Damian Signer bietet Landwirten die Möglichkeit an, auf ihrem Betrieb eine Hof- beziehungsweise eine Weidetötung durchzuführen. Fotografieren oder gar filmen lassen möchte sich Damian Signer bei einer solchen Schlachtung allerdings nicht. Zu oft wurde der gelernte Metzger mit der Formel «Metzger = Mörder» konfrontiert. Der 33-jährige Appenzeller sagt in diesem Zusammenhang, er respektiere Veganer und Vegetarier. Er erwarte aber im Gegenzug, dass diese ihn, seine Familie und seine berufliche Tätigkeit respektierten. Dieser Aspekt von Signers Beruf kommt erst auf eine entsprechende Nachfrage am Ende unseres Treffens zur Sprache.
Viele Stressfaktoren
Beinahe ungefragt hingegen kommt Damian Signer auf die Vorteile der Hof- beziehungsweise der Weidetötung zu sprechen. «Landwirte unternehmen alles, um Fleisch von höchster Qualität zu produzieren. Während Monaten sind sie um das Tierwohl bemüht und sorgen dafür, dass es ihren Tieren gut geht», sagt Signer. In den letzten Minuten des Lebens können, bei der Tötung im Schlachtbetrieb und beim Transport dorthin, die Bemühungen der Landwirte jedoch zunichte gemacht werden.
Unter Stress gesetzt, schütteten die Tiere Hormone aus, welche die Fleischqualität beeinträchtigen. «Ein Rind ist ein Herdentier, das in einem Familienverbund lebt», gibt Signer zu bedenken. Es wolle nicht alleine an einem Ort sein. Unbekannte Gerüche, Geräusche, die Anwesenheit anderer unbekannter Tiere und Tierarten seien enorme Stressfaktoren. Bei Tieren, die nicht mehr transportfähig sind, sprich bei Notschlachtungen, hat die Tötung auf dem Hof zudem einen ganz pragmatischen Vorteil: Dank der Betäubung auf dem Hof und dem anschliessenden Transport in den Schlachtbetrieb, kann das Fleisch nach einer Fleischkontrolle durch einen Amtstierarzt dennoch für den Konsum verwendet werden.
Damian Signer ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, lebt in Appenzell, ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Der gelernte Metzger und ausgebildete Jäger arbeitete in verschiedenen regionalen, kleineren Schlachtbetrieben, bevor er Anfang dieses Jahres die Firma Waidwerker GmbH gründete
Aktiv in zwei Sparten
Die Waidwerker GmbH besteht aus zwei Betriebszweigen. Neben den Dienstleistungen für die Weide- und Hoftötung bietet die GmbH Dienstleistungen zur Prävention und Beseitigung von Schäden an, die durch Wildtiere verursacht worden sind. Dieses Angebot richtet sich an Hausbesitzer, Liegenschaftsverwaltungen, aber auch an Landwirte. Im Bereich Landwirtschaft geht es etwa um das Erstellen von geeigneten Zäunen zum Schutz von Wildtieren. Damian Signer verfügt aber auch über eine Drohne mit Wärmebildkamera. Mit dieser kann er etwa ausmachen, ob sich bereits Wildschweine im Innern eines Maisfeldes befinden. Signer bietet seine Dienstleistungen in der ganzen Ostschweiz an.
Ideale Voraussetzungen
Auslöser für die Gründung der Waidwerker GmbH war die im Juli 2020 in Kraft getretene neue Verordnung über das Schlachten und die Fleischkontrolle (VSFK; SR 817.190). Diese regelt schweizweit die Voraussetzungen und Abläufe, die bei einer Hof- beziehungsweise einer Weidetötung zur Fleischgewinnung eingehalten werden müssen. «Als Metzger und Jäger verfüge ich über ideale Voraussetzungen als Dienstleister für Landwirtschaftsbetriebe, welche an dieser Art der Tötung interessiert sind», sagt Signer. Seine Dienstleistung besteht in der Betäubung der Tiere auf dem Hof oder auf der Weide und dem Transport danach zum Schlachtbetrieb. Für diese Leistungen lässt er sich zu einem Stundenansatz honorieren. Signer betont, dass er keinen Fleischhandel betreibe, sondern lediglich die beschriebenen Dienstleistungen erbringe.
Übernimmt Administration
Ausserdem berät Signer interessierte Landwirte, wenn es darum geht, das Bewilligungsgesuch für eine Hof- und Weidetötung auf dem eigenen Betrieb einzuholen. Da gilt es, detailliert vorgeschriebene Arbeitsabläufe einzuhalten und zu dokumentieren. Es sind auch Vorinvestitionen nötig. Im Falle der Hoftötung von Rindern gehört zum Beispiel ein spezielles Fressgatter dazu, in dem die Tiere vor der Betäubung durch einen Bolzenschuss fixiert werden können. Signer übernimmt für seine zukünftigen Kunden auch das arbeitsintensive Ausfüllen der Formulare, die bei einem Bewilligungsgesuch für die Tötung auf dem eigenen Betrieb eingereicht werden müssen.
