasserschutz angehen.»

Ginge es nach Strupler, so müsste man Schutzmassnahmen so schnell wie möglich und im Sinne des Hochwasserschutzes umsetzen. «Unter Umständen auf Kosten von Biodiversitätsflächen und Wald.» Doch mit einer schnellen Umsetzung ist nicht zu rechnen, weder was die Dammstabilisierung noch das Projekt Thur 3 betrifft.

Im Herbst 2024 will man die Projektorganisation in Kraft setzen. Dann startet die Planungs- und Projektierungsphase. Mit einer Realisierung rechnet Martin Eugster frühestens ab 2032. «Wir haben keinen fixfertigen Plan in der Schublade», sagte er.


Direktbetroffene machen Tag der offenen Tür

Urs und Barbara Huggel aus Bussnang sassen an diesem Abend im Publikum. Ihnen droht durch das Revitalisierungsprojekt Thur 3 der Verlust des Weidelandes rund um den Betrieb. Die Interventionslinie auf den Plänen grenzt direkt an den Laufhof, und die Grenze des Gewässerraums verläuft quer durch die Fahrsilos und die Scheune. Die Wiesenfläche zwischen Stall und Thur müsste als Ökofläche ausgeschieden werden. [IMG 3]

Huggels würden total 17 ha düngbare Fläche verlieren, davon 9 ha Eigenland. Die Anforderungen fürs RAUS-Programm ihrer 145 Milchkühe könnten sie nicht mehr erfüllen. Barbara Huggel sagte im Anschluss an das Podium im Gespräch mit dem «Thurgauer Bauer»: «Dass der Kanton bei der Etappe Weinfelden und Bonau zu Kompromissen bereit ist, stimmt mich zuversichtlich. Ich wüsste nicht, warum bei uns eine Sonderregelung nicht auch möglich sein sollte.»

Die Bäuerin, die auch im Vorstand der IG Thur ist, betonte, dass es wichtig sei, als IG Thur im Gespräch zu bleiben. Deshalb plane die IG Thur am 17. August einen Tag der offenen Tür auf Huggels Betrieb in Bussnang. «Wir möchten an drei Stationen das Projekt vorstellen, Fachleute vom Kanton sowie Befürworter und Gegner zu Wort kommen lassen und natürlich unsere Betroffenheit aufzeigen.» 


In Zahlen

  • 45 km Fluss sollen im Rahmen des Projekts Thur 3 renaturiert werden,
  • 212 ha landwirtschaftliche Nutzfläche werden dem Projekt zum Opfer fallen.
  • 59 ha sind davon als Fruchtfolgeflächen ausgewiesen.
  • 5 Mio Kubik Erde sollen abgetragen werden. Mit einem kleinen Teil werden Böden aufgewertet, der grösste Teil wird vermutlich entsorgt werden.
  • 325 Mio Franken kostet das Projekt laut Schätzung des Kantons Thurgau.
  • 30 Jahre beträgt der Umsetzungshorizont.