Neben seiner beruflichen Qualifikation als Metzger und Jäger musste auch Signer eine beachtliche finanzielle Vorleistung erbringen, um seine Dienstleistung anzubieten: Sie bestand in der Anschaffung eines speziellen Anhängers zum Transport der betäubten und entbluteten Tiere vom Hof oder der Weide in den Schlachtbetrieb. Es handelt sich dabei um einen sogenannten T-Trailer, der die in der EU-vorgeschriebenen Hygiene-Normen für solche Transporte erfüllt. Zudem ist Signers Anhänger mit Schragen und Schragenführungen ausgerüstet, wie sie auch in den Schlachtbetrieben üblich sind, was die Arbeitsabläufe erheblich erleichtert.
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Noch in der Aufbauphase
Damian Signers Firma Waidwerker GmbH befindet sich noch in der Aufbauphase. «Für eine Tötung auf dem eigenen Hof braucht es eine Bewilligung. Zudem sind Investitionen nötig. Bis da ein Entscheid gefällt und eine Bewilligung vorhanden ist, braucht es eine Vorlaufzeit von ein paar Wochen», sagt Signer. Wegen Corona verzögerte sich die Einfuhr des T-Trailer von Deutschland nach Österreich und in die Schweiz um einige Wochen.
Der T-Trailer ist seit April regelmässig im Einsatz und laut Signer haben sich bereits etliche Betriebe aus der Ostschweiz für eine Zusammenarbeit mit ihm entschieden. Dabei handelt es sich etwa um Produzenten von Natura-Beef, Halter von schottischen Hochlandrindern, Halter von Wasserbüffeln, Ziegen, Schafen, Lamas und auch Pferden. Aber auch Milchviehbetriebe mit eigener Kälbermast gehören zu Signers Kunden. Generell sind es Betriebe, die auf eine gewisse Exklusivität und auf die Direktvermarktung setzen.
Genau geregelter Ablauf
Die Voraussetzungen und Abläufe für eine Hof- beziehungsweise eine Weidetötung sind genau geregelt. Weil bei jeder Weidetötung ein Amtstierarzt anwesend sein muss, fallen bei dieser Art der Schlachtung höhere Kosten an als bei einer Hoftötung. Bei der Hoftötung von Rindern muss ein spezielles Fressgatter vorhanden sein, in dem das Tier vor der Betäubung durch einen Bolzenschuss fixiert werden kann. Danach muss das Tier entblutet und in einem Spezialanhänger zum Schlachtbetrieb gefahren werden. Das Blut muss in einem speziellen Behälter aufgefangen werden und darf nicht in den Boden gelangen. Die Zeit zwischen dem Entblute-Schnitt und der Entnahme der Innereien im Schlachtbetrieb darf maximal 45 Minuten dauern. Der Bolzenschuss und die Entblutung darf nur durch eine Person mit einer entsprechen Fachkundigkeit und regelmässiger Praxis vorgenommen werden. In der Regel dürfte dies ein ausgebildeter Metzger sein. Ausführungen zur Hof- und Weideschlachtungen sowie eine detaillierte FiBL-Broschüre finden sich im Internet.
Mit Mehrkosten verbunden
Mit der Einführung der Tötung auf dem eigenen Betrieb sind Mehrkosten verbunden. Etwa für das Bewilligungsverfahren, für amtlich beaufsichtigte Probetötungen oder im Falle von Rindvieh für die Anschaffung eines Fressgatters mit Fixationsmöglichkeit. Signer rät deshalb Produzenten, die sich für die Tötung auf dem eigenen Betrieb entscheiden, ihren Kunden zu signalisieren, dass sich der Fleischpreis wegen des Zusatzaufwands für die Hoftötung leicht erhöht. Ihm sind keine negativen Reaktionen wegen dieses Rates zu Ohren gekommen.
Die Einführung der Hof- und Weidetötung hat in der Metzgereibranche nicht nur positive Reaktionen ausgelöst. Signer, der generell mit kleineren Schlachtbetrieben zusammenarbeitet – in Appenzell mit der Appenzeller Fleisch und Feinkost AG –, hat da andere Erfahrungen gemacht. Immer wieder habe er gehört: «Wenn du es machst, ist es super.» Viele Schlachtbetriebe würden unter Personalmangel leiden, sagt er. Die Angestellten stünden unter Druck. Er liefere die betäubten Tiere zu einem Zeitpunkt an, der in die Arbeitsabläufe passe, es entstehe kein zusätzlicher Mehraufwand. Ausserdem ist Signer bei Bedarf in der Lage, Arbeiten eines Metzgers zu übernehmen.
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Bewusstere Konsumenten
Die gegenwärtig grösste Herausforderung bei der Tötung auf dem Betrieb oder der Weide besteht darin, dass maximal 45 Minuten nach der Entblutung der Transport zum Schlachtbetrieb und die Entnahme der Innereien abgeschlossen sein muss. Gegenwärtig führt Damian Signer eine Liste von Betrieben, auf denen die Hofschlachtung wegen des zu langen Anfahrtsweges zu einem Schlachtbetrieb nicht möglich ist. Er hofft deshalb, dass diese Bestimmung gelockert wird. In der EU würden entsprechende Bemühungen laufen.
Signer ist überzeugt, dass die Hof- und Weidetötung eine Zukunft hat, weil sie einem wichtigen Trend entspricht: «Die Konsumenten essen bewusster. Sie essen weniger Fleisch, sind aber auch bereit, mehr dafür zu bezahlen. Für sie ist es wichtig zu wissen, dass es das Tier schön gehabt hat und zu Hause sterben durfte.